Westerland. Auf der Insel entsteht das Original Sylter Rapsöl. Dahinter stecken ein umtriebiger Kaufmann und ein Anwalt, der zum Landwirt wurde.
Auf den ersten Blick haben Jan Petersen und Christian Gehrke nicht so richtig viele Gemeinsamkeiten. Der eine ist Bauer aus Leidenschaft, eher so der bedächtige Typ. Der andere Edeka-Händler in zweiter Generation, und so oft wie möglich auf dem Surfbrett. Dass die beiden sich so gut verstehen, hat mit ihrer Liebe für gute Lebensmittel zu tun. Und mit Raps.
Vor zwei Jahren, mitten in der Corona-Pandemie, haben sie einen Plan gefasst. „Ich hatte schon länger die Idee, den Raps, den ich auf Sylt anbaue, nicht nur in der industriellen Fertigung auf dem Weltmarkt untergehen zu sehen, sondern etwas Besseres daraus zu machen“, sagt Landwirt Petersen. Gemeinsam mit Kaufmann Gehrke schaffte er sich schließlich selbst eine Alternative: ein Rapsöl aus eigener Produktion – das Original Sylter Rapsöl.
Sylt: Zum Rapsöl-Test in die Champagnerbar
An diesem Herbstnachmittag sitzen die Geschäftspartner, 59 und 38 Jahre alt, in der Vitis Wein- und Champagnerbar in Westerland. Das Lokal ist auch ein Projekt von Christian Gehrke, der dort als Franchisenehmer den Privatclub Winebank betreibt. Aber das ist eine andere Geschichte. Auf einem langen Holztisch steht kein Wein, sondern Rapsöl.
„Probieren Sie mal“, sagt Gehrke und gießt die sattgelbe Flüssigkeit in ein Schälchen, daneben hat er Brot zum Dippen angerichtet. Das Unternehmerduo ist wirklich überzeugt von seinem Produkt mit leicht nussigem Geschmackston. „Es ist kein Vergleich zu dem üblichen, konventionell gefertigten Rapsöl“, sagt der Lebensmittelhändler.
Rapsöl hat einen schlechten Ruf - zu Unrecht
Traditionelle Ernteverfahren, naturbelassener Anbau und kalte Pressung – das macht das Besondere des Original Sylter Rapsöls aus. „Wir arbeiten mit einer wechselnden Fruchtfolge, setzen Pflanzenschutzmittel nur in geringem Umfang ein“, sagt Landwirt Jan Petersen.
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Eigentlich ist der Schleswig-Holsteiner, der auf einem Bauernhof bei Bad Oldesloe aufgewachsen ist, Jurist - aber die Liebe zur Landwirtschaft war größer. Seit 2008 betreibt er seinen Betrieb in Morsum mit inzwischen 150 Hektar Ackerland. Raps ist für ihn ein wichtiges Produkt. Er baut die Pflanze auf 20 Hektar an, mit einem Ertrag von im Schnitt drei Tonnen im Jahr.
Das Problem: Raps wird in Deutschland vor allem als Futtermittel, zu Erzeugung von Bio-Kraftstoffen und zur Verwertung in der Industrie verwendet. Viel Geld verdienen kann man damit nicht. „Auch wenn alle die leuchtend gelb blühenden Rapsfelder im Frühjahr lieben“, sagt der Bauer. „Rapsöl hat bei den Verbrauchern einen schlechten Ruf.“
Sylt: Rapssamen werden in der Nähe von Lüneburg zu Öl
Dass das nicht so sein muss, haben die beiden Sylter inzwischen gezeigt. Die Rapssamen, die in einer schonenden, herkömmlichen Art – dem sogenannten Schwaddrusch-Verfahren – geerntet werden, lassen sie in einer kleinen Ölmühle in der Nähe von Lüneburg kalt pressen. Verkauft wird ihr Sylter Rapsöl in dicken, eckigen Glasflaschen, die teilweise von den Sylter Werkstätten bedruckt werden.
Ein hochwertiges Produkt, das mit einer Preisempfehlung von 9,90 Euro für 250 Milliliter deutlich über den üblichen Marktpreisen von Rapsöl liegt. „Unser Öl enthält keine Chemie, aber ernährungsphysiologisch wertvolle Omega-3-Fettsäuren“, erklärt Jan Petersen den Preis und empfiehlt eine Verwendung etwa für Salatsaucen.
2000 Flaschen Rapsöl im Jahr – statt 32.000
Inzwischen gibt es das Sylter Rapsöl seit zwei Jahren. „Am Anfang waren wir etwas zu euphorisch bei den Mengen“, sagt Kaufmann Gehrke, der für den Vertrieb zuständig ist. Der Absatz in der Startphase verlief deutlich schleppend als erwartet.
8000 Liter hatten die Geschäftspartner für die erste Pressung geplant. „Das war viel zu viel“, sagt Landwirt Petersen, der letztlich eines Großteils des Öls doch an die Industrie verkaufen musste. „Die Konsumenten meisten kennen nur das normale Rapsöl. Die Wertschätzung für unser Produkt war nicht da.“ Inzwischen hat sich der Verkauf bei gut 2000 Flaschen (500 Liter) im Jahr eingependelt – die meisten davon auf Sylt. Da ist noch Luft nach offen.
Sylter Rapsöl soll bekannter werden
Aber Petersen und Gehrke denken nicht ans Aufgeben. Gerade ist die nächste Rapsöl-Pressung in Arbeit. Aktuell laufen Verhandlungen über weitere Listungen im Lebensmittelhandel. Auch online ist es erhältlich. Parallel wird das Sylter Rapsöl über die Plattform Neptuns Söhne angeboten. Auch eins der Projekte von Christian Gehrke.
Mit drei Freunden hatte er die Firma als Absatzkanal für ihren Coastberry Gin aus der Taufe gehoben. Inzwischen ist der Plan, Neptuns Söhne als eine Art Dach für Feinkostprodukte von der Küste auszubauen. „Das ist ein Markt mit Zukunft“, sagt der umtriebige Lebensmittelhändler und verweist auf die große Fangemeinde der Nordseeinsel in ganz Deutschland.
Sylt: Rapskäse und Co. – der norddeutsche Chia-Samen
Eine weitere Neuerung: Gehrke und Petersen lassen gerade einen Käse mit Sylter Raps-Samen produzieren. Erstmal als Test. Weitere Produkte könnten schon bald folgen. Man kann sich die gerösteten Raps-Samen auch einfach ins Müsli mischen oder auf Joghurt streuen.
Das hat sich Kaufmann Gehrke inzwischen von Landwirt Petersen abgeguckt. „Raps“, sagt er, „ist sowas wie der norddeutsche Chia-Samen.“