Westerland. Lina Erpenstein könnte sich am Wochenende beim Windsurf World Cup auf Sylt zur Weltmeisterin küren. Die 25-Jährige hat viele Talente.

Den PR-Auftritt auf der großen Bühne auf der Westerländer Promenade auf Sylt hat Lina Erpenstein während des Windsurf World Cup mit Bravour hinter sich gebracht. Die Zuschauer lauschen interessiert der kleinen Gesprächsrunde gemeinsam mit Steffi Wahl und klatschen am Ende ausgiebig.

Für die 25-Jährige sind Auftritte wie diese noch neu, und besonders rund um den Windsurf World Cup in diesen Tagen hat der Medien-Hype um sie zugenommen. Kein Wunder, schließlich hat sie am ersten Wettkampftag am Montag einen starken dritten Platz belegt. Im Halbfinale unterlag sie der Dauer-Weltmeisterin Sarah-Quita Offringa nur knapp: „Mir fehlte einfach eine gute Welle, dann hätte ich sie geschlagen“, sagt Erpenstein kurz darauf im Abendblatt-Gespräch. „Eigentlich fehlt nur noch das letzte Quäntchen Glück und ein sich auszahlendes Risiko.“

Sylt: Gewinnt Erpenstein den zweiten Wettkampftag, ist sie Weltmeisterin

Doch noch ist alles möglich. Für das Wochenende ist wieder eine frische Brise Wind angesagt, die für die Waveriding-Wettbewerbe gebraucht werden, vor allem aus der richtigen Richtung. Die Ausgangslage ist klar: Erpenstein muss in der „Rückrunde“ gegen ihre große Kontrahentin gewinnen, dann ist sie erstmals Weltmeisterin.

Auch wenn ihr der Titel in diesem Jahr noch verwehrt bleiben sollte: Der Leistungsaufschwung der gebürtigen Aschaffenburgerin, die seit 2017 in Kiel lebt, ist auch so mehr als beachtlich, schließlich studiert sie an der Ostseeküste Medizin und wird im April 2023 ihr zweite Examen ablegen. Da ist Flexibilität gefragt. „Im Winter muss ich sehr viel am Schreibtisch sitzen, die Trainingszeiten führen manchmal dazu, dass ich mal eine späte Lernschicht einlegen werde, wenn tagsüber der Wind bläst“, sagt Erpenstein.

Erpenstein trainiert nicht nur ihren Körper, sondern auch intensiv ihren Kopf

Geholfen hat ihr aber auch die Arbeit mit einer Sportpsychologie-Studentin, mit der sie seit diesem Jahr zusammenarbeitet. „Die Psyche muss man genauso trainieren wie alles andere. Mich fasziniert es, in diesem neuen Feld zu trainieren und auch besser zu werden. Es geht unter anderem darum, sich im richtigen Augenblick fokussieren zu können und die richtigen Werkzeuge an die Hand zu bekommen, auch für nervöse Momente. Meine Wettkampfroutine beginnt, wenn ich den Neoprenanzug anziehe.“

Die gebürtige Aschenburgerin Lina Erpenstein in Aktion vor Westerland auf Sylt beim Windsurf-World Cup.
Die gebürtige Aschenburgerin Lina Erpenstein in Aktion vor Westerland auf Sylt beim Windsurf-World Cup. © Act Agency

Ihre Fitness holt sie sich beim Crossfit in Kiel in der Athletenschmiede. „Ein sehr intensives Athletiktraining mit hohen Herzspitzen. Das ist genau das, was wir in den Wettkämpfen brauchen. Aber die Kraft macht nur 50 Prozent aus, 50 Prozent sind Technik.“

Auf Sylt misst sich Erpenstein mit 15 Surferinnen, ein starkes Feld, gespickt mit vielen jungen Talenten. Das muss Erwähnung finden, weil Frauen im Surfsport bisher nur eine Nebenrolle spielen. „Unser Sport ist auf jeden Fall sehr männerdominiert und -zentriert“, sagt Erpenstein, „das meiste Windsurfmaterial wird für Männer entwickelt. Der Markt besteht wahrscheinlich zu 80 Prozent aus Männern.“ Doch es geht voran. Sie hat mit Severne den gleichen australischen Sponsor unter Vertrag wie Philip Köster und durchaus eine positive Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren beobachtet: „Frauen werden deutlich mehr ernstgenommen, langsam wird auch mehr Material speziell für Frauen entwickelt wird. “

In ihrer Freizeit legt Lina Erpenstein als DJane gerne Techno-Musik auf

Ein guter Auftritt am Wochenende dürfte die Aufmerksamkeit weiter steigern. Bis dahin versucht sie, die Lockerheit und gute Laune zu bewahren. Weil am Mittwoch bei sonnigen 16 Grad und schönem Wellengang der Wind fehlte für die Wettbewerbe, ging es spontan zum Wellenreiten.

Theoretisch könnte sie auch an den Abenden im Partyzelt für Stimmung sorgen. Als DJane hat sie (Vorliebe Techno) schon häufiger die Menschen zum Tanzen gebracht. Aber auf Sylt hat sie jetzt erst einmal einen anderen Job zu erledigen. Und wer weiß, vielleicht gelingt ihr ja tatsächlich die Sensation.