Wenningstedt. Ab Sonntag messen sich auf Sylt die besten Windsurfer beim World Cup. Ein Verein hilft seinen „Athleten“ beim Kampf um ihr Leben.
Die Vorbereitungen für den Windsurf World Cup auf Sylt befinden sich auf der Zielgeraden. Am Freitag wird das Event in Westerland offiziell eröffnet, und nach dem Training am Sonnabend starten die Wettkämpfe ab Sonntag. Mehr als 100 Athletinnen und Athleten aus 23 Nationen weltweit sind am Start. Das Zuschauerinteresse am Brandenburger Strand dürfte wie bei der letzten Ausgabe riesig sein.
Ein paar Kilometer weiter südlich, in Rantum, startet an diesem Wochenende auch der Verein "Meer Leben e.V." seinen, um im Bild zu bleiben, „Wettbewerb" mit seinem nächsten viertägigen Surf-Camp. Allerdings ganz still und leise, ohne einen einzigen Zuschauer, dafür aber mit genauso viel Begeisterung und hoffnungsvollen Erwartungen.
Auf Sylt surfen schwer kranke Kinder – als Therapie
Zwölf Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren sind angemeldet, die allesamt ein schweres Schicksal teilen: Sie sind schwer erkrankt, onkologisch erkrankte Kids und Geschwisterkinder, wie Florian Gränert erklärt.
Der 42-Jährige, der in Kiel geboren ist, lebt seit mehr als 20 Jahren auf Sylt und arbeitet in der SyltKlinik, einem Reha-Zentrum für krebserkrankte Kinder und ihre Familien in Wenningstedt. 2006 hatte er die Idee des damals so gut wie gar nicht verbreiteten Surf-Therapie. Er probierte es aus und entwickelte das Format jahrelang weiter. Heute umfasst sein Team acht Personen. Es ist quasi ein Familienbetrieb: Seine Frau Danielle organisiert die Schwimmkurse, die der Verein ebenfalls anbietet, der Rest ist untereinander eng befreundet.
Mit der Welle zurück ins Leben surfen, so lautet ein Motto von „Meer Leben e.V."
„Das Meer verändert die Kids, setzt sie in Bewegung und stärkt sie deutlich, sowohl körperlich in Sachen Kraft, Ausdauer und Gleichgewicht, aber auch in ihrem Selbstbewusstsein", hat Gränert beobachtet. „Sie merken, dass sie über Grenzen gehen und über sich hinauswachsen können. Und das Meer arbeitet als Co-Therapeut unbewusst mit."
Für die Surf-Camps sind keinerlei Vorkenntnisse erforderlich, sie kosten nur 50 Euro Teilnahmegebühr. Den Großteil des Budgets übernimmt die Kinderkrebsstiftung, dazu kommen private Spenden. Wenig überraschend kämpft "Meer Leben" um mehr Reichweite und Aufmerksamkeit, um zum Spenden zu animieren. In der Zukunft einmal ein richtiges Therapiezentrum einrichten zu können, ist das erklärte Ziel. Aber wie sich die derzeitige Lage mit dem Krieg in der Ukraine auf das Spendenverhalten der Menschen auswirken wird, ist auch für Einrichtungen wie "Meer Leben" eine offene Frage.
Viele Jugendliche melden sich ein zweites oder drittes Mal für das Surf-Camp an
Auf rund 100 Therapieeinheiten kommt das "Meer Leben"-Team derzeit und stößt mit dieser nebenberuflichen Tätigkeit an die Grenzen. Aber die Rückmeldungen der Jugendlichen entschädigen für den großen Aufwand. „Viele Kids kommen zwei- oder sogar dreimal wieder. Es ist eine coole, dankbare Arbeit", sagt Gränert, der durch seine langjährige Tätigkeit in der SyltKlinik auch einen guten Weg gefunden hat, empathisch zu bleíben, aber die Krankheit der jungen Kursteilnehmer nicht zu nah an sich herankommen zu lassen, damit es nicht belastend wirkt. Dass es am Ende eines Surf-Camps, wenn die Gruppe wieder auseinandergeht, emotional wird und auch mal Tränen fließen, gehört einfach dazu.
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Manchmal allerdings wird es schwer, wenn ein Mädchen unbedingt noch einmal aufs Surfbrett will, aber schon palliativ behandelt wird. Aber sogar dann kann das Meer noch helfen. In den flachen Sandbänken vor Rantum, wo die Jugendlichen jederzeit stehen können, ist selbst so ein schweres Schicksal für den Moment vergessen, wenn die nächste Welle kommt.
Wer spenden möchte: Meer Leben e.V., IBAN: DE41 2157 0024 0498 1221 00, BIC: DEUTDEDB215,
Deutsche Bank, Stichwort: Deine Welle dein Leben (gerne mit E-Mail/Kontakt). Auf der Internetseite „Meerleben-ev.de" ist das Angebot detailliert geschildert. Auch mit Jahreskalendern kann der Verein unterstützt werden.