Westerland. Ein Großteil des Klimagifts CO2 entsteht durch Wohnraum – Klimaschutzmanagerin erstellt Masterplan für die Sonneninsel.
Sylt hat viel Potenzial – vor allem in Bezug auf die Nutzung von Sonnenenergie. Denn Sylt als Sonneninsel zu bezeichnen, ist nicht übertrieben. 2021 zählten die Wetterdienste 1565 Sonnenstunden, 2022 sind bis Mitte September auch bereits 1473 Sonnenstunden angefallen. Wer aber seinen Blick über die Dächer von Hörnum bis List schweifen lässt, wird bemerken, dass nur wenige Solarmodule zu entdecken sind.
Wie stiefmütterlich die Sonnenenergie bisher behandelt wurde, zeigt, dass weder die Energieversorgung Sylt (EVS) noch die Gemeinde Sylt auf Abendblaltt-Anfrage Zahlen zum Solarbestand liefern können. Es werden noch keine Statistiken geführt.
Sylt produziert 220.000 Tonnen CO2 pro Jahr
Auch Frau Dr. Catharina Bayerlein hält einen Booster in Sachen Solarenergienutzung für nötig, weil dies ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Insel ist. Sie muss es wissen als 2019 von den fünf Gemeinden Sylts eingestellte Klimaschutzmanagerin. Immerhin, erstmals überhaupt gibt es Zahlen: Rund 220.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) produziert Sylt Jahr für Jahr.
Dies wurde beim Erstellen ihres Klimaschutz-Konzepts für die Insel herausgefunden. 200.000 Tonnen des Klimagifts entfallen davon auf Beherbergung/Gästehäuser sowie insulares Wohnen. Davon wiederum entstehen 140.000 Tonnen durch die Wärmeversorgung, also Raum- und Warmwasserversorgung. „63 Prozent ist ein Wert, der deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt“, erklärt Bayerlein. Der Verkehr spielt trotz der Touristenströme im Vergleich dazu eher eine untergeordnete Rolle.
Diese Zahlen zeigen aber auch, dass der Kampf um die Minderung der CO2-Emissionen ein Wettlauf mit der Zeit wird. Wie alle Gemeinden ab einer bestimmten Größe ist auch die Gemeinde Sylt durch das Klimaschutzgesetz in Schleswig-Holstein verpflichtet, bis Ende 2024 einen Wärme-Kälte-Plan zu erstellen mit dem Ziel, bis 2045 eine Treibhausgasneutralität herbeizuführen. „23 Jahre, das ist nicht viel“, sagt Bayerlein.
Für den Klimaschutz müssen auf Sylt alle Gebäude erfasst werden
Wo eignen sich Nah- oder Fernwärme, wo Solar- oder Geothermie? Wo ist leitungsgebundene und wo nicht leitungsgebundene Versorgung sinnvoll? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen nun alle Gebäude Sylts erfasst, in Zonen (Cluster) unterteilt und mit den Potenzialen für erneuerbare Wärmeversorgung verschnitten werden. Geo- und Solarthermie beziehungsweise Photovoltaik, um Wärme und Strom zu erzeugen, hält Bayerlein bei der Umsetzung dabei für wichtige Elemente der nichtleitungsgebundenen Wärmeversorgung. „Abwärme haben wir kaum hier.“
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„Zusätzlich brauchen wir auf Sylt Quartierskonzepte, denn die Sanierung des Gebäudebestands ist unheimlich wichtig,“ glaubt Bayerlein.
Was die Situation des Gebäudebestandes auf Sylt besonders macht, sind die vielen Zweitwohnungen: „Wir können die Besitzer häufig nicht direkt erreichen, um sie in Planungen einzubinden und zu motivieren.“ Gleiches gelte für die Vermieter von Ferienwohnungen.
Um den Klimaschutz zu forcieren, meint Bayerlein: „Eine Möglichkeit wären Förderprogramme für den privaten Klimaschutz, zum Beispiel gekoppelte Angebote, nach dem Motto: Ihr bekommt Förderung für eine Dachdämmung, wenn Ihr auch über die Stromversorgung nachdenkt. Oder: Ihr bekommt Förderung für Photovoltaik, wenn Ihr Euch einen Energieberater ins Haus holt.“
Sylt: Gerade so eine prominente Insel hat Vorbildfunktion in Sachen Umweltschutz
Wenn Bayerlein eine „insulare“ Lösung bei der Minderung der CO2-Emissionen anvisiert, ist das nicht nur einfach daher gesagt. Schließlich können auf vielen reetgedeckten beziehungsweise unter Denkmalschutz stehenden Häusern keine Solarmodule installiert werden. Außerstädtische Flächen gibt es aber genug, auch auf Dächern von Unternehmen oder auf dem Flughafengelände. Es braucht also auch hier gemeinsames Anpacken, und zwar nicht irgendwann. Schließlich ist Klimaschutz kein Angebot, sondern ein Auftrag. Viele Menschen haben immer noch nicht mitbekommen, dass Klimaschutz einen Verfassungsrang eingenommen hat. Und auf eine Touristeninsel wie Sylt schauen besonders viele Menschen, deshalb hat sie auch eine besondere Verantwortung.
P.S.: Anlässlich der Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit (20. bis 26. September) wird es eine Vielzahl an Projekten und Aktionen auf der Insel geben (www.sylt.de/nachhaltigkeitstage)