Westerland. Kreis Nordfriesland kündigt stärkere Kontrollen mit mehr Personal auf der Insel an. Auch Zunahme von Zweitwohnungen großes Problem.

Diese Einigkeit gibt es sehr selten auf Sylt. Am Montagabend stimmte der Bauausschuss der Gemeine Sylt einstimmig dem Beherbergungskonzept zu. Ein Ausverkauf der Insel, wilder Wuchs von Ferienwohnungen – all das soll bald der Vergangenheit angehören.

Auch die Bürgerinitiative „Merret reicht's – aus Liebe zu Sylt" äußerte sich positiv: „Merret dankt allen Bauausschussmitgliedern für dieses positive Votum und hat sich sehr über die große Anzahl an interessierten Bürgern in der Sitzung gefreut. Das ist der erste und entscheidende Schritt für eine lebendige, liebens- und lebenswerte Zukunft auf Sylt." Britta Wieda vom Netzwerk präzisiert: "Der Kreis und das Land unterstützen den Sylter Kurswechsel. Wir sind auf dem richtigen Weg und können mit unserem Vorgehen vielleicht sogar eine Vorreiterrolle für die touristische Entwicklung in der Region und in ganz Schleswig-Holstein wahrnehmen." Jetzt heiße es dranbleiben. Doch plötzlich muss ein Teil der Besitzer von Ferienwohnungen um ihre Existenz zittern.

Sylt: 11.000 Dauerwohnungen stehen 7400 Gästeunterkünfte gegenüber

Aber der Reihe nach: Im nächsten Schritt muss die Ortsentwicklung eine Umsetzungsstrategie für das Beherbergungskonzept erstellen. Bei der Sitzung, zu der 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger in den Saal Westerland des Congress Centrums Sylt gekommen waren, deutete sich an, dass diese Strategie frühestens Ende Oktober, eher im November vorliegen dürfte. Erst dann werden die Gemeindevertreter endgültig Grünes Licht geben.

Auch wenn noch sehr viele Punkte offen sind: Dieser Beschluss wird die Zukunft auf der Insel verändern. Uwe Mantik von der Beratungsgesellschaft CIMA, der das Gutachten im Auftrag der Gemeinde Sylt für 28.000 Euro erstellte, hatte allen Beteiligten vor Augen geführt: Jetzt oder nie müssen Anstrengungen unternommen werden, das Verhältnis zwischen Dauerwohnraum und Unterkünften für Inselgäste nicht noch weiter kippen zu lassen.

Rund 11.000 Dauerwohnungen gibt es noch auf Sylt, dem stehen aber mindestens 7400 Touristenwohnungen oder -häuser gegenüber. Eine genaue Zahl kennt niemand, da kleinere Unterkünfte bisher nicht gemeldet werden müssen.

Kreis warnt: Auch Zweit- oder Nebenwohnungen großes Thema auf Sylt

Burkhard Jansen, Leiter des Bauamts im Kreis Nordfriesland, war zu der historischen Sitzung angereist und lobte die Schlussfolgerungen des Beherbungskonzepts: „Der Overtourism ist auf der Insel angekommen." Zugleich wies er allerdings darauf hin: „Ihr Problem endet nicht mit dem Thema Ferienwohnungen. Das ist nur ein Teil. Das zweite Thema sind die Zweit- oder Nebenwohnungen." Was er meint: Nimmt hier die Zahl weiter zu, ist der Verdrängungsprozess von Dauerwohnraum für Insulaner nicht zu stoppen, die soziale Infrastruktur wird immer weiter gestört.

Ein weiteres, gravierendes Problem: Es gibt es eine Vielzahl an Gästeunterkünften von Insulanern, zum Beispiel Einliegerwohnungen, die an Touristen vermietet würden, aber nicht die erforderlichen Genehmigungen haben. „Ich kann nicht sagen, ob das ein Viertel oder ein Drittel des Bestands betrifft, aber es ist sicher nicht weniger als ein Viertel", sagte Jansen. Der Bauamtsleiter kündigte an: „Wir werden als Kreis ordnungsbehördlich wesentlich aktiver werden. Einige dieser Ferienwohnungen werden vielleicht die nun folgenden Prozesse nicht überstehen."

Ist nun auch für ältere Insulaner, die mit den Einkünften ihrer kleinen, aber womöglich nicht genehmigten Ferienwohnung ihre Rente aufbessern, nun Gefahr in Verzug? Jansen kündigte an, dass Bestände in „gewachsenen Strukturen" sehr wohl nachträglich legalisiert werden könnten. Es müsse unterm Strich ein gesundes Maß gefunden werden. Aber die Unsicherheit bleibt. Und künftig wird stärker kontrolliert.

Klagewelle könnte auf Sylt losgetreten werden

Viereinhalb Stellen hat die ordnungsrechtliche Abteilung derzeit, aber Jansen bemüht sich um eine Aufstockung auf sechseinhalb Stellen. „Wir stehen in der Pflicht, mit mehr Manpower reinzugehen, wir werden in den Vollzug gehen, das ist unser erklärtes Ziel Anfang des nächsten Jahres."

Jansen ist sich allerdings bewusst, dass mit diesem Vorgehen viel Arbeit bevorstehe, denn bei ordnungspolitischen Verfahren sei die Widerspruchs- und Klagequote auf Sylt hoch.

"Konflikte und Steine auf dem Weg der Umsetzung des Beherbergungskonzeptes sind wohl unvermeidbar. Aber die Insel ist wieder auf Kurs und kann eine historische Chance wahrnehmen“, meinte Birte Wieda von „Merret reicht’s-Aus Liebe zu Sylt“ am Dienstag.