Westerland. Eine Fahrradtour darf bei einem Urlaub auf der Nordseeinsel nicht fehlen. Vor allem zwei Wege begeistern die Touristen.
Es kommt auf Sylt nur selten vor, dass es in der zweiten August-Hälfte so warm ist wie in diesem Jahr. Und so nutzten viele Urlauber die Chance, sich ein Fahrrad zu leihen. Zwischenzeitlich kam es in Westerland in diesem Sommer sogar vor, dass alle Räder ausgebucht waren. Eine Mitarbeiterin des Fahrradverleihs „Durch den Wind“ erzählt, dass man in der Hochsaison manchmal morgens um kurz nach 9 Uhr schon keines der 350 Räder – davon 100 E-Bikes – mehr bekommt. Hier wird aber auch mit Reservierungen gearbeitet.
Wer in Westerland kein Rad mehr bekommt, muss aber einfach nur in den nächsten Ort nach Wenningstedt fahren. Hier bekommt man bei einem der zahlreichen Fahrradläden immer noch ein Rad. Und hier beginnt auch die schönste Radtour der Nordseeinsel: Bis hoch in den Norden an den Sylter Ellenbogen mit einem Abstecher nach List. Eine Tagestour, die zu jedem Sylt-Urlaub dazugehören sollte. Insbesondere Ende August, wenn auf der Insel die Heide blüht.
Wer bereits von Westerland aus an den Dünen entlang nach Wenningstedt fährt, kann hier die erste kurze Pause machen und sich an der Promenade vor dem Gosch-Restaurant in einen Strandkorb setzen, aufs Meer gucken oder sich ein Eis holen. Weitere Stopps bieten sich am Wenningstedter Dorfteich oder am Steinzeitgrab Denghoog an.
Sylt: Ende August die beste Zeit für eine Radtour durch die Heide
Von hier aus geht es bis zum Lister Ellenbogen 20 Kilometer nur noch durch die Natur. Man spürt schnell, warum die Insel so viele Menschen fasziniert. Vom schicken Kampen aus führt der Radweg direkt durch die Dünen. Vor allem Ende August und Anfang September bietet die Strecke weite und wunderbare Blicke über die blühende Heide. Wer auch auf dem Rückweg aus List hier entlang fährt, erlebt ein unvergessliches Farbenspiel. Dann glänzt die lila Heide im orangenen Abendlicht, während im Hintergrund die Dünen das perfekte Instagram-Foto vervollständigen.
Zugegeben, der Radverkehr ist auf der Strecke zwischen Kampen und der Einfahrt zum Lister Ellenbogen enorm. Die Zahl der E-Bikes hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht. Für eine einsame Insel-Radtour eignet sich die Strecke Richtung Norden daher nicht. Aber so ist das eben, wenn man durch eine einzigartige Landschaft fährt, die an die Weiten von Patagonien oder die grünen Hügel von Neuseeland erinnert. Immer wieder fragt man sich: Auf welchem Planeten bin ich hier gelandet?
Vorsicht: Schafe haben ihre eigenen Vorfahrtsregeln
Wer den Beginn des Ellenbogen erreicht, hat am Zugang zum Weststrand zwei gute und günstige Möglichkeiten, sich zu erfrischen. In der Bam Bus Bar bekommt man eine gekühltes Bier schon für 3,50 Euro – ein für Sylt ungewohnt niedriger Preis. Etwas weiter oben am Kiosk des Wonnemeyer ist es ebenfalls nicht teuer, wenn man sich am seitlichen Eingang ein Fischbrötchen bestellt.
Auf dem Weg zum Ellenbogen können den Radfahrern bereits die ersten Schafe entgegenkommen. Vorsicht: Die Tiere haben ihre eigene Vorfahrtsregel. Bremsen müssen die Radfahrer. Ein Sylter Schaf stoppt für Touristen nicht. Etwas schüchterner sind die Tiere, wenn man ihnen auf dem Ellenbogen am Strand begegnet. Wer sein Fahrrad parkt und zu Fuß durch die Dünen zum nördlichsten Punkt Deutschlands geht, kann dem einen oder anderen Schaf direkt am Strand begegnen, das hier nach frischen Pflanzen sucht.
In List gibt es die beste Eisdiele der Insel
Zurück vom Ellenbogen geht es weiter nach List. Die Straße durch den Ort endet ausgerechnet an der Sylter Eismanufaktur. Man schafft es trotz der langen Schlange nicht, an der besten Eisdiele der Insel vorbeizukommen. Zu einladend sehen die Sorten wie Quark-Salzkaramell aus. Ein wenig Hunger sollte man sich aber noch aufbewahren, wenn man im Lister Hafen in einem der vielen Lokale seine womöglich erste Auster probieren will.
Anschließend geht es an der Listlandstraße zurück Richtung Westerland, vorbei an der großen Wanderdüne. Und weil der Weg durch die Heide so schön war, fährt man die Strecke einfach noch einmal und springt zwischendrin mal in die Nordsee oder legt sich ein wenig an den Strand oder in eine Strandsauna. Wen man in Westerland wieder ankommt, weiß man, warum die Sylter Schriftstellerin Finja Schulze („Sylt Fräulein“) die Strecke in ihrem Buch zur schönsten der Insel ernannt hat.
Sylt: Radweg rund um das Rantumbecken gehört zu den Highlights
Doch es gibt noch viele weitere schöne Radwege auf der Insel. Wer nach der Nordtour noch Lust und Kraft hat, dem sei die Runde rund um das Rantumer Becken empfohlen, die zweifelsohne als zweitschönste Radstrecke der Insel genannt werden kann. Möglich ist die kleinere Tour um das Rantumbecken, die man in zwei Stunden schafft. Oder man dehnt die Tour aus und macht einen Tagestrip daraus, indem man am Deich entlang bis nach Morsum fährt und über Keitum zurück nach Westerland.
Los geht’s durch den hinteren Teil von Westerland. Zunächst muss man ein langes Stück an der großen Straße entlang Richtung Süden fahren. Die Autos nach Hörnum sind schnell unterwegs. Dafür ist der Radweg in einem sehr guten Zustand und man kann zur rechten Seite ebenfalls blühende Heidelandschaften sehen. Der beste Teil aber beginnt in Rantum. Nachdem man das bekannte Meerkabinett passiert hat, geht es hinter der Kaffeerösterei Sylt direkt auf den Deich. Wen die Preise auf der Insel nicht abschrecken, der kann dort im Café für schlanke 4,70 Euro noch einen Flat White schlürfen.
Von hier aus beginnt einer der landschaftlich eindrucksvollsten Wege auf Sylt. Auf einem vier Kilometer langen Streckenabschnitt fährt man auf einem Deich direkt zwischen dem Wattenmeer und dem Rantumbecken, einem Seevogelschutzgebiet. Auf dem Schotterweg wünscht sich man sich bei starkem Wind als Fahrer eines normalen Rads zwischendurch zwar immer mal wieder ein E-Bike, doch man kann es eben auch langsam angehen. Zu sehen gibt es schließlich genug, zum Beispiel verschiedenste Vogelarten. Im Hintergrund erkennt man immer wieder die Häuser von Westerland oder die markante Kirche von Keitum.
Sylt: In Keitum reiht sich ein zauberhaftes Frienshaus an das andere
Am Ende dieses Deiches hat man die Wahl zwischen dem kürzesten Weg zurück Westerland, über Keitum oder weiter vorbei an Hunderten Schafen direkt am Ufer neben dem Deich bis nach Morsum. Hier wirkt Sylt noch ursprünglich und irgendwie so ganz normal.
Das ändert sich, wenn man durch das schöne Keitum fährt. Ein zauberhaftes Friesenhaus nach dem nächsten befindet sich hier in allen Straßen des Ortes. Man ertappt sich immer wieder bei der Überlegung, welches der schönen Häuser man kaufen würde, wenn man mal eben so zehn Millionen Euro zur Verfügung hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette…
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Anschließend geht es entweder direkt zurück nach Westerland, oder man fährt vorbei am Sylter Flughafen zum Fahrradverleih nach Wenningstedt und bestellt sich bei Fisch Blum einen Nordseeteller und ein Bier. Wer sich dann in Ruhe noch einmal seine Fotos der Radtour anschaut, der kann verstehen, warum die Fahrradläden in Westerland in der Hochsaison so oft ausgebucht sind.