Niebüll/Husum. Die Gründer wollen den Radverkehr-Tourismus nach vorn bringen. Das Abendblatt war bei einer Tour dabei. Ein Erfahrungsbericht.

Der Wind ist der Soundtrack für die kommenden Stunden. Denn Wind kommt immer und immer laut, gern von vorn natürlich. Dass die nordfriesische Landschaft flach wie eine Flunder ist, hilft beim Strampeln. Noch mehr aber hilft der eingebaute Rückenwind der Elektroräder bei unserer Tour von Niebüll nach Husum.

Gute 66 Kilometer werden am Ende des Tages hinter uns liegen – und die Erkenntnis: Nordfriesland ist mehr als nur eine Transitstrecke Richtung Inseln oder Halligen, mehr als nur das Tor zu Sylt oder Föhr. Mit ihrem Start-up Nordvelo wollen Bürte und Björn Lachenmann die Weite Nordfrieslands buchstäblich erfahrbar machen, ja, das Radfahren sogar ein wenig revolutionieren. Das Abendblatt war auf einer Tour dabei.

Nordvelo: Radtour durch die Felder von Nordfriesland

Das Grün des Winterweizens rechts und links entlang der kleinen asphaltierten Straße wechselt seine Schattierungen mit dem Spiel des Windes. Dieses satte Grün und der weite Himmel sind pure Erholung für die Augen. Während es mit eingebautem Rückenwind weitergeht, schweift der Blick über die Weiten dieser Landschaft. Der Südwestwind bläst an diesem Tag recht kühl auf dem Weg von Niebüll nach Husum.

Tourguide Björn Lachenmann über sein Start-up Nordvelo

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    Die Nordsee ist bereits zu spüren und doch noch ein paar Kilometer entfernt. Die Tour geht durch Felder, vorbei an landwirtschaftlichen Betrieben, an einer Schweinemastanlage, durch kleine Ortschaften wie Fahretoft bei Dagebüll, vorbei am Reetdachhaus des nordfriesischen Universalgelehrten Hans Momsen (1735–1811).

    „Wir wollen, dass die Leute aufs Rad steigen"

    Er stammt aus Schwaben, aber sein Herz schlägt für den Norden: Björn Lachenmann führt mit seiner Frau Bürte das Unternehmen Nordvelo.
    Er stammt aus Schwaben, aber sein Herz schlägt für den Norden: Björn Lachenmann führt mit seiner Frau Bürte das Unternehmen Nordvelo. © Genevieve Wood (FMG)

    Unser Tourguide Björn Lachenmann kennt sich mit Windrädern genauso aus wie mit Reetdachhäusern. „Reet wird gebündelt, gebürstet, das ist ein echtes Kunsthandwerk“, sagt er. „Diese Reetdächer sind von innen komplett dicht. Luft muss aber durchzirkulieren können, damit das Reet auch wieder durchtrocknet, sonst würde es wegschimmeln.“ Besonders schnell trocknet ein Reetdach, wenn das Dach um mindestens 45 Grad geneigt ist.

    Lachenmann erzählt das mit einem süddeutschen Zungenschlag. Ursprünglich aus Schwaben stammend, zog es ihn jedoch zur Marine und ans Meer. Seit drei Jahren lebt der 50-Jährige nun mit seiner Ehefrau Bürte in Nordfriesland, zusammen wollen sie den nachhaltigen Radverkehr-Tourismus nach vorn bringen. Sie sehen sich als echte Pioniere. „Wir wollen, dass die Leute aufs Rad steigen, auf gute Fahrräder. Du musst dann gar nicht mit dem Auto anreisen“, sagt Bürte Lachenmann.

    Nordvelo belegte dritten Platz beim ADAC-Tourismuspreis

    Mit ihrem Unternehmen Nordvelo haben sie im vergangenen Jahr den dritten Platz beim ADAC-Tourismuspreis belegt. Sie bieten verschiedene geführte E-Bike-Touren an. Zum Beispiel eine Schlemmertour, bei der Spezialitäten aus der Region an verschiedenen Stopps probiert werden. Oder eine Wochenendtour von Niebüll nach Meldorf (199 Euro) mit Übernachtung im Boutiquehotel. Oder eine siebentägige geführte E-Bike-Tour durch Nordfriesland, die „Tour de Nordfriesland“ (799 Euro).

    Immer neugierig: Schafe auf dem Nordsee-Deich.
    Immer neugierig: Schafe auf dem Nordsee-Deich. © Bürte Lachenmann

    "Geführte Radtouren gab es hier bislang gar nicht“, sagt Bürte Lachenmann, die als Sportjournalistin gearbeitet und auch von der Tour de France berichtet hat, in der Schweiz und in Frankreich unterwegs war und nun ihr Zuhause in Nordfriesland gefunden hat.

    „Wir fahren dorthin, wo nicht jeder hinfährt“

    Warum geführte Radtouren durch Nordfriesland und Dithmarschen? Bürte Lachenmann liebt die Weite, die Natur und den Vogelzug: „Wir fahren dorthin, wo nicht jeder hinfährt“, sagt sie. Sie ist von dem herben Charme der Region überzeugt „Das Hinterland hat eine Menge zu bieten!“ Also geht es nicht zum Westerhever Leuchtturm, weil die Gäste den Weg dorthin auch alleine finden. „Uns geht es darum, einen Blick zu schärfen für die Landschaft und miteinander ins Gespräch zu kommen.“

    Nur Mut zur Tour! Für jeden gibt’s das passende Fahrrad.
    Nur Mut zur Tour! Für jeden gibt’s das passende Fahrrad. © Bürte Lachenmann

    Schnacken geht gut bei durchschnittlich 17 Stundenkilometern. Die Motoren der Pedelecs schaffen bis zu 25 km/h, der Rest ist Muskelkraft. Aber um Schnelligkeit geht es nicht. Es geht darum, dieses Fleckchen Erde zu genießen und die Elemente zu spüren.

    Auf altem Meeresboden mit dem Fahrrad fahren

    Heute sind das die Elemente Wind und Erde und Wasser – zum Glück nicht von oben, sondern als Nordsee. Wer in den Kögen, durch das Marschland und entlang der Deiche von Dithmarschen und Nordfriesland radelt, fährt auf altem Meeresboden, berichtet Björn Lachenmann. Vor 4000 Jahren sah die Küste, ohne Deiche, ganz anders aus.

    Die Köge an der Nordseeküste sind ein dem Meer abgerungenes Gebiet. Die Menschen bauen dort seit Jahrhunderten Deiche, um das Land und die Menschen vor den Fluten zu schützen. Da ist zum Beispiel der Hauke-Haien-Koog, der nach dem Deichgrafen in Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ benannt wurde. Eine Fläche, die der Landwirtschaft zur Entwässerung des Hinterlandes dient – und den Vögeln als Schutzgebiet: Seeschwalben, Sandregenpfeifer und Säbelschnäblern etwa.

    Nordvelo: Rad-Tour durch Nordfriesland ist entschleunigend

    Die Tour Richtung Husum führt vom Hauke-Haien-Koog direkt an der Nordsee beziehungsweise dem Watt entlang vor dem Deich zwischen grasenden Schafherden hindurch bis zur Hamburger Hallig und über den Beltringharder Koog und Nordstrand nach Husum. Das Schönste ist, wenn der Wind irgendwann von hinten kommt und es mit einem Mal einfach nur ruhig ist. Diese Stille wird nur von den Pfiffen der Austernfischer unterbrochen.

    Fast meditativ kann eine Tour durch die Weite Nordfrieslands sein, entschleunigend ist sie auf jeden Fall. Die Fahrt durch die Landschaft regt dazu an, ganz bei sich zu sein und seinen Gedanken nachzuhängen. Und nie hat ein Kaltgetränk besser geschmeckt als nach 66 Kilometern bis zur Jugendherberge in Husum. Und schon lange nicht mehr hat der Po so geschmerzt. Aber es lohnt sich.

    Übernachtung: Zum Beispiel in der Jugendherberge Niebüll. Ein-Bett-Zimmer ab 38,50 Euro. Tel. 04661 937890, zweite Nacht in Husum, Ein-Bett-Zimmer ab 41,50 Euro, Tel. 04841 2714. Infos www.jugendherberge.de. Ab Husum bietet Nordvelo auch die Tour weiter nach Büsum an, mit Hotelübernachtungen.

    Essen: Dragehts Gasthof von 1584, ältestes Gasthaus in Husum, Tipp: Husumer Pannfisch mit Schollenfilet - Dorsch und Bratkartoffeln. Infos. www.www.dragseths-gasthof.de/

    Radtouren und -verleih: Zum Beispiel buchbar über www.radtouren-nordfriesland.de. Weitere Fahrradvermietungen unter https://www.nordfrieslandtourismus.de/de/aktiv/radfahren/fahrradvermietungen.php

    Die Radreise wurde unterstützt von der Nordsee-Tourismus-Service GmbH.