Morsum. Beim großen Turnier der Ringreiter in Morsum gab es eine Überraschung. Warum der traditionelle Pferdesport die Touristen fasziniert.

Es ist kurz vor 18 Uhr, als am Sonntagabend auf Sylt die Entscheidung fällt. Acht Stunden sitzen die Ringreiter zu diesem Zeitpunkt bereits im Sattel. Und am Ende jubeln drei Frauen. Christiane Hoffmann-Boysen, Julia Tasker und Sandra Kilian haben es geschafft. Sie haben die Männer besiegt.

Mit ihrem Team Corps der Amazonen zu Morsum gewannen sie am Sonntag das große Amtsringreiten der Insel Sylt – und das bei ihrem Heimspiel vor dem „Muaseum Hüs“ in Morsum. „In der Regel sind die Männer etwas besser, aber heute nicht“, sagt Julia Tasker, die zweitbeste Ringreiterin des Tages und lacht. Lediglich ihre Teamkollegin Christiane Hoffmann-Boysen hatte noch mehr Ringe erritten.

1861 wurde der erste Ringreiter-Verein auf Sylt gegründet

Was selbst in Hamburg bei vielen noch für fragende Gesichter sorgt, gehört auf Sylt seit 1861 zur Insel wie die Strandkörbe, die Schafe oder die Auster Sylter Royal: das Ringreiten. Dabei sitzen die Sportler auf ihrem Pferd, reiten im Galopp unter einem Galgen hindurch und versuchen einen am Seil befestigten Ring mit einer Lanze zu durchstechen. Wer dieses Schauspiel zum ersten Mal sieht, wird begeistert und fasziniert sein. Von den Pferden, von den Reitern, aber vor allem von den traditionellen Ritualen.

Ringreiterin Julia Tasker vom Verein Corps der Amazonen zu Morsum auf Sylt.
Ringreiterin Julia Tasker vom Verein Corps der Amazonen zu Morsum auf Sylt. © Henrik Jacobs

„Man lebt die Tradition hier bei uns“, sagt Siegerin Hoffmann-Boysen nach ihrem großen Erfolg im Gespräch mit dem Abendblatt. Auf ihrer Uniform sind verschiedene Medaillen und Plaketten angesteckt. Seit 1998 reitet sie für ihren Frauenverein in Morsum. Frauen und Männer sind hier in getrennten Vereinen organisiert. Das ist kein Fall für Frauenrechtlerinnen, sondern Teil der Tradition. Genauso wie die strengen Regeln auf Sylt. Hier darf nur im Sitzen geritten werden. Die Lanze ist größer als bei den Vereinen auf dem Festland. Und auch die Reihenfolge der Galoppsprünge bei einem Versuch ist klar definiert.

Außerhalb von Nordfriesland findet man Ringreiten nur selten

Nach zwei Jahren Corona-Pause fand das große Turnier auf Sylt endlich wieder statt. Alle achte Ringreitervereine der Insel stellen zum Abschluss der Saison ihre drei jahresbesten Reiter, die um den Sieg des wichtigsten Turnieres kämpfen. Deutsche Meisterschaften gibt es im Ringreiten nicht. Außerhalb des nördlichen Nordfrieslands wird man den Sport ohnehin kaum finden. Umso bedeutender ist das Sylter Amtsringreiten Ende August.

Die Sylter Ringreiter treffen sich zum Abschluss der Saison in Morsum.
Die Sylter Ringreiter treffen sich zum Abschluss der Saison in Morsum. © Henrik Jacobs

Auf der Anlage in Morsum stellen Besucher schnell fest, dass es familiär zugeht unter den Reitenden. Mitunter bilden Brüder ein Team oder sogar Mutter und Tochter. „Wir sind in den Sport reingewachsen. Ringreiten wird einem in die Wiege gelegt“, sagt Hoffmann-Boysen, deren Großvater schon Ringreiter war. Auch ihre Tochter hat den Sport für sich entdeckt.

Manch ein Reiter hat die 70 schon überschritten. Ein Nachteil aber muss das Alter nicht sein. Je größer das Pferd, umso schneller reiten die Sportler auf den Ring zu. Die Lanze liegt dann ruhiger in der Hand. „Jeder kann reiten, wie er will“, sagt Hoffmann-Boysen – solange man die strengen Regeln befolgt.

Christiane Hoffmann-Boysen gewinnt das Ringreiter-Turnier in Morsum 2022.
Christiane Hoffmann-Boysen gewinnt das Ringreiter-Turnier in Morsum 2022. © Henrik Jacobs

Eine Besonderheit: Die Ringreiter trainieren nicht. Oder besser gesagt: Sie dürfen gar nicht trainieren. Ringreiten findet nur in Turnierform statt und das auch immer getrennt zwischen Frauen und Männern. Erst am Saisonende reiten alle zusammen. „Es ist eine große Frotzelei. Das macht Spaß“, sagt Hoffmann-Boysen. Vor allem an diesem Tag.

Doch die Ringreiter haben bei aller Tradition auch ein Problem: Sie finden kaum neue Mitglieder. „Wir haben ein Pferdeproblem auf der Insel“, sagt Hoffmann-Boyens. Konkret geht es darum, wie die Ringreiter an ein Pferd kommen. Die meisten Sportler reiten nicht auf ihren eigenen Pferden, sondern leihen sich die Tiere.

Ringreiten auf Sylt: Es gibt ein Pferdeproblem für die Turniere

Aber: „Viele Reitställe verleihen nicht mehr. Es ist schwer, auf Sylt ein Pferd zu bekommen“, sagt Hoffmann-Boysen. Am kommenden Wochenende gibt es zwar das jährliche Kinderringreiten, doch ohne Pferde wird es schwer, den Nachwuchs für den Traditionssport zu gewinnen.

Doch die Ringreiter sind eben auch eine große Gemeinschaft. Man hilft sich unter den Reitern aus, wenn jemand mal kein Pferd findet. So macht man das, seit 1861 mit den Sylter Ringreitercorps der erste Ringreiterverein auf der Insel gegründet wurde. Die Tradition haben sie sich bis heute erhalten. Sportarten wie diese findet man in Deutschland nur noch selten. Ringreiten gehört daher bei vielen Sylt-Touristen zum Programm dazu.

Die Siegerinnen von Sylt: Julia Tasker (v.l.), Christiane Hoffmann-Boysen und Sandra Kilian aus Morsum.
Die Siegerinnen von Sylt: Julia Tasker (v.l.), Christiane Hoffmann-Boysen und Sandra Kilian aus Morsum. © Henrik Jacobs

Die Frauen aber gehörten lange Zeit nicht zum Programm und durften nur zuschauen. Heute reiten sie bei ihren Turnieren die Titel der Prinzessin, Kronprinzessin und der Königin aus. An diesem Sonntag sind die Frauen der Corps der Amazonen zu Morsum alle Königinnen. Die neuen Königinnen von Sylt.