Hamburg. Das Restaurant im Keitum überzeugt durch freundlichen Service, tolles Essen von einem der besten deutschen Köche und feine Weine.

Nachdem das Hamburger Abendblatt ja nun eine hochoffiziöse, sehr respektabel berichtende Lokalredaktion auf Sylt unterhält und das Eiland damit endgültig als Bestandteil der Hamburger Peripherie geadelt hat, dachten wir uns, es sei an der Zeit, die Insel der Schönen und Reichen mal wieder um zwei Normalos zu bereichern.

Gesagt, getan: Traugott 3, unser braver 1968er VW Bully T2a, wurde mit den Rädern beladen. Nach zweistündiger Wartezeit auf den – fest gebuchten! – Sylt-Shuttle (da die freundlichen Herrschaften von der DB ohne ein Wort der Entschuldigung einfach zwei Züge zusammenlegten) war irgendwann die Insel der Seligen erreicht, und wir konnten damit beginnen, sie kulinarisch für Sie zu erkunden.

Restaurant Sylt: Johannes King ein echter Glückstreffer

Als veritabler Glückstreffer entpuppte sich dabei die Einkehr im schlicht betitelten „Johannes King Genuss-Shop“ im schönen Keitum. Der Patron, bis Ende 2021 über Dezennien ruhmvoller Träger von zwei Michelin-Sternen im Rantumer Söl’ring Hof, wirft nun seine geballte kulinarische und bacchantische Kompetenz im schlichten Ambiente einer Feinkostmanufaktur samt einfacher Holztische mit Hockern in den Ring – mit teils beglückenden und, für Sylter Verhältnisse, sogar meist bezahlbaren Resultaten.

Unser Late Lunch begann mit einem Paukenschlag – der mit Abstand besten Artischocke unseres Lebens (19 Euro)! Ein imposantes, auf den Punkt gereiftes, perfekt gedämpftes Prachtexemplar von Artischocke, umkränzt vom Dialog der Röstbrotscheiben mit feiner Sauce ­Rouille, einer subtil hingetupften, perfekt komponierten Tomatenvinaigrette mit Tomatenstückchen, hochfeinem frischem Tomatendip und ein paar knackigen Wildkräutersalaten.

Hauptgericht hätte für zwei Personen gereicht

Das wäre, in Verbindung mit dem vorab gratis großzügig gereichten leckeren Ciabatta mit Olivenöl, schon alleine als Hauptgericht durchgegangen. Hatten wir so nicht eingeschätzt, deswegen gab es noch einen kultverdächtigen Riesentopf mit frischen, kleinen, außerordentlich zarten und aromatischen Hörnumer Miesmuscheln, die sich geschmacklich gravierend positiv von den handelsüblichen großen Zuchtmiesmuscheln unterscheiden und die sich in gefühlt einem Liter köstlichsten Sudes aalten.

Kostete 33,50 Euro, war aber fair, denn es hätte locker für zwei gereicht. Auch die anderen Gerichte waren nachvollziehbar kalkuliert, nur bei den solide guten, aber nicht sensationellen hausgemachten Spaghetti mit Venusmuscheln (34 Euro) lugte keck der traditionell sportliche Keitum-Kampen-Rechnungsansatz ums Eck.

Restaurant Sylt: Auch für Weinfreunde eine gute Adresse

Für Weinfreunde ist es hier zwingend geboten, zum beglückenden, eigentlich souverän in der Liga der Ersten und Großen Gewächse spielenden Kiedricher Ortsriesling der jungen Rheingauer Starwinzerin Eva Fricke zu greifen.

Diesen Wein, den ich in einem – nicht nur – Sylter Gasthaus blind auf locker 70 bis 80 Euro taxiert hätte, verkauft der freundliche Herr King für schnäppchenverdächtige 6 Euro pro Deziliter bzw. 39 Euro pro Flasche. Und so genießt man hier bei freundlichstem Service tolles Essen und tolle Weine von einem der besten deutschen Köche zu Preisen, die einen auch in Hamburg nicht reuen würden. Wer hätte das gedacht?