Westerland. Bürgermeister Häckel verteidigte die Insel vor der Demo am Sonnabend mit einem emotionalen Facebook-Post. Die Antwort folgte prompt.

Kurz vor der geplanten Demonstration von Westerland nach Kampen, für die das Bündnis „Wer hat, der gibt“, bundesweit Sympathisanten mobilisiert, um Sylt zu „entern“, hat Bürgermeister Nikolas Häckel mit emotionalen Worten die Insel verteidigt. Die Antwort der Aktivisten ließ nicht lange auf sich warten.

Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte Häckel am Mittwoch einen Beitrag unter dem Titel „Sylt ist kein Ghetto der Reichen“. Sylt sei eine „bunte Gesellschaft, wie jede andere Stadt auch“, schreibt er. Es sei ein „Schlag ins Gesicht“ für alle Sylterinnen und Sylter, wenn nur von „den Reichen auf Sylt“ geredet und übersehen werde, wie viele „Normalos“ seien, und „sich Tag für Tag durch den bundesweit üblichen Alltag kämpfen“. Ihnen würden eben keine „gebratenen Tauben“ zufliegen oder der „Kaviar kilogrammweise in den Mund“ fallen.

Sylt: Bürgermeister Häckel mit emotionalem Appell bei Facebook

Die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten arbeiteten hart für ihren Lebensunterhalt, so Bürgermeister Häckel. „Niemand sollte dies vergessen, die Medien sollten dies nicht ignorieren und Demonstranten sollten schauen, ob Sylt für ihre Parolen wirklich der richtig gewählte Ort ist.“ Mehr als 600 Nutzerinnen und Nutzer hatten den Beitrag am Nachmittag mit „Gefällt mir“ markiert.

Das Motto der für Sonnabend geplanten Demo lautet: „Sylt entern – Klassenfahrt zu den Reichen!" Die Initiatoren schreiben dazu auf ihrer Internetseite: „Nachdem die dekadenteste Hochzeitsgesellschaft des Jahres wieder abgezogen ist, geht die Party erst richtig los! Wir entern Sylt. Mit dem 9-Euro-Ticket reisen wir aus Hamburg, Köln, Kiel, Berlin, Flensburg, Bremen, Münster und Elmshorn an, um die Reichen in ihren Feriendomizilen zu stören. Am Samstag fallen wir ab mittags im ehemaligen Bonzenparadies ein. Ab 13.30 Uhr demonstrieren wir von Westerland nach Kampen, ab 17 Uhr versauen wir den Reichen ihren Abendcocktail mit Punk-Konzerten vor dem Rathaus.“

Demo auf Sylt: Aktivisten reagieren auf Häckels Wut-Post

Auch den emotionalen Facebook-Post von Nikolas Häckel reagierte die linke Initiative kurz nach Veröffentlichung – ebenfalls auf Facebook: „Uns ist klar, dass die meisten Menschen auf Sylt keine Multimillionäre sind, viele ihren Alltagshustle haben, manche sogar unter Verdrängung durch hohe Mieten leiden und viele Werktätige pendeln, weil sie sich die Insel nicht mehr leisten können.“

In den letzten Jahrzenten hätten besonders die Reichen und Wohlhabenden durch eine Politik der Privatisierungen und Flexibilisierungen übermäßig profitiert, während durch Tarifflucht und immer weiter steigende Lebenskosten die Luft für viele dünner geworden sei. So verwunderte es auch nicht, dass es auf Sylt Probleme wie Altersarmut gibt. „Das sind Probleme, die uns durchaus umtreiben. Es ist eine Schweinerei, das Menschen, die ihr Leben lang leisten am Ende in Armut verfallen. Während Milliarden Beträge leistungs- und steuerfrei vererbt werden. Unsere Lösung ist hier eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands zum Wohl der Allgemeinheit“, heißt es in dem Post.

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Umverteilungsbündnis lädt Sylter zur Demo ein

Symbolisch für diese Ungleichheit sei Kampen mit der teuersten Straße Deutschlands und seinen großzeitig leerstehenden Multimillionärs-Ferienhäusern. Die linke Initiative schreibt, es sei ein Ort, wo sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der sich vehement gegen die Besteuerung des exorbitanten Reichtums stelle, anscheinend pudelwohl fühle.

„Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu wissen, dass wenn wir das Geld nicht bei den Reichen holen, am Ende wieder wir „Normalos“, ob auf Sylt oder sonstwo, die Zeche zahlen. Es tut uns leid, dass eine unnormal reiche Klientel den Ruf der Insel prägt. Natürlich ist Sylt ein Ort wo auch andere Menschen wohnen, welche wir in keinster Weise beleidigen wollen.“

Und dann lädt das Umverteilungsbündnis den Bürgermeister und alle anderen Sylterinnen und Sylter, ein, „sich ein eigenes Bild zu machen und gemeinsam ein Zeichen gegen die wachsendende Vermögensungerechtigkeit in unserem Land zu setzen“. Und ein kleiner Seitenhieb kommt auch noch auf Häckel, der als Standesamter das Ehepaar Franca Lehfeldt und Christian Lindner traute: „Natürlich nur, wenn Sie am Samstag nicht auf einer anderen Hochzeit tanzen müssen.“

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Der FDP-Bundesfinanzminister hatte auf der Insel drei Tage lang seine Hochzeit gefeiert. „Austern und Champagner schlürfend lässt sich dort leicht ausblenden, welche Konsequenzen die massive Konzentration von Reichtum in den Händen einiger Weniger hat. Andernorts ist das Armutsniveau derweil auf einem Rekordhoch“, schreiben die Initiatoren der Sylter Demo. „Die rapide steigenden Preise treiben immer mehr Menschen in die Existenzangst. Angesichts dessen können die von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungspakete nur ein Witz sein.“

Hamburger Landesverband der Partei Die Linke will zur Demo nach Sylt

Nach Angaben einer Sprecherin des Kreises Nordfriesland findet die Demonstration von 13 bis 21.30 Uhr auf dem Rathausvorplatz in Westerland statt. Ab etwa 18 Uhr soll es dort Redebeiträge und Live-Musik geben. "Diese Versammlung wurde von einer Einzelperson angemeldet. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir hierzu keine weiteren Angaben machen".

Dem Kreis wurde darüber hinaus angekündigt, dass der Hamburger Landesverband der Partei Die Linke wahrscheinlich ebenfalls an der Versammlung teilnehmen werde. "Es wird zunächst mit 30 Teilnehmern, ab 18 Uhr mit bis zu 500 Teilnehmern gerechnet", so die Kreissprecherin.

Sylt: Demo zieht von Westerland nach Kampen

Die zweite Versammlung findet ihren Angaben zufolge in Form eines Umzuges von Westerland nach Kampen statt. Der Start ist für 12 Uhr geplant, das Ende um 17 Uhr. Etwa 250 Teilnehmer werden erwartet. Auch diese Versammlung sei von einer Einzelperson angemeldet worden.
Die Demo sieht wie folgt aus:

  • Westerland: Bahnhofsvorplatz (Kundgebung) – Bahnweg – Brandenburger Str. – Norderstr. bis zur Westerlandstraße –
  • Wenningstedt: Westerlandstraße – Hauptstraße – Kampener Weg – Inseltrasse –
  • Kampen: Inseltrasse – Möwenweg – Hauptstraße - Zur Uwe Düne – Abschlusskundgebung auf dem Parkplatz Zur Uwe Düne/Hauptstraße

Die Polizei rechnet mit Verkehrsbehinderungen, die Insel bleibe aber weiter erreichbar.

Bundesweite Mobilisierung: "Sylt ist fällig"

Für Flensburg, Kiel, Bremen, Hamburg und Berlin haben die Initiatoren Treffpunkte in den jeweiligen Städten auf ihrer Homepage veröffentlicht – mit der Angabe der Gleise und der Abfahrtszeiten der Züge. Für Nordrhein-Westfalen wird wegen der längeren Anreise schon der Start für Freitag empfohlen – samt Vernetzungsmöglichkeiten, um ebenfalls als Gruppe zu starten.

Sylt: Fridays for Future will "den Reichen die Ferien versauen"

Auch die Flensburger Ortsgruppe von Fridays for Future mobilisiert ihre Anhänger für Sonnabend. Um 10.45 Uhr wollen sie gemeinsam Richtung Sylt starten. „Sylt für alle oder keinen*n! Diesen Sommer rücken wir den Reichen auf die Pelle und versauen ihre Ferien. Also packt die Sonnencreme ein und entert mit #werhatdergibt die Insel“, heißt es im Instagram-Aufruf der Klimaaktivisten.

Zu den Teilnehmerzahlen und der geplanten Demonstrationsroute machte der Kreis Nordfriesland bislang noch keine Angaben.

Eine weitere Demonstration ist für den 30. Juli von der Partei „Die Rechte“ angemeldet worden. Und auch danach geht es auf Sylt gleich weiter.

Sylt: Nach der Demo ist vor dem Protestcamp

Das linke Bündnis „Aktion Sylt“ plant vom 1. bis 14. August auf Sylt ein Protestcamp mit Hunderten Teilnehmern, nach eigenen Angaben „gegen die Gentrifizierung und die Abschottung der Reichen“. „Das Protestcamp ist Thema in der Abstimmung zwischen Kreis (Versammlungsbehörde), Polizei und Gemeinde. Natürlich bereiten wir uns auf diverse Szenarien vor“, sagte Nikolas Häckel,Bürgermeister der Gemeinde Sylt, dem Abendblatt.