Westerland. Nikolas Häckel spricht über die Herausforderungen durch die vielen neuen Gäste, die das 9-Euro-Ticket auf die Insel gebracht hat.
Auf Nikolas Häckel und seine Gemeinde richten sich in diesen Wochen viele Augen. Der Bürgermeister der Gemeinde Sylt spricht im Abendblatt-Interview über die Herausforderungen durch die 9-Euro-Ticket-Gäste, die Saison 2022 und warum auch auf Sylt nicht nur "heile Welt" herrscht.
Als er am Montagnachmittag den Bauzaun um den Brunnen mit der Dicken Wilhelmine wieder abreißen ließ, regnete es in Strömen. Es dauerte aber keine zwei Minuten, ehe sich die ersten Punks wieder um den inzwischen wohl bundesweit bekannten Brunnen in der Westerländer Fußgängerzone niederließen. Trotzdem blieb die Stimmung gelassen, auch Passanten setzten sich inzwischen wieder auf die Bänke und die teilweise regengeschützten Terrassen des Restaurants Cropino sowie der Creperie füllten sich wieder mit Gästen.
Sylter Bürgermeister: Nur ganz wenige benehmen sich daneben
„Also, es sind ganz wenige Ausreißer, die sich daneben benehmen, das muss man ganz klar sagen“, sagt Häckel, der seit 2015 Bürgermeister der Gemeinde Sylt ist. „Die Gruppe ist generell sehr friedlich. Es gab drei, die waren ein bisschen spezieller und haben sicherlich auch zu diesem besonderen Ruf beigetragen.“ Ob diese noch auf der Insel sind, wisse er nicht. Aber die Punks sagten selbst, von den Rabauken seien nicht mehr alle da.
Einige der Punks und Obdachlosen seien jetzt im Stadtpark vor dem Rathaus und hätten da ein Zelt aufgestellt. Der Park sei für alle da und natürlich sei der Park kein Zeltplatz. „Aber ich versuche immer deeskalierend zu denken und zu handeln. Ich habe sie gebeten, keine Heringe in den Boden stecken, weil da die Bewässerungsanlage durchläuft. Damit sie eben nicht die ganze Bewässerungsanlage zerstören.“ Sofort hätten sie dann ihre Heringe rausgenommen.
Nikolas Häckel: Die Punks wollen keine Eskalation
Der studierte Diplom-Fachwirt Häckel sagt auch, man könne „mit den Herrschaften reden. Sie provozieren in einer gewissen Art und Weise, aber sie wollen ja auch keine Eskalation. Und insofern glaube ich, dass wir auf einem guten und richtigen Weg mit unseren Gästen dort sind.“
Man dürfe außerdem nicht vergessen: „Sylt war nie heile Welt, Sylt wird nie heile Welt sein." Es gebe in allen Städten Punks, "das ist total normal.“ Er könne natürlich den Anspruch der Gäste nachvollziehen, dass sie diese im Urlaub nicht sehen möchten. „Aber ich finde es richtig, auch den Gästen zu zeigen, dass wir hier eine Gesellschaft, eine Gemeinschaft sind, mit all den Problemen, die auch andere Städte haben.“ Er fühle sich durch diese Gäste nicht provoziert.
Dass einige Menschen ihre Notdurft auf den Wegen verrichtet hätten, das müsse nicht sein. „Man muss mit Sicherheit auch nicht im Wilhelminenbrunnen baden und Wäsche waschen oder Haare färben. Das ist ein Punkt, wo man sagen muss, da wird Eskalation provoziert.
"Wer daneben pinkeln will, der nutzt auch kein Dixi-Klo"
Die Frage, ob man nicht Dixi-Klos für die neue Gästeschar aufstellen könne, werde immer wieder gestellt, sagt der Bürgermeister. Doch es gebe viele öffentliche Toiletten in der Stadt, im Rathaus, in der Neuen Mitte, am Bahnhof und an der Promenade, die jeder kostenlos benutzen könne. Sogar Duschen gebe es an der Promenade. Aber, die die provozieren wollten, würden auch kein Dixi-Klo benutzen.
Das hätten auch einige Punks bestätigt. „Da wird davor, daneben oder wohin auch immer gemacht.“ Die Wege seien zu den öffentlichen WCs seien ja nicht wirklich weit. „Ich denke, jeder erwachsene Mensch wird merken, wenn die Blase drückt. Dann schafft man diese Wege.“
Auch die Idee eines Sylter Immobilienunternehmers, der im Abendblatt einen Strandabschnitt für das Partyvolk und die Punks gefordert hatte, verwarf Häckel: „Wir haben ja schon eine eine Art Party-Zone am südlichen Strandabschnitt von Westerland. Da tolerieren wir bzw. der Tourismusservice seit Jahren, dass abends gefeiert werden kann." Auch dort gebe es immer wieder Beschwerden, etwa vom Dorint-Hotel. Einen weiteren Partystrand werde es nicht geben.
Sylter Bürgermeister schließt weiteren Party-Strand aus
Als er am Morgen laufen war, habe er an die Leute appelliert, ihren Dreck wieder mitzunehmen, die Flaschen, die Kronkorken, die Kippen. „Es ist ja auch nicht zu viel verlangt, das in den nächstgelegenen Mülleimer zu werfen.“ Die Mülleimer habe man ja auch vergrößert, das seien wirklich große Mülleimer.
Das Schlafen am Strand sei nicht erlaubt, ebenso wie man keine Sandburgen bauen dürfe. Er würde da trotzdem nicht eingreifen, sagt Häckel. „Wenn da jemand am Strand in dem Korb übernachtet und da einfach artig schläft, dann soll er da einfach artig schlafen.“
Auch dass viele der Punks in der Stadt ihre Oberteile ausziehen, sei nichts, wo die Ordnungsbehörde eingreifen würde. „Ich bin ja eher liberal eingestellt.“ Und ein nackter Oberkörper sei kein Grund für einen Platzverweis. „Ich kann einen Platzverweis nur aussprechen, wenn ich eine Störung habe und eine Störung ist es eben nicht, wenn jemand mit nacktem Oberkörper ein Bierchen trinkt.“ Anders sei es, wenn jemand laut krakeele oder eine Schlägerei anfange. Dann komme die Polizei.
"Wenn wir den Zaun am Brunnen wieder brauchen, kommt er zurück"
Häckel verteidigte sowohl die Aufstellung des Zauns um die Wilhelmine in der vergangenen Woche als auch den Abbau am Montag. “Wie sich gezeigt hat, hat die Maßnahme gewirkt. Es ist eine dynamische Lage und wir werden jede Maßnahme dynamisch prüfen und angemessen umsetzen. Heute war der Punkt, wo wir gesagt haben, für uns macht diese Einzäunung keinen Sinn mehr. Ziel erreicht.“ Der Platz am Brunnen sei natürlich ohne Zaun schöner, „aber sollten wir merken, dass wir den Zaun wieder brauchen, dann kommt er zurück.“
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Man müsse die Lage mit den Punks im Blick behalten, sagt der Bürgermeister. „Sie wollen uns nichts Böses, sie wollen ein bisschen provozieren und jeder muss sich überlegen, wann springt er auf eine Provokation an und wann nicht.“ Er habe als Ordnungsbehörde andere Maßstäbe, nämlich rechtliche.
Sylter Bürgermeister sieht in der Punker-Frage eine Win-win-Situation
Den Vorwurf, die Gemeinde habe dem Treiben in der Stadt zu lange zugeguckt, wies er zurück. Pfingsten, also das erste Wochenende nach der Einführung des 9-Euro-Tickets, sei seit Jahren ein Partywochenende, an dem viele junge Leute in Kleingruppen durch die Stadt ziehen und grölen und jeden Abend am Strand Party machen.
Handlungsbedarf habe aber bestanden, und deshalb habe man eine Barriere in einem Privatdurchgang beim Brunnen gebaut, damit das Urinieren, Koten und Beschmieren von Wänden aufhört.“ Und diese Botschaft sei angekommen. „Die Punks haben es für sich reklamiert. Sie haben es geschafft, dass wir reagieren mussten. Ich habe gesagt, wir haben Grenzen gesetzt – jeder hat gewonnen. Win-win ist immer das beste Ergebnis, das man haben kann.“