Kiel. Hält die Koalition in Berlin? „Die Nervosität ist hoch“, sagt Christopher Vogt, der designierte neue Parteichef in Schleswig-Holstein.
Die Tage von Oliver Kumbartzky sind gezählt – als FDP-Chef in Schleswig-Holstein. Von Anfang seiner Kandidatur um den Posten des hauptamtlichen Büsumer Bürgermeisters an war klar: wird er gewählt, tritt er vom Posten des Landesvorsitzenden zurück. Und die Büsumer haben Kumbartzky am Sonntag mit klarem Abstand ins Amt gehievt. Der 40-jährige Christopher Vogt soll Kumbartzky nachfolgen, jedenfalls schlagen das der scheidende Amtsinhaber und der FDP-Landesvorstand vor.
Auch wenn Vogt erst im November gewählt wird, attackiert er schon heute das schwarz-grüne Kabinett um Ministerpräsident Daniel Günther und die „Bundes-Ampel“ scharf, in der neben SPD und Grünen auch Vogts FDP regiert. Er geht von dem geplanten Bundestagswahltermin im Herbst 2025 aus, will aber auch nicht ausschließen, dass die Ampelkoalition nicht doch noch vorher platzt. „Die Unzufriedenheit mit dieser Bundesregierung ist groß. Der Kanzler hat sich bei der Europawahl überall plakatieren lassen. Seine Botschaft lautete: Auf mich kommt es an. Und dann erreicht Scholz 13,9 Prozent“, zählt FDP-Mann Vogt den Bundeskanzler an.
Nord-FDP greift Scholz an: „Das nervt die Menschen im Land“
Immer wieder komme die SPD mit Forderungen nach Steuererhöhungen und der Abschaffung der Schuldenbremse um die Ecke. Dass die gemeinsamen Verabredungen und der Koalitionsvertrag nahezu täglich von führenden Leuten in der SPD oder bei den Grünen infrage gestellt würden, beunruhige ihn schon. „Das nervt die Menschen im Land auch“, kritisiert Vogt, der auch im Bundesvorstand seiner Partei mitwirkt. Hingegen sei die FDP „sehr vertragstreu“, sagt deren Fraktionschef im Kieler Landtag. Er sehe nicht, wo die FDP in der Bundesregierung getroffene Verabredungen infrage gestellt habe.
Vogt setzt auf die „Vernunft“ der Berliner Regierungspartner. „Aber im Moment herrscht eine hohe Nervosität.“ Die Aufstellung des nächsten Bundeshaushalts wird aus Sicht des FC-St.-Pauli-Mitglieds Vogt entscheidend sein. Die SPD fordere ständig, noch mehr Geld auszugeben, sagt er. „Wir haben viele Jahre hinter uns, in denen die Wirtschaft gewachsen und die Steuereinnahmen deutlich gestiegen sind. Wir haben weder im Bund noch in Schleswig-Holstein ein Einnahmeproblem. Ich sehe aber, dass zu wenig Schwerpunkte gesetzt werden. Das gilt für Berlin und für Kiel. Darauf müssen wir uns wieder konzentrieren. Und wir brauchen eine Wirtschaftswende.“
Designierter FDP-Chef hält Landesregierung für „erstaunlich schwach“
Vogt hält die seit zwei Jahren regierende schwarz-grüne Landesregierung für „erstaunlich schwach“. Die Menschen im Norden seien mit der Arbeit der „Jamaika-Koalition“ in hohem Maße zufrieden gewesen, weil sie Probleme angepackt und gelöst habe. „So haben wir beispielsweise gemeinsam eine Abschiebehaftanstalt gebaut, die die Grünen zunächst nicht wollten. Aber das war nötig, weil zu einer gesteuerten Migration eben auch Abschiebungen gehören“, sagt Vogt.
Vogts Hauptkritik gilt der Finanzpolitik. Schwarz-Grün gebe das Geld an falscher Stelle aus, sorge weder für Impulse, noch setze die Koalition Schwerpunkte. Er hält die schwarz-grüne Finanzpolitik mit Notkrediten, Notlagen und Entnahmen aus dem Pensionsfonds für verfassungswidrig. „Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam mit der SPD gegen den Haushalt klagen werden“, sagt Vogt.
Schleswig-Holstein: Welcher Minister aus Vogts Sicht schlecht abschneidet
Der designierte FDP-Chef attackiert zudem einige ihn enttäuschende schwarz-grüne Ministerinnen und Minister. So gebe Finanzministerin Monika Heinold „kein gutes Bild mehr ab. Sie wirkt zunehmend unsouverän und überfordert. Vor dem Chaos, das jetzt bei der Grundsteuer eintreten wird, hatten wir immer gewarnt. Auch beim Haushalt hat Frau Heinold unsere Warnungen in den Wind geschlagen“, sagt Vogt.
Auch die beiden anderen grünen Minister, Aminata Touré (Soziales) und Tobias Goldschmidt (Umwelt), könnten bislang nicht überzeugen. Auf CDU-Seite will Vogt Bildungsministerin Karin Prien als Schwachstelle ausgemacht haben. Gerade der Bildungsbereich in Schleswig-Holstein sei eine Großbaustelle. Man gewinne aber nicht den Eindruck, dass die Ministerin die Probleme ernsthaft anpacken wolle. Es wirke, als ob Prien nur noch darauf warte, „in ein Kabinett von Friedrich Merz nach Berlin wechseln zu können“.
Nord-FDP: Kritik an Sozialministerin Touré von den Grünen
Mit Blick auf die Migrationspolitik teilt Vogt auch gegen Daniel Günther aus. Der Ministerpräsident gebe auf Bundesebene den Hardliner, wenn es gerade angebracht scheine. Aber dann verschleppe Schleswig-Holstein die Einführung der Bezahlkarte für Migranten, weil die CDU den Grünen das Thema überlasse. „Hamburg hat bereits gezeigt, wie es gehen kann. Aber CDU und Grüne konnten sich immer noch nicht einigen“, kritisiert Vogt.
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Auf Bundesebene hart errungene Kompromisse bei der Migrationspolitik würden in Schleswig-Holstein immer wieder infrage gestellt. „Die Grünen blockieren und verzögern, und die CDU macht das einfach mit. Das ist der falsche Weg – auch mit Blick auf das Erstarken der AfD. Gerade Ministerin Touré ist da auf dem falschen Kurs unterwegs. Ich verstehe nicht, warum die CDU das immer wieder mitträgt“, kritisiert der designierte FDP-Vorsitzende in Schleswig-Holstein.