Maasholm. Die Sturmflut hat die Halbinsel schwer beschädigt. Fahrgastschiffe können sie nicht mehr anlaufen. Wie es mit Schleimünde weitergeht.
Seit dem 20. Oktober ist auf Schleimünde nichts mehr, wie es einmal war. Bei der großen Sturmflut, die im vergangenen Herbst die Ostseeküste und die Schleiregion heimgesucht hat, sind große Schäden an der Landzunge mit ihrem charakteristischen Leuchtturm entstanden. „Die Folgen sind dramatisch“, sagt Jens Ambsdorf von der Lighthouse Foundation, der Teile der Halbinsel gehören.
Die Insel wurde komplett überspült. Die Häuser, die dort stehen, stark beschädigt, genauso wie der Hafen und der Anleger. „Lange Zeit war nichts mehr hier nutzbar“, sagt Ambsdorf.
Nach der Sturmflut: Zukunft von Schleimünde ungewiss – kultige Giftbude geschlossen
Da ist zum einen die Giftbude, die weit über die Grenzen der Region hinaus bei Wassersportlern bekannt ist. Hier gab es während der Sommersaison Pommes, Fisch und andere Leckereien. Die Giftbude wurde von den Schleswiger Werkstätten betrieben, einem Inklusionsbetrieb. Die Männer und Frauen lebten dafür jeweils einige Tage auf der Halbinsel, denn An- und Abreise sind nur über die Schlei möglich – und damit durchaus kompliziert.
Der Küchentrakt der Giftbude wurde komplett weggespült, wie Ambsdorf berichtet. „Alle Geräte sind kaputt, alles wurde zerstört“, sagt er. Die Renovierung des kleinen Gebäudes würde zwischen 250.000 Euro und 300.000 Euro kosten. Geld, das die Stiftung nicht hat – und auch nicht aufbringen will. „Wir haben die Giftbude so wieder hergerichtet, dass sie als Aufenthaltsort genutzt werden kann, mehr werden wir nicht machen“, sagt Ambsdorf. Zudem soll hier eine Ausstellung zur Lotseninsel einziehen. „Die Giftbude für viel Geld wieder komplett herzustellen, damit einige Wochen im Jahr hier gekocht werden kann, steht in keinem Verhältnis.“ Schließlich sei die Saison auf der Insel extrem kurz.
Nur der Kiosk wird noch auf Schleimünde betrieben
Auch das Lotsenhaus nebenan wurde beschädigt. Hier wurde allerdings nur das Erdgeschoss überflutet, die vorgelagerte Flutmauer konnte Schlimmeres verhindern. Die Stiftung hat bereits alles renoviert, Heizung und Stromversorgung wurden repariert. Das Lotsenhaus hat die Ostseeschule gepachtet. Hier kann das Bildungszentrum für nachhaltige Entwicklung nun wieder genutzt werden.
Nebenan steht der kleine Kiosk. Er hat die Sturmflut recht gut überstanden. Während der Saison werden hier Snacks und Getränke und Andenken gekauft. Betrieben wird er, genauso wie der Naturhafen, von den Schleswiger Werkstätten. Der Kiosk hat für die Wassersportler wieder geöffnet.
Die Kaimauer in Schleimünde ist beschädigt, der Weg zum Leuchtturm gesperrt
Die Flut hat aber auch im Naturschutzgebiet starke Schäden verursacht. Die charakteristischen Bäume, nach denen sich viele Segler bei der Ansteuerung der Schlei richten, stehen nicht mehr – oder nur noch zum Teil. „Auch das Naturschutzgebiet ist deutlich beschädigt worden“, sagt Ambsdorf. Zum Glück, so der Vorstand der Lighthouse Foundation, erhole sich die Natur schnell. „Wir hoffen, dass bis zur nächsten Flut eine Weile vergeht und die Natur Zeit bekommt.“
Zudem ist die Kaimauer stark beschädigt, der Weg zum Leuchtturm deshalb aus Sicherheitsgründen gesperrt. Auch die Hafenanlage des kleinen, romantischen Naturhafens wurde in Mitleidenschaft gezogen. Lange Zeit gab es keine Kanalisation, kein Wasser und keinen Strom. Mittlerweile konnten diese Schäden behoben werden, Segler und Motorbootfahrer können Schleimünde wieder anlaufen.
Der Anleger in Schleimünde muss für 240.000 Euro repariert werden
Viel schlimmere Schäden hat allerdings der große Anleger, der vorn in die Schlei hineinragt. Hier legen die Ausflugsdampfer an, die die Schlei hinauf und hinunter fahren. Das ist derzeit nicht möglich, zu gefährlich ist das Betreten des Steges für die Gäste. Die Steganlage gehört der Stadt Kappeln, die zuständigen Gremien haben vor wenigen Wochen die Reparatur in Höhe von rund 240.000 Euro freigegeben.
Die Kosten sind so hoch, „weil die Steganlage zukunftsfähig gestaltet werden soll“, sagt Joachim Stoll, Bürgermeister der Stadt. Derzeit laufen die Ausschreibungen. Er hoffe, dass im Juli die Bauarbeiten beginnen können. „Dann sollte die Steganlage Ende der Saison wieder nutzbar sein.“ Stoll bedauert, dass das nicht früher der Fall sein wird. „Diese Sommersaison ist damit für die Schlei-Schifffahrt gelaufen“, sagt er. Vielleicht könne der Steg im Herbst noch wieder genutzt werden. „Aber zumindest im kommenden Jahr wird dann Schleimünde endlich wieder angelaufen werden können.“
Große Teile der Lotseninsel gehören der Lighthouse Foundation aus Kiel
Zum Hintergrund: Schleimünde selbst, die Mündung in den Seitenarm der Ostsee, ist schmal. An der einen Seite steht ein markanter Leuchtturm. Hier gibt es auch den kleinen Hafen, ein Hafenbüro, ein Veranstaltungsgebäude, eine Wiese zum Grillen und Zelten – und ein winziges Restaurant, bei vielen unter dem Namen Giftbude bekannt.
Der Bereich gehört seit zehn Jahren der Lighthouse Foundation mit Sitz in Kiel. Direkt im Anschluss erstreckt sich eine etwa 100 Hektar große Halbinsel, ein Naturschutzgebiet. Die starken Stürme und Hochwasser im Frühjahr und Herbst verkleinern den schmalen Küstenabschnitt bereits seit Jahren.
Knapp 300.000 Euro hat die Stiftung schon in die Reperaturen auf der Lotseninsel gesteckt
Die große Sturmflut hat die Halbinsel derart in Mitleidenschaft gezogen, dass die Lighthouse Foundation sich nun ernsthaft Gedanken über die Zukunft von Schleimünde macht. Die Schäden belaufen sich nach Angaben des Versicherers laut Ambsdorf auf rund 1,5 Millionen Euro. Rund 250.000 Euro hat die Stiftung bereits in den vergangenen Monaten investiert, „um wenigstens das Wichtigste wieder herzustellen“. „Mit gut 250.000 Euro, ganz viel Kreativität und Unterstützung von freiwilligen Helfern haben wir in den vergangenen Monaten das meiste wiederherstellen können. Es ist viel Gutes entstanden in der Zeit.“
Ambsdorf berichtet, dass die große Sturmflut die mittelfristige Zukunft der Lotseninsel komplett infrage gestellt habe. „Wir haben schon vor 15 Jahren damit gerechnet, dass die Lotseninsel bis zum Ende des Jahrhunderts verschwunden sein würde. Man sich also ab etwa 2050 um einen geordneten Rückbau Gedanken machen müsste. Aber 2050 ist leider jetzt, das hat die Sturmflut gezeigt.“
Klar ist, Schleimünde wird auf Dauer nicht zu retten sein, so die Stiftung
Klar sei, Schleimünde und die Lotseninsel seien auf lange Sicht nicht zu halten. „Die Klimakatastrophe wird dazu führen, dass sie dauerhaft überspült werden wird.“ Und das nicht allein wegen eines gestiegenen Meeresspiegels, sondern vor allem wegen der Extremwetterlagen, die in Zukunft noch häufiger zu erwarten seien. „Wann das passieren wird, wissen wir nicht, aber bis dahin das Beste draus zu machen ist unser Ziel. Wir müssen uns also Gedanken machen, was wir noch erhalten können – und wie lange“, sagt er.
In der kommenden Woche wollen sich alle beteiligten Akteure nun zusammensetzen, um über die Zukunft von Schleimünde zu beraten. „Es geht jetzt darum, wie wir möglichst lange die Lotseninsel für die Menschen zugänglich machen können“, sagt Kappelns Bürgermeister Joachim Stoll. Das Ziel sei ein sanfter nachhaltiger Tourismus, keine Menschenmassen.
Die Idee: Einen Schleimünde-Euro einzuführen für alle Besucher
Eine Idee sei unter anderem, einen Schleimünde-Euro einzuführen. Jeder Tourist, der auf einem der Fahrgastschiffe die Lotseninsel besuche, würde dann über sein Ticket einen Euro zusätzlich für den Erhalt der Insel bezahlen. „Das wäre quasi eine Mini-Eintrittskarte, damit man noch möglichst lange diesen besonderen Ort erleben kann“, so Stoll.
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Er hoffe sehr, dass gemeinsam ein zukunftsfähiges Konzept erarbeitet werden könne. „Schleimünde betrifft uns alle, Schleimünde geht uns alle etwas an. Das ist spätestens seit der Sturmflut klar.“