Durch Stürme: Halbinsel Schleimünde wird stetig abgetragen
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Maasholm. Die Landzunge wird immer öfter vom Meer überspült. Initiative will Halbinsel retten und appelliert an Politik: “Zeit läuft uns davon.“
Der Gründer der Bürgerinitiative „Schleimünde retten“ hat an die Politik appelliert, endlich zu handeln und das Naherholungsgebiet Schleimünde vor einer dauerhaften Überspülung zu retten. „Seit der Gründung der Initiative vor gut zwei Jahren ist fast nichts passiert. Dabei läuft uns die Zeit davon“, sagt Philipp Zülsdorff.
Ziel der Initiative ist es, die Halbinsel durch Schutzmaßnahmen zu erhalten. „Die wird durch Stürme und Hochwasser stetig abgetragen und immer häufiger ganz überspült.“ Zuletzt sei wieder mindestens ein Meter der Küste verloren gegangen. „Muss es erst massive Hochwasser geben, das die tief liegenden Ortschaften wie Olpenitz Dorf, Maasholm und vor allem Arnis betrifft?“
Schleimünde wird durch Stürme und Hochwasser stetig abgetragen
Zülsdorff spricht damit aus, was viele Bewohner der Region denken. Schon die Gründung seiner Bürgerinitiative sorgte für viel Aufsehen. In kürzester Zeit hatten Tausende Menschen seine Petition unterschrieben. „Das hat aber leider nichts bewirkt. Und die Corona-Pandemie hat alle Aktivitäten leider einschlafen lassen.“ Zülsdorff will nun wieder verstärkt für die Rettung kämpfen. „Die Politik muss endlich handeln“, sagt er. Bisher habe er den Eindruck, dass die Gefahr kleingeredet werde. Zudem würden die Politiker und die zuständigen Institutionen wie der Landesbetrieb für Küstenschutz mit veralteten Zahlen arbeiten. „Mit denen ist die Lage einfach nicht so dramatisch.“
Zum Hintergrund: Schleimünde selbst, die Mündung in den Seitenarm der Ostsee, ist schmal. An der einen Seite steht ein markanter Leuchtturm. Hier gibt es auch den kleinen Hafen, ein Hafenbüro, ein Veranstaltungsgebäude, eine Wiese zum Grillen und Zelten – und ein winziges Restaurant, vielen unter dem Namen Giftbude bekannt. Der Bereich gehört der Lighthouse Foundation mit Sitz in Kiel. Direkt im Anschluss erstreckt sich eine etwa 100 Hektar große Halbinsel, ein Naturschutzgebiet. Die starken Stürme und Hochwasser im Frühjahr und Herbst verkleinern den schmalen Küstenabschnitt seit Jahren.
Schleimünde vor dauerhafter Überspülung retten
Zülsdorff beobachtet als Wasserbauingenieur die Situation schon lange. Außerdem ist er seit knapp drei Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender des Fördervereins naturnaher Wasserwanderplatz Schleimünde, der dort den Hafen betreibt. „So einfach ist Schleimünde nicht zu retten“, sagt er. Mit einem einmaligen Sandaufschütten sei es nicht getan. Regelmäßig müsste Material vorgespült werden, welches dann wieder abgetragen werden kann. „Damit würde man einen natürlichen Prozess, den sogenannten Uferparallel-Sedimenttransport, künstlich wieder in Gang setzen.“
Das Spannende an einem solchen Projekt: „Der Sand, den man zum Aufspülen benötigt, fällt im Umkreis von weniger als 50 Kilometern als ,Abfall‘ an, und zwar durch Baggermaßnahmen in Fahrwassern und in den Häfen.“ Dieses Material müsste einfach nur in Schleimünde eingesetzt werden, „anstatt es auf eine Verklappstelle in der Ostsee zu bringen“. Bisher sei diese Maßnahme nicht erwogen worden, so Zülsdorff, „weil die Kosten etwas höher wären und man immer den günstigsten Entsorgungsweg wählen muss, wurde mir gesagt“. Zudem könne ein parallel zum Ufer verlaufender Schutzwall aus Natursteinen gebaut werden.
Bürgermeister befürwortet die Diskussion um Schleimünde
Auch Kay-Uwe Andresen, Bürgermeister des kleinen Örtchens Maasholm, befürwortet die Diskussion um Schleimünde. „Wir haben zum Glück vor unserer Tür direkt noch einen sogenannten Überlaufdeich. Der verhindert, dass das Ostseewasser im Falle einer Flut von Schleimünde direkt und ungehindert unser Gemeindegebiet überflutet“, sagt er. Deshalb würde der Ort nicht so schnell überschwemmt werden. Dennoch: Sollte die Landzunge dauerhaft überspült werden, hätte die Ostsee quasi freien Zugang auf den aus heutiger Sicht nicht genügend hohen Deich.
Mit Folgen für den Deich, aber auch auf die Strömungen innerhalb der Schlei. „Wenn hier mehr Wasser reinläuft, hat das Konsequenzen für die Ortschaften entlang der Schlei“, so Andresen. Er beruhigt allerdings auch. „Bei dieser Diskussion geht es für den Ort Maasholm weniger um die nächsten Monate oder Jahre. Es geht um eine langfristige Strategie, wie wir mit Schleimünde, aber auch den Folgen des Klimawandels umgehen wollen.“
„Ansonsten wird Maasholm wieder zu einer Insel“
Denn, so Andresen, entscheidend seien vor allen die Folgen des Klimawandels, die in den kommenden Jahrzehnten zu sehen sein würden. „Das ist für uns vor allem ein erhöhter Wasserspiegel.“ Gemeinsam machen sich die Ostseeanrainer von der Lübecker Bucht bis zur Flensburger Förde seit geraumer Zeit darüber Gedanken, wie man damit umgehen wolle. „Ansonsten wird Maasholm wieder zu einer Insel.“ Was das Dorf übrigens bis Anfang der 50er-Jahre hin und wieder war. Andresen spricht sich dafür aus, in der Region die Deiche zu erhöhen, „zumindest dort, wo die Infrastruktur geschützt werden muss“. Aber eine solche Planung brauche Zeit. Deshalb sei es dringend nötig, zügig mit Planung und Realisierung weiterzumachen.
Dagmar Struß, stellvertretende Landesvorsitzende des Nabu Schleswig Holstein, kennt sich als Leiterin der NABU-Landesstelle Ostseeschutz mit dem Thema aus. Sie bezeichnet die Diskussion um Schleimünde als Trauerspiel. „Die Schlei ist Sinnbild dafür, dass der Mensch immer noch nicht begriffen hat, dass die Umweltzerstörung verheerende langfristige Auswirkungen hat und nicht einfach mal eben mit ein paar Maßnahmen zurückgenommen werden kann“, sagt sie. Daran rüttele auch die Öffentlichkeitsarbeit einer Bürgerinitiative nicht oder die Politiker, die ihren Wählern hilfreich beispringen würden.
In den vergangenen Jahren hätte sich der Landtag immer wieder mit dem Umweltzustand der Schlei beschäftigt. Ohne echtes Ergebnis. „Während es viel Geschrei darum gibt, dass das Wasser steigen wird, wird in den Städten und Gemeinden in Rekordzeit daran gearbeitet, die letzten Flächen an der Schlei der Bebauung und Versiegelung zuzuführen, anstatt mit Retentionsflächen (möglichen Überflutungsgebieten, d. Red) dem Unausweichlichen zu begegnen“, so Struß. „Man habe von nichts gewusst, wird man nicht sagen können, denn die Klimabüros sagen es seit längerer Zeit voraus.“
"Wir müssen anerkennen, dass wir die ganze Ostseeküste nicht schützen können“
Auch deshalb sehe der Nabu eine Wand vor Schleimünde kritisch. „Wir müssen anerkennen, dass wir die ganze Ostseeküste nicht schützen können“, so die Expertin. „Jeder Mensch hier oben möchte, dass genau die Küste vor seiner Haustür gesichert wird“ – das sei aber nicht möglich. Die Ostseeküste zeige ein dynamisches Bild. „Hier wird etwas abgetragen, an anderer Stelle wieder etwas angespült.“ Damit müssten die Menschen lernen zu leben. „Auch wenn das bedeuten kann, dass sich so ein Ort wie Schleimünde verändern wird.“
Hochwasser und Sturmschäden im Norden
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Eine ähnliche Meinung vertritt der neue Bürgermeister von Kappeln, Joachim Stoll. Klar sei: „Schleimünde ist ein ganz besonderer Ort hier in der Region.“ Die Bewohner der Küsten müssten sich damit abfinden, dass sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wegen des Klimawandels viel verändern werde. „Dazu gehört auch Schleimünde, egal was dort gemacht wird.“ Stoll ist überzeugt, dass die Diskussion um die Rettung des Eingangs zur Schlei vor allem einen emotionalen Aspekt habe. „Wir müssen uns hier an der gesamten Küste in den kommenden Jahren fragen, was uns der Schutz wert ist. Wir stehen vor einer gesellschaftlichen Frage, nämlich der der Folgen des Klimawandels und des Umgangs damit“, so Stoll. Und dann stelle sich die Frage: „Bauen wir hier oben ein Bollwerk, ähnlich wie an der Nordsee?“ Bisher sei das vom Küstenschutz so nicht vorgesehen.
"Muss es erst ein verheerendes Hochwasser geben?"
Dagmar Struß verweist in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Ostseestrategie 2100. Hier werde die Dynamik an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste – auch unter dem Aspekt des Klimawandels – untersucht: „Für die Lösung der Frage, wie der Küstenschutz der Zukunft aussehen soll, werden Modelle erstellt.“ Am Ende der Evaluierung stünden Optionen, die zu einer Gesamtstrategie zusammengeführt werden.
Dem Gründer der Initiative „Schleimünde retten“ dauert das zu lange. „Wir können nicht ewig diskutieren, sondern müssen handeln“, sagt Philipp Zülsdorff. „Denn ein Zurückholen verloren gegangener Landstücke ist komplizierter.“ Und er spitzt zu: „Muss es erst ein verheerendes Hochwasser geben, bis der Kreis Schleswig Flensburg und das Land Schleswig Holstein reagieren?“ Denn auch dass Menschen dabei zu Schaden kämen, sei durchaus möglich. „Auf politischer Seite wird im Falle eines Extremereignisses keiner sagen können, dass er von der potenziellen Gefahr nichts gewusst hat.“
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