Kiel. 2,31 Millionen Schleswig-Holsteiner können Europaparlament mitbestimmen. Kampagne für Jungwähler, kurioses Procedere auf den Halligen.
2318 Stimmberechtigte, 20 Kandidatinnen, 42 Kandidaten, 2355 Wahlbezirke, 173.500 Erstwähler insgesamt, von denen 46.000 jünger sind als 18 Jahre. Das sind die schleswig-holsteinischen Kennziffern der Europawahl am 9. Juni. Erstmals überhaupt dürfen bei dieser zehnten Europawahl auch 16- und 17-Jährige das Europäische Parlament mitbestimmen. Die Zahl der Wahlberechtigten Schleswig-Holsteiner ist damit deutlich gestiegen. Auch die 107.000 EU-Bürger, die in Schleswig-Holstein leben, können hier ihre Stimme abgeben – wenn sie sich ins Wählerverzeichnis haben eintragen lassen.
Polen stellen mit 30.000 Menschen die größte Gruppe der ausländischen Wahlberechtigten, es folgen Rumänen (20.000) und Bulgaren (10.000) vor Dänen und Italienern mit je 6000. Die kleinste Gruppe stellen die 20 maltesischen Unionsbürger, die in Schleswig-Holstein leben. Landeswahlleiter Tobias Berger stellte die Zahlen am Donnerstag in Kiel vor.
Schleswig-Holstein wählt: Feuerwehr transportiert Urne mit Boot
Neu ist die Regelung, wonach keine Wahlurne ausgezählt werden darf, in der weniger als 30 Stimmzettel liegen. So will man die Anonymität der Wähler wahren. Die Neuregelung stellt die Wahlleitungen vor allem auf den Halligen vor Probleme. Deshalb stellt sich die Feuerwehr auf Hooge darauf ein, die verschlossene Urne nach Langeness zu skippern, wo die Stimmzettel dann gemeinsam ausgezählt werden würden.
Tobias Berger geht davon aus, sämtliche Daten vor Hackern gesichert zu haben. Die verwendete Software sei überprüft und zertifiziert. Er spricht von einem „umfassenden Sicherheitskonzept für den gesamten IT-Prozess“. Es bestehe keine Möglichkeit, das Endergebnis online zu manipulieren.
Europawahl: Wie das Land für den Urnengang wirbt
Bei der Europawahl vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein knapp unter 60 Prozent. Das soll jetzt möglichst besser werden. Mehr als 250.000 Wahlberechtigte sind hier jünger als 25 Jahre. Gerade für sie hat das Land eine Multimedia-Kampagne entwickelt, die Lust auf Wahlen und Politik machen soll. Die Multimedia-Kampagne spricht vor allem junge Wähler an, wenn sie kurze Videos und Informationstafeln auf TikTok, Instagram oder Facebook ausspielt.
Parallel wirbt Schleswig-Holstein landesweit auf Plakaten für eine hohe Wahlbeteiligung, um „Europa nicht den Populisten zu überlassen“, wie Europaminister Werner Schwarz sagt. „Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger ausdrücklich: Nutzen Sie Ihr Wahlrecht. Gestalten Sie die Welt mit, in der Sie leben“, appelliert Ministerpräsident Daniel Günther, wählen zu gehen.
Wie die Wahl funktioniert, was die wichtigsten Aufgaben des Europäischen Parlaments sind oder wer wählen darf, darüber informiert Schleswig-Holstein im Netz auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Ukrainisch, Russisch, Französisch, Italienisch – und auf Friesisch, Dänisch und Niederdeutsch, also den Sprachen der Minderheiten.
Europawahl: Das sind die Ziele der Parteien in Schleswig-Holstein
„Wir wollen stärkste Kraft werden.“ Das Ziel hat Daniel Günther als Parteichef für die Nord-CDU ausgegeben. Er will die Wahlschlappe von vor fünf Jahren vergessen machen, als die CDU klar hinter den Grünen gelandet war. Während die Grünen mit 29,1 Prozent der Stimmen ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Europa- oder Landtagswahl im Norden mehr als verdoppelten, hatte die CDU vor fünf Jahren mit 26,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer EU-Wahl eingefahren. Für die Nord-CDU kandidiert der amtierende EU-Abgeordnete Niclas Herbst auf Platz eins der Landesliste. In ihrem Wahlprogramm setzt die CDU auf eine bessere Steuerung der Zuwanderung und einen „Klimaschutz, der Arbeit schafft“.
Schleswig-Holsteins Grünen-Vorsitzende Anke Erdmann ist zuversichtlich. „Wir prägen die politische Agenda“, sagte sie beim jüngsten Parteitag. Mit dem Ergebnis von 2019 liege die Latte hoch, sagt Erdmann. Inzwischen habe sich die Stimmung im Land geändert. „Der Ton ist insgesamt sehr rau geworden“, so Erdmann. Parteimitglieder erführen Beleidigungen im Netz und in echt: „Rechtsruck, Hass und Hetze, eine hybride Kriegsführung, die auf Verunsicherung setzt.“ Für die Grünen kandidiert Rasmus Andresen auf Platz 1 der Liste.
Europawahl Schleswig-Holstein: Die Schwerpunkte von SPD und FDP
Ziel der SPD ist es, besser abzuschneiden als bei der jüngsten Europawahl. Hier war sie im Norden auf 17,1 Prozent gekommen und bundesweit nach dramatischen Verlusten auf 15,8. Für die Nord-SPD kandidiert die amtierende Abgeordnete Delara Burkhardt auf Platz 9 der Bundesliste. Damit gilt ihre Wiederwahl als sicher. „Mit dieser Wahl wird sich entscheiden, ob wir den Vormarsch rechtspopulistischer und rechtsradikaler Parteien in Europa stoppen können. Deshalb versuchen wir, alle Demokratinnen und Demokraten davon zu überzeugen, am 9. Juni wählen zu gehen“, sagte Burkhardt. Die SPD wolle die Menschen mit ihrer Vision eines starken, sozialen, sicheren und wehrhaften Europas überzeugen.
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Für die FDP kandidiert Helmer Krane auf Platz 1. Die Partei will, als ein Schwerpunkt, den Mittelstand entlasten und die „Regulierungswut der Kommission unter Ursula von der Leyen beenden“. Für jedes neue Gesetz sollten erst einmal zwei alte gestrichen werden. Die FDP war bei der Europawahl 2019 – hinter der AfD – mit 5,9 Prozent der Stimmen auf Platz fünf in Schleswig-Holstein gelandet. Als weiteren Schwerpunkt wollen die Freidemokraten die Kommunen bei der Migration entlasten. So fordert sie Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, damit Menschen ohne Chance auf Bleiberecht gar nicht erst einreisten.