Kiel/Hamburg. Lauterbachs Reform setzt beide Bundesländer unter Druck. Gesundheitsexperte der FDP fordert länderübergreifende Krankenhausstrukturen.

Die Patienten kommen aus Norderstedt, Wedel oder Ahrensburg – aber als Schleswig-Holsteiner ziehen sie bei komplizierten Darm- oder Knie-Operationen eine Hamburger Klinik dem Krankenhaus in der eigenen Stadt vor. Umgekehrt zieht es Hamburger nach einer schwierigen OP zur Reha oder Anschlussheilbehandlung in eine Klinik in Damp oder St. Peter-Ording. Diesem ungeordneten Medizintourismus will Heiner Garg geordnete Strukturen geben. Der FDP-Politiker und ehemalige schleswig-holsteinische Gesundheitsminister fordert in einem Antrag an den Kieler Landtag angesichts der eh schon eng verflochtenen Patientenströme eine gemeinsame und verlässliche Krankenhausplanung beider Nordländer.

Garg reagiert damit auch auf einen Vorstoß der Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer. Die Sozialdemokratin hatte im Abendblatt-Interview gefordert, die Klinik-„Portfolios“ der Nordländer besser aufeinander abzustimmen. Vor allem ging es Schlotzhauer darum, dass sich die Nachbarbundesländer an den Hamburger Krankenhausinvestitionskosten beteiligen. Sie habe die Gesundheitsminister aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen eingeladen, über eine mögliche gemeinsame Bedarfsplanung und eine gerechte Verteilung der Kosten zu sprechen, so Schlotzhauer. Das greift Oppositionspolitiker Garg mit seinem Antrag auf.

Krankenhausreform: Hamburg und Kiel sollen Kliniken gemeinsam planen

Hamburg ist für das südliche Schleswig-Holstein ein wichtiger Versorger. Der Anteil von Patienten aus dem nördlichsten Bundesland in Krankenhäusern der Stadt sei signifikant, sagt der Gesundheitsexperte. Garg verspricht sich von einer Kooperationsvereinbarung „Synergien in der hochkomplexen Spezialversorgung“ und den Abbau von Doppelstrukturen.

Aktuell stehen die Krankenhäuser bundesweit unter hohem finanziellen Druck, Experten rechnen mit zahlreichen Insolvenzen in den nächsten Monaten. Zudem zwingt die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Länder dazu, ihre Klinikstrukturen grundsätzlich neu zu planen. Die Reform sieht eine Spezialisierung bei schweren Eingriffen vor, künftig wird nicht mehr jedes Krankenhaus jede Operation anbieten dürfen.

Aus Sicht des Gesundheitsexperten Heiner Garg setzt Lauterbachs Reform die beiden Nordländer weiter unter Druck, endlich zu einer gemeinsam geplanten Gesundheitsversorgung zu kommen. Garg plädiert dafür, einen Prozess zu starten, in dem die Angebote der Kliniken aufeinander abgestimmt werden und in dem eine finanzielle Lösung gesucht wird, die für beide Länder akzeptabel ist.

Gesundheitsexperte: „Was wäre die Alternative?“

Fachlich sei eine länderübergreifende Klinikplanung „nicht das große Problem“, ist der langjährige schleswig-holsteinische Gesundheitsminister überzeugt. „Spannend wird’s, wenn es um das Geld geht. Sind die Bundesländer dann bereit, dass von ihren Investitionen auch Kliniken im Nachbarland profitieren?“, fragt Garg.

Es könne schon passieren, dass sich Schleswig-Holstein dann stärker an Investitionen in Hamburg beteiligen müsste als umgekehrt. „Aber was wäre die Alternative? Sollen wir stattdessen zusätzliche Krankenhäuser in Schleswig-Holstein bauen?“ Das erscheint Garg absurd. „Insofern glaube ich, dass beide Länder am Ende von einer gemeinsamen Planung profitieren.“

Das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium verweist in Zusammenhang mit Gargs Antrag auf die schon enge Zusammenarbeit der beiden Länder. So bestehe in der Krankenhausplanung schon „ein guter Austausch“, den beide Länder weiter vertiefen wollten, um „gute Lösungen im Interesse der Patientinnen und Patienten zu schaffen“.

Gemeinsame Klinikplanung: Landtag debattiert Antrag

Geplant ist, dass der Kieler Landtag Gargs Antrag am Donnerstag debattiert. Vermutlich wird er anschließend an den Gesundheitsausschuss des Parlaments verwiesen und dort weiter beraten, während hinter den Kulissen die Gespräche auf Ministerialebene zwischen beiden Ländern allmählich vorankommen.

„65 Prozent der in Hamburg stationär behandelten Patientinnen und Patienten kommen aus Hamburg. Das heißt im Umkehrschluss, 35 Prozent eben nicht. Hiervon kommen 20 Prozent aus Schleswig-Holstein, zehn Prozent aus Niedersachsen, der Rest aus anderen Bundesländern und dem Ausland.“ Diese Zahlen nannte Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer im Abendblatt-Interview. „Die Krankenhäuser erwirtschaften zwar Gelder mit diesen Patientinnen und Patienten, aber sämtliche Investitionen in die Kliniken bringen wir in Hamburg alleine auf“, begründete die Hamburger Sozialdemokratin ihre Forderung nach einer Beteiligung an den Klinikinvestitionen.

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„Hoch spezialisierte medizinische Angebote wie in Hamburg erfordern ausgereifte Apparate und einen hohen Grad an Digitalisierung. Das ist ein Schatz, an dem andere partizipieren. Am Ende geht es doch darum, für die Patientinnen und Patienten in der Metropolregion Hamburg die bestmögliche Versorgung anzubieten. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, auch in Finanzierungsfragen“, sagte Melanie Schlotzhauer.