Im Vergleich hat die Hansestadt enorm aufgeholt – ein Erfolg für Senat und Bürgerschaft. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.
Das ist ein ganz neues Gefühl für Hamburgs Schülerinnen und Schüler sowie die sie unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer: Im Vergleich der 16 Länder landen die Hamburger Neuntklässler beim Hörverstehen englischer Texte auf Platz eins und beim Lesen im Englischen auf Platz zwei. Solche Topplatzierungen waren bislang den Schülern in Bayern oder Baden-Württemberg vorbehalten.
Mehr noch: Laut dem am Freitag vorgestellten aktuellen IQB-Bildungstrend, der alle drei Jahre erhoben wird, belegt Hamburg in der Summe der Leistungen in den diesmal geprüften Fächern Deutsch und Englisch Rang vier – seit Beginn der Ländervergleichstests vor 20 Jahren hat es nie eine bessere Platzierung gegeben.
Hamburgs Schulen holen im Ländervergleich auf
Zum gängigen Repertoire vieler Partygespräche und Elternabende gehörte früher die Klage genervter Väter und Mütter, dass ihre Kinder in Hamburger Schulen viel weniger lernten als die Gleichaltrigen etwa in München. Mit anderen Worten: Das Abitur sei in Bayern viel mehr „wert“ als an Elbe und Alster.
Nun sind die Zeiten vorbei, als subjektive Erfahrungen und Gefühlslagen ernsthafte bildungspolitische Debatten bestimmen konnten. Inzwischen werden Schülerinnen und Schüler auf allen Ebenen fortlaufend getestet und wissenschaftlich begleitet.
Und da zeigt sich nicht nur seit Einführung bundesweit zentraler Elemente bei den schriftlichen Abiturprüfungen, sondern auch bei den Ländervergleichsstudien auf unterschiedlichen Klassenstufen: Hamburg hat aufgeholt. Zwar bleibt Bayern das Maß aller Dinge, aber Hamburg liegt auf Augenhöhe mit Baden-Württemberg und dem Ost-Primus Sachsen.
Ties Rabes Rechtschreiboffensive scheint Früchte zu tragen
Dafür gibt es Gründe. Seit 2010, als SPD, Grüne, CDU und FDP den sogenannten Schulfrieden erstmals vereinbarten, hat die Hamburger Bildungspolitik auf lähmende Schulstrukturdebatten verzichtet und das Modell aus Grund-, Stadtteilschule und Gymnasium festgeschrieben. Stattdessen konzentrierten sich Senat und Bürgerschaft auf die Verbesserung der Unterrichtsqualität.
Seit einer guten Dekade läuft ein massives Investitionsprogramm in Personal und Schulgebäude. Die SPD-geführten Senate haben mit der prinzipiellen Unterstützung zumindest von Teilen der Opposition mehrere Tausend Lehrerstellen zusätzlich geschaffen, die bislang jedenfalls auch weitgehend besetzt werden konnten.
Die Klassen wurden verkleinert und das schulische Ganztagsangebot massiv ausgebaut, um nur zwei wesentliche Punkte zur Verbesserung der individuellen Förderung zu nennen. Angesichts stark anwachsender Schülerzahlen hat Rot-Grün zudem darauf verzichtet, die Klassen zu vergrößern, um Lehrerstellen einzusparen.
IQB-Statistik ist mit Vorsicht zu genießen
Trotzdem muss auch Wasser in den Bildungswein gegossen werden: Die Erfolge Hamburger Schüler im Fach Deutsch sind nur relativ. Ein vermutlich Corona-bedingter Rückgang der Schülerleistungen war auch in Hamburg festzustellen, fiel aber deutlich niedriger aus als im Bundesschnitt. Andererseits hat sich die Schülerschaft seit 2009 verändert: Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund ist gestiegen. Deutsch ist in vielen Haushalten nicht mehr Familiensprache.
In diesem schwierigen Umfeld ist es Hamburg gelungen, sich von den Stadtstaaten Bremen und Berlin mit ähnlicher Schülerschaft abzukoppeln. Dass sich die Hamburger gerade in der Rechtschreibung besonders deutlich vom Bundestrend absetzten, darf auch als Indiz dafür gesehen werden, dass die 2015 von Schulsenator Ties Rabe gestartete Rechtschreiboffensive Früchte getragen hat.