Kopenhagen. Für Schleswig-Holsteins Regierungschef war es keine gute Woche. Doch dann entpuppte sich sein Wirtschaftsminister als Glücksfall.
Ob es dieselbe Infektion war, die zuletzt schon die Familie erkranken ließ? Oder ob er sich bei der Verleihung der Narrenkappe beim Superspreaderevent im Aachener Karneval angesteckt hat? Letztendlich dürfte es Daniel Günther herzlich egal gewesen sein, warum er die vergangenen Tage in einem Kopenhagener Hotelzimmer verbringen musste.
Ganz und gar nicht egal war ihm aber, dass er, statt die dänische Regierungschefin zu treffen, von diesem nachhaltigen Virus getroffen wurde. Wie es ist, wenn bei Regierungskonsultationen plötzlich der Chef der Reisegruppe ausfällt. Ein Blick zurück:
Sonnabend – die Verleihung des Karnevalsordens
Der Mann aus dem hohen Norden zeigt bei der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ im tiefen Westen Humor, Textsicherheit und wieder einmal Gesangsqualitäten. Zwar geht es anders als bei der Kieler Woche nicht um eine „Puffmutter namens Layla“, sondern ARD-konform etwas gesitteter zu: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag mir, wo und wann? Wenn nicht du, wer sonst? Es wird Zeit, nimm dein Glück in die Hand“, der Kölner Karnevalssänger Höhner trällert Günther aus dem Aachener Narrenkäfig. Laut Laudatorin Annalena Baerbock von den Grünen sei der Eckernförder CDU-Politiker das Beste, was der Norden neben „Schnaps, Hering und Ostseeküste“ zu bieten habe. Laut der Jury sind es hingegen „Standfestigkeit, trockener Humor und Menschlichkeit im Amt“, die Günther den Titel einbringen.
Sonntag – die Niederlage der Dänen
Von Aachen nach Köln sind es gerade einmal 90 Kilometer. Nicht allzu weit für einen kleinen Abstecher auf der Fahrt zurück Richtung Norden. In der westdeutschen Narrenhochburg geht es heute aber nicht um Karnevalsorden, Funkenmariechen oder schunkelnde Prinzenpaare, sondern um Männer bei der Leibesertüchtigung. An der Seite seines deutsch-dänischen Wirtschaftsministers Claus Ruhe Madsen fiebert Günther mit den dänischen Handballern, die gegen Frankreich im Finale der Europameisterschaft stehen. Geholfen hat den Dänen die Unterstützung der Handballfreunde und -spieler Günther und Madsen nicht. Der Europameister heißt Frankreich.
Dienstag – die Anreise nach Kopenhagen
Die Reisegruppe aus Kiel und Schleswig trifft am frühen Abend nach und nach im Hotel in Rufweite von Schloss Amalienborg in Kopenhagen ein. Günther – jetzt im dunklen Anzug und weißen Hemd statt im Handballtrikot oder mit Narrenkappe – hat über die Staatskanzlei und die deutsche Botschaft bis zuletzt an den Details der Dienstreise gefeilt, die ihm wegen der besonderen Beziehungen von Schleswig-Holstein und Dänemark auch besonders wichtig ist.
Ursprünglich hatte die schleswig-holsteinische Landesregierung schon zeitnah nach der Wiederwahl Günthers zum Ministerpräsidenten im Juni 2022 die dänische Regierungschefin und ihre wichtigsten Minister treffen wollen. Die Dänen hatten nicht ganz so große Eile. Und so kommt es jetzt erst, im Winter 2024, zum Treffen.
Wirtschaftsminister Claus Madsen ist der letzte der Reisegruppe, der an diesem Abend im Kopenhagener Hotel eintrifft. Bei ihm ist es weit nach Mitternacht, als er endlich einchecken kann. Für ihn aber kein Problem, schließlich hat er am nächsten Tag keine herausragende Rolle in der Kieler Truppe zu übernehmen. Denkt er.
Mittwoch – Hotelzimmer statt Regierungschefin
Gerade einmal eine halbe Stunde hat die machtbewusste Sozialdemokratin Mette Frederiksen der Kieler Reisegruppe nach zähen Verhandlungen für diesen Mittag eingeräumt. Und das auch nur einem Teil der mitreisenden Minister. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ist willkommen, Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) ist es wegen seiner Themen auch. Und natürlich Regierungschef Günther. Die Minister für Landwirtschaft und Europafragen (Werner Schwarz), Wirtschaft und Verkehr (also Madsen), Digitalisierung (Dirk Schrödter) und Günthers Dänemark-Beauftragter (Johannes Callsen) müssen – wie die Presse – draußen bleiben.
Die Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten hat vor nicht allzu langer Zeit erst eine politische Reisegruppe aus Kiel arg brüskiert. Das war bei den Feierlichkeiten zu 100 Jahren deutsch-dänischer Grenzziehung, als sie in ihrer Ansprache die 150-köpfige, hochkarätig besetzte Abordnung komplett ignorierte und zudem ein Gespräch mit der Delegationsspitze unterkühlt, manche sagen frostig, frühzeitig beendete.
In diese Gemengelage fällt die Nachricht: Ein Virus hat Reiseleiter Günther niedergestreckt. Wie verhält sich jetzt Frederiksen? Lädt sie den Rest der Mannschaft wieder aus, weil der Regierungschef fehlt? Was wird aus dem weiteren Programm? Was folgt, sind hektische Telefonate zwischen den Staatskanzleien und der deutschen Botschaft. Zur Sicherheit macht sich mit Monika Heinold die (auch nicht gesunde) Vize-Regierungschefin von Kiel aus auf den Weg Richtung Kopenhagen, um Günther zu vertreten. Sie soll, erzählt man sich, schon bis Flensburg gekommen sein, als das Büro Frederiksen signalisierte: Es geht auch ohne Chef oder Stellvertreterin.
Jetzt kommt Claus Madsen ins Spiel. Statt Daniel Günther übernimmt der gebürtige Kopenhagener die Reise- und Stadtführung. Charmant und unterhaltsam parliert er mal auf Deutsch, mal auf Englisch und vor allem auf Dänisch mit der resoluten Sozialdemokratin – und bricht so, wie man sich erzählt, das Eis. Später erzählen Sütterlin-Waack, Goldschmidt und Madsen von einem 30-minütigen „Speeddating“ mit Frau Frederiksen, von guten Gesprächen über den Bau der Fehmarnbeltquerung, den Schutz der Ostsee oder der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Zu mehr als einem wohlwollenden Nicken zu den schleswig-holsteinischen Vorschlägen lässt sich die Regierungschefin dann aber auch von Madsen nicht hinreißen.
Donnerstag – der Tag der Heimreise
Der Rest ist schnell erzählt: Während die Kieler Regierungsmannschaft – erweitert um den SSW-Fraktionschef Lars Harms – mehrere dänische Minister, Firmenchefs und Vertreter der deutschen Minderheit (Bund der Nordschleswiger) trifft, sagt Günthers Büro alle weiteren Termine für den immer noch angeschlagenen Ministerpräsidenten für Donnerstag und Freitag ab. Im Lauf des Donnerstags reist Günther von Kopenhagen ab. Statt zur anstehenden Bundesratssitzung in Berlin geht es nach Hause in Eckernförde.
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Der Dänemark-Bevollmächtigte der schleswig-holsteinischen Landesregierung wertet den Kopenhagen-Besuch und die Termine rund um die Themen Entbürokratisierung, Grenzübertritte, Digitalisierung oder Import von grünem Wasserstoff trotz Günthers Erkrankung als „gewinnbringend“ und „erfolgreich“. Für Johannes Callsen ist es wichtig, jetzt weiter am „Abbau der Barrieren“ zu arbeiten, die die Menschen beidseits der Grenzen behinderten, immerhin pendeln täglich rund 13.000 Deutsche ins Nachbarland. Umgekehrt sind es 500 Dänen, die für ihren Job jeden Tag nach Deutschland kommen. Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gelten als intensiv und eng, Deutschland zählt zu den wichtigsten Außenhandelspartnern Dänemarks, betont die Landesregierung.