Kiel. Kiel soll hohe Darlehen aufnehmen, um damit das Land CO2-frei zu machen. Was die SPD für Hausbesitzer und Mieter plant.

11,6 Milliarden Euro, oder anders aufgeschrieben 11.600.000.000 Euro – so viel Geld will die schleswig-holsteinische SPD an neuen Krediten aufnehmen, um eine „soziale Energie- und Klimatransformation“ im nördlichsten Bundesland zu finanzieren. Zum Vergleich: Nicht viel mehr als diese 11,6 Milliarden Euro nimmt Schleswig-Holstein in einem kompletten Jahr an Steuern, Gebühren und Überweisungen reicher Bundesländer („Länderfinanzausgleich“) ein.

Mit diesem Geld soll der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2030 mehr als halbiert und bis 2040 auf nahezu null gebracht werden. „Der Klimawandel führt zu neuer sozialer Ungerechtigkeit“, sagte Fraktionschef Thomas Losse-Müller, der das Programm „Trafo.SH“ federführend entwickelt und mit weiteren Abgeordneten am Mittwoch vorgestellt hat. Nichts zu tun sei keine Lösung, ohne die Investitionen würden die Schäden durch den Klimawandel weitaus teurer, sagte Losse-Müller auch mit Blick auf die jüngste Ostsee-Sturmflut mit kalkulierten Schäden von mehr als 200 Millionen Euro.

Was die SPD für Hausbesitzer und Mieter in Schleswig-Holstein plant

Die SPD will den CO₂-Ausstoß perspektivisch auf null reduzieren durch Investitionen in die Elektromobilität, in den Aufbau eines Wärmenetzes und in die industrielle Transformation. Mit dem vierten Maßnahmenpaket soll das Land dem Klimawandel angepasst werden, zum Beispiel durch den Bau neuer Deiche. Die vier Schwerpunkte des Transformationsprogramms („Trafo“):

1. Wärmewende: Eine Umstellung von Öl- oder Gasheizungen auf Wärmepumpen inklusive Wärmedämmung, Solaranlage und Batterie kostet Hausbesitzer zwischen 50.000 und 70.000 Euro, so die SPD. Das könnten sich Hunderttausende Schleswig-Holsteiner bei einem Durchschnittsvermögen von 15.000 schlicht nicht leisten.

Statt die Menschen alleinzulassen mit der Aufgabe, will die SPD die Kommunen zum Aufbau von Wärmnetzen nach dänischem Vorbild verpflichten und unterstützen. „Wir bringen die Wärme wie Strom oder Trinkwasser ins Haus“, sagte der SPD-Fraktionschef. Man wolle so Klimaschutz ermöglichen und nicht verordnen. „Für die Klimatransformation müssen Schulden gemacht werden. Wir sind dafür, dass der Staat das übernimmt“, sagte der Abgeordnete Marc Timmer.

Thomas Losse-Müller ist der Fraktionsvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein. Er begründet seine Forderung so: „Die Lösung muss so groß sein wie das Problem.“
Thomas Losse-Müller ist der Fraktionsvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein. Er begründet seine Forderung so: „Die Lösung muss so groß sein wie das Problem.“ © dpa | Christian Charisius

Die SPD hat für ihre Kalkulation öffentlich verfügbare Informationen zusammengetragen – zum Beispiel aus dem Infrastrukturbericht des Landes – und dann von namentlich nicht benannten Experten überprüfen lassen. Herausgekommen seien notwendige Informationen in die Wärmewende von 4,85 Milliarden Euro allein durch das Land. Hinzu kämen weitere rund sechs Milliarden Euro Kosten für Kommunen und Stadtwerke, um Netze zu verlegen, rund 240.000 und damit 40 Prozent der Haushalte anzuschließen und alte Kohle- und Gaskraftwerke zu ersetzen. Die SPD kalkuliert mit Anschlusskosten von rund 30.000 Euro pro Haushalt. Das wäre also ungefähr die Hälfte der Kosten, die Hausbesitzer zahlen müssten, warb Losse-Müller.

Wie sich der Verkehr im Land verändern soll

2. Mobilität: 3,5 Milliarden Euro Investitionen ins Gleisnetz seien nötig, um die Bahn zu den zwei Millionen Menschen zu bringen, die auf dem Land leben. Die 2000 Busse landesweit müssten durch neue Elektrobusse ersetzt werden (Kosten: zwei Milliarden Euro). Inklusive des Aufbaus von 30.000 neuen Ladesäulen, eines Rufsystems für Busse in der Peripherie und Ausbaus des Radwegenetzes kalkuliert die SPD mit Gesamtkosten von 6,5 Milliarden Kosten im Bereich Verkehr.

3. Industrielle Transformation: Die SPD will die 225.000 Jobs in der Industrie in Schleswig-Holstein zukunftsfest machen, 20.000 neue Arbeitsplätze in Zukunftstechnologien schaffen und – wie die CDU – Schleswig-Holstein zum Wasserstoffland Nummer eins machen. Allein für den Aufbau der Wasserstofftechnologie seien Investitionen von 1,3 Milliarden Euro nötig.

4. Klimawandel und Katastrophenschutz: Nicht zuletzt die Sturmflut an der Ostsee habe gezeigt: Die Deiche müssten weiter ausgebaut werden. „Wir müssen zudem investieren in den Ausbau der Kanalisation, den Bau neuer Regenwasserrückhaltebecken und neuer Schöpfwerke“, begründete die Abgeordnete Beate Raudies das kalkulierte Investitionsvolumen von mehr als zwei Milliarden Euro in diesem Bereich.

Antrag an den Landtag, Gespräche mit Fraktionen

Wie es jetzt weitergeht: Alles zusammengerechnet, kommt die SPD auf Kosten von mehr als 15 Milliarden Euro. Da sie von einer Beteiligung des Bundes von etwa 25 Prozent ausgeht, blieben unter dem Strich 11,6 Milliarden Euro übrig. Die Ausgaben wollen die Sozialdemokraten über ein sogenanntes Sondervermögen finanzieren. Also über einen Kredit. Mit der Tilgung will die SPD erst 2035 starten. Fraktion und Partei sind trotz Schuldenbremse überzeugt von der Gesetzeskonformität ihres Antrages. Schließlich handele es sich beim Klimawandel um eine Notsituation.

Die SPD will mit den anderen Fraktionen ihre Ideen besprechen. Die Zeit dafür drängt, soll der Landtag doch schon Ende November über ihren Antrag abstimmen. Am Geld dürfe der Kampf gegen den Klimawandel nicht scheitern, forderte Parteichefin Serpil Midyatli. „Wir dürfen die Menschen nicht alleinlassen mit einer Gemeinschaftsaufgabe.

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Was die Konkurrenz sagt: Für den SSW schlägt die SPD „zahlreiche gute Maßnahmen“ vor. Damit endet aber auch schon das Lob: „Ein Sondervermögen von knapp 12 Milliarden Euro bei einer Laufzeit von 40 Jahren würde den Landeshaushalt mit rund 300 Millionen Euro pro Jahr belasten“, sagt Fraktionschef Lars Harms. Der marktübliche Zins sei über so lange Laufzeiten nicht kalkulierbar. „Ein Sondervermögen in dieser Höhe wäre ein unverantwortlicher finanzpolitischer Blindflug.“