Kiel. Wie das Land hilft, skizzierte Ministerpräsident Daniel Günther in einer Regierungserklärung. Alle Parteien loben Rettungskräfte.

Zinsgünstige Darlehen für Flutopfer an der Ostsee, Zuschüsse für die am schlimmsten Betroffenen, Steuererleichterungen, ein Wiederaufbaufonds für die zerstörte (touristische) Infrastruktur und einen besseren Küstenschutz. So reagiert Schleswig-Holstein auf die Jahrhundertsturmflut von vor zwei Wochen. Das kündigte Ministerpräsident Daniel Günther in einer Regierungserklärung am Freitag an.

Der CDU-Politiker, der neben anderen Kabinettsmitgliedern in den Tagen nach dem Hochwasser die verheerenden Zerstörungen zwischen Flensburg und der Lübecker Bucht begutachtet hatte, sprach in einer Sondersitzung des Landtags von einem „Bild der Zerstörung“. Deiche, Häuser, Hafenanlagen, Restaurants, Straßen und Wege wurden bei der „schweren Naturkatastrophe“ (Günther) verwüstet, Strände und Promenaden weggespült. Der Ministerpräsident sagte zu, die Ostseeküste, „so schnell es geht, wieder sturmflutsicher zu machen. Und ich versichere den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern, dass wir ihnen schnell und unbürokratisch helfen“, versprach der Regierungschef.

Sturmflut im Norden – Wiederaufbaufonds über 200 Millionen Euro

Die Hilfe, auf die sich das Kabinett intern und in Gesprächen mit den Kommunen verständigt hat, sieht so aus: Flutopfer können Darlehen bis zu einer Höhe von 50.000 Euro mit einem Zinssatz von einem Prozent und einer Laufzeit von fünf Jahren beantragen. Die Tilgung beginnt erst ab Jahr zwei. Damit sind die Konditionen deutlich besser als alles, was Banken zurzeit anbieten. Extremen Härtefällen, so Günther, werde das Land Teile des Darlehens als Zuschuss gewähren, das Geld muss also nicht zurückgezahlt werden. Betroffene Gastwirte, Hoteliers oder Campingplatzbesitzer, als drei Beispiele, können sich ihre Steuerzahlungen erst einmal stunden lassen.

Zudem legen Land und Kommunen einen gemeinsamen Wiederaufbaufonds von 200 Millionen Euro auf, aus dem Straßen und Wege, Deiche, Strände und Hafenanlagen wieder hergerichtet werden sollen – und das möglichst vor Beginn der nächsten touristischen Saison. Zur Finanzierung des Landesanteils an diesem Wiederaufbaufonds hat das Kabinett in dieser Woche ein sogenanntes Sondervermögen beschlossen.

Brief an Olaf Scholz: Bund muss helfen!

CDU-Politiker Günther und SPD-Politikerin Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, haben in dieser Woche Bundeskanzler Olaf Scholz in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, sich am Wiederaufbau der Küstenregionen an der Ostsee zu beteiligen – und zwar zügig. Man erwarte wie bei der Ahr-Flut vor zwei Jahren solidarische Hilfe bei der Beseitigung der akuten Schäden. Günthers Begründung: Die Sturmflut habe ein Ausmaß gesamtstaatlicher Tragweite erreicht.

Die Nordländer fordern vom Bund, sich nicht nur an der Beseitigung der Schäden zu beteiligen, sondern auch einen besseren Küstenschutz mitzufinanzieren. „Die derzeit vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel für die schleswig-holsteinischen Küstenschutzmaßnahmen an Nord- und Ostsee genügen den steigenden Herausforderungen in Folge des Klimawandels nicht mehr“, sagte Günther.

Schleswig-Holstein muss sich auf Klimawandel einstellen

Denn die Wetterextreme nähmen zu, die Wasserstände stiegen, das Klima erwärme sich. „Daran müssen wir uns anpassen“, forderte Günther. Im Fokus hat er dabei zuallererst die sogenannten Regionaldeiche an der Ostsee. Anders als die Landesdeiche hätten die Deiche in kommunaler Verantwortung vor 14 Tagen nicht überall den Wassermassen standgehalten. Mit Blick auf den Klimawandel müsse man Schleswig-Holstein sturmfest machen, Land und Leute schützen, sagte der Regierungschef.

Für ihn hat die Instandsetzung beschädigter Deiche höchste Priorität: „Wir stehen erst am Anfang der Sturm-Saison. Deshalb ist es aktuell die wichtigste Aufgabe, diese Arbeiten so schnell wie möglich abzuschließen.“ Günther dämpfte zugleich überzogene Erwartungen. Das Land helfe schnell und entschlossen, aber die Schäden würden an der Ostsee noch lange sichtbar bleiben, sagte er.

In dem Brief an den Bundeskanzler hatten die Nordländer auch eine Pflicht zu einer Elementarversicherung gefordert, die auch Sturmflutschäden abdecke. Die gibt es in der Art noch nicht, wodurch viele Menschen an der Ostseeküste nicht gegen die Zerstörung von vor 14 Tagen versichert sind.

Sturmflut im Norden: Großes Lob für Einsatzkräfte und Hilfsbereitschaft

Die Sondersitzung des Landtags war von großer Einmütigkeit geprägt. So dankten neben Günther Abgeordnete aller Fraktionen den Tausenden ehrenamtlichen und hauptberuflichen Einsatzkräften. Schleswig-Holstein stehe fest zusammen, hieß es am Freitagmorgen gleich mehrfach. Durch das „herausragende Engagement der Hilfskräfte“ seien noch schlimmere Zerstörungen verhindert worden. „Die Hilfsbereitschaft war sehr groß, der Zusammenhalt beeindruckend“, sagten so oder in ähnlichen Worten neben Günther Thomas Losse-Müller (SPD), Tobias Koch (CDU), Lasse Petersdotter (Grüne), Christopher Vogt (FDP) und Lars Harms (SSW).

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Unklar ist noch, wie das hoch verschuldete Land Schleswig-Holstein das Geld für den Wiederaufbaufonds aufbringen will. Die Opposition sicherte der Landesregierung jedenfalls zu, die Finanzierung der Hilfsprogramme gemeinsam zu konkretisieren. FDP-Fraktionschef Vogt verwies auf laufende Notkredite, die nicht ausgeschöpft seien. Er erinnerte aber auch an die Stadt Lauenburg und mahnte: Die Menschen dort warteten auch zehn Jahre nach dem verheerenden Elbe-Hochwasser noch immer auf zugesagte Hilfe.

Neben einer immensen Hilfsbereitschaft habe sich in den Tagen der Flut auch die „hässliche Seite der Gesellschaft“ gezeigt. Das sagte Oppositionsführer Thomas Losse-Müller. So kursierten Fotos von dem Auto, in dem in der Sturmnacht eine junge Frau auf Fehmarn starb, schon im Netz, noch bevor die Familie über den schrecklichen Unfall informiert werden konnte. Schaulustige hätte von Tag eins an die Arbeit der Rettungskräfte behindert. „Mitten durch das Chaos des Sturms und den Abwehrkampf gegen die Gewalten des Meeres sind Menschen marschiert, um die besten Videos für ihren Instagram-Account zu machen. Absperrungen wurden ignoriert, Aufräumarbeiten behindert“, kritisierte Oppositionsführer Losse-Müller. Aus Gier nach Klicks und Aufmerksamkeit ließen manche Menschen Vernunft und Anstand vergessen, sagte er unter Applaus