Olpenitz. Abendblatt-Autorin Sophie Laufer hat ein Buch über die Schlei geschrieben. Lesen Sie hier das Kapitel über die Region Angeln.
„Und ich freu mich auch, denkt Martha, oh Gott sei Dank, ich freu mich auch! Und zum Glück ist da jetzt wirklich wieder dieses Gefühl, auf das sie bis eben vergeblich gewartet hat, zuerst auf der verregneten Fahrt und dann hier in Matsch und Grau.
Das wunderbare Sommerby-Gefühl, das sie im Sommer zum ersten Mal erlebt hat, das Sommerby-Glücksgefühl. Ich bin wieder hier!, denkt Martha. Ich bin tatsächlich wieder hier!“
Ostsee: Hier in Schwansen ist Kirsten Boies zweites Zuhause
Sommerby gibt es wirklich, es liegt in der Nähe von Olpenitz in Schwansen, kurz hinter Kappeln, direkt gegenüber von Maasholm und kurz bevor die Schlei in die Ostsee mündet. Das hier ist einer der schönsten Orte in der Region, und trotzdem wird man ihn auf keiner Landkarte und in keinem Navigationssystem finden.
Sommerby heißt in Wahrheit nicht Sommerby, den Namen hat sich die Kinderbuchautorin Kirsten Boie ausgedacht. Drei ihrer Bücher spielen an der Schlei, der zweiten Heimat der Hamburger Ehrenbürgerin. Und wer ein Gefühl für die Region in verschiedenen Jahreszeiten bekommen will, dem wird es in den wunderbaren Geschichten so authentisch vermittelt wie nirgendwo sonst.
Kirsten Boie liebt die Gegend an der Schlei
Kirsten Boie macht ein Geheimnis daraus, wo sie Sommerby exakt verortet – doch wer auf der Schlei mit einem Boot in Richtung Ostsee fährt, kann sich vorstellen, dass genau hier, in einem der Reetdachhäuser auf der rechten Seite unweit des Dörfchens Olpenitz, wohl Oma Inge, so heißt die Hauptfigur in den Sommerby-Bänden, leben würde.
Auch Boie bewohnt mit ihrer Familie seit rund 20 Jahren eine alte Tagelöhnerkate zwischen Kappeln und der Ostsee. Hier sind viele ihrer Bücher entstanden, hierher zieht sie sich zum Schreiben zurück. „Manches Mal fließt es hier oben geradezu aus mir heraus“, sagt sie. „Ich glaube, die Ruhe ist dabei sehr wichtig. Ich werde viel seltener abgelenkt.“ Boie liebt die Gegend, wie sich an ihrem Vorwort für dieses Buch unschwer erkennen lässt.
Offiziell gehört das Dorf Olpenitz seit 1970 zu Kappeln
Das Dorf Olpenitz ist ein kleines, gewachsenes Örtchen auf der Halbinsel Schwansen, die an drei Seiten an Wasser angrenzt, im Süden ist es die Eckernförder Bucht, im Osten die Ostsee und im Norden die Schlei. Der Name der Region stammt vermutlich vom Schwansener See in der Gemeinde Dörphof. Offiziell gehört Olpenitz seit 1970 zu Kappeln.
„Das schöne Dorf“ steht auf einem Schild gleich hinter dem Ortseingang, und dem ist wenig hinzuzufügen. Viele nette kleinere und größere Häuser lassen sich entdecken, manche mit und manche ohne Reetdach, nicht wenige haben direkten Schleizugang oder Schleiblick. Wenn man die Dorfstraße bis zum Ende fährt, hat man freie Aussicht auf das Wasser – und auf das andere Olpenitz, das in den vergangenen Jahren für viele Schlagzeilen gesorgt hat und das man mit dem Dorf genauso wenig verwechseln kann wie den FC Bayern München mit dem FC St. Pauli.
Aus dem Marinestützpunkt Olpenitz wird ein riesiges Ferienresort
Das andere Olpenitz war früher ein Marinestützpunkt, bis Investoren auf die Idee kamen, auf dem riesigen Areal Ferienhäuser und Ferienwohnungen zu bauen. Entstanden ist eine Trabantenstadt mit Gebäuden, wie man sie eher aus den USA kennt, und bald rund 5000 Betten. Wer von dem Dorf ins Ferienresort Olpenitz fährt, reist in eine andere Welt, die wenig bis nichts mit dem Rest der Schleiregion zu tun hat – und trotzdem begehrt ist.
Zufall oder nicht: In der Nachbarschaft von Olpenitz liegt mit Damp 2000 ein Ferienzentrum, das mit dem zukunftsträchtigen Namen im Jahr 1968 geplant wurde und das heute vor allem für seine Hochhäuser bekannt ist, in denen Kliniken und Rehaeinrichtungen ihren Sitz haben. Seien wir fair: Gegenüber Damp 2000 ist das neue Olpenitz ein wirklich schöner Platz.
Das schönste Dorf der Region ist der kleine Ort Sieseby
Viel schöner ist es aber, wenn man das Ferienresort wieder verlässt und mit dem Auto oder dem Fahrrad ins Landesinnere fährt, Richtung Schleswig. Immer wieder taucht die Schlei auf der rechten Seite auf, sie weist den Weg zu dem mit Abstand sehenswertesten Ort in diesem Teil der Region: Sieseby gehörte ursprünglich dem Hamburger Kaufmann Gustav Anton Schäffer.
Bis heute erinnern daran die Initialen G.A.S., die an vielen der typischen Reetdachhäuser zu finden sind. 1887 erwarb die Herzogsfamilie Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg zusammen mit Gut Bienebek den Ort. Bis heute gehören den Nachkommen die Katen, die hier und da in die Jahre gekommen sind, was nicht nur der dicke Moosbefall auf vielen Reetdächern belegt. Seit 2000 steht Sieseby als sogenanntes Flächendenkmal in Schleswig-Holstein unter Denkmalschutz.
Im Gasthof Alt Sieseby kocht seit 2016 Maria von Randow
Gleich hinter dem Ortseingang liegt der Gasthof Alt Sieseby von 1867. Das majestätische Gebäude, eines der wenigen ohne Reetdach, hat 2016 die Gastronomin Maria von Randow gekauft und umgebaut. „Wegen des Denkmalschutzes mussten wir uns an viele Vorgaben halten“, sagt sie. Seit 2007 kocht die freundliche Frau in der Region, zuvor nicht weit weg im Rieseby Krog, der Ort liegt ein paar Kilometer entfernt.
In den vergangenen Jahren wurde von Randow immer wieder in verschiedenen Restaurantführern ausgezeichnet. Einen Stern möchte sie sich allerdings nicht erkochen. „Wir wollen einfache, genussvolle Küche anbieten, mehr nicht.“ Sieseby hat noch ein zweites Restaurant zu bieten, das viele Jahre als Schlie-Krog bekannt war und wenige Meter von der Schlei entfernt liegt. Heute wird es von Ira und Jan Fischer betrieben, einem jungen Paar aus Arnis – der Stadt, die Sieseby gegenüber liegt. Das Schliehuus 54 ist eine Perle. Und von dem Parkplatz gleich gegenüber des schönen Restaurants beginnen viele Spaziergänge entlang der Schlei.
Direkt an der Schlei führt ein wunderschöner Wanderweg entlang
Direkt am Wasser kann man sowohl in Richtung Kappeln als auch in Richtung Schleswig laufen. Immer wieder stehen Bänke entlang des Weges, an Stellen, die eigentlich zu schön sind, um wahr zu sein. Wie heißt es auf einem Schild neben einer solchen Bank, das auf den Pilgerweg Siesebys hinweist und das im Schatten der Dorfkirche steht: „Manchmal muss man sich einfach nur auf eine Bank am Ufer setzen, um den Wirren der Welt zu entgehen. Ein Freiraum am Wegesrand, von dem aus man das Leben aus angenehmer Entfernung betrachtet. In Ruhe auf alles schaut wie ein friedlicher Gott.“ Und dabei irgendwie an Sommerby und Kirsten Boie denken muss.
Nicht weit von Sieseby liegt Rieseby, die beiden Orte werden gern verwechselt. Rieseby ist ein größeres Dorf unter den vielen kleinen am Wasser. Es wirkt auf den ersten Blick unspektakulär, hat aber die Güter Krieseby, Saxdorf, Büstorf und Stubbe zu bieten. Letzteres wurde 2005 von dem Hamburger Reeder Bernd Kortüm übernommen und modernisiert. Hier leben Aberdeen Angus Rinder genauso wie die Angler Sattelschweine und jede Menge Gänse und Hühner. Dazu gibt es einen großen Obsthof, ein Café und einen Hofladen.
Kortüm verstarb im Mai 2021, seine Erben betreiben das historische Gut, dessen Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Aus Gut Saxdorf sollte eigentlich eine Ferienanlage mit Spa, Ferienwohnungen und einem Hotel werden. Die Pläne gibt es schon etwas länger, ob sie umgesetzt werden, ist unklar.
Auf das Internat Louisenlund haben schon viele Eltern ihre Kinder geschickt
Und dann gibt es, gar nicht so weit entfernt, den Ort, der weit über die Grenzen des Landes bekannt ist und dem es lange vor allem zu verdanken war, dass Menschen überhaupt wussten, wo die Schlei liegt. Louisenlund.
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Hamburger, Schleswig-Holsteiner, aber auch Eltern aus Süddeutschland schicken in dem gleichnamigen Internat ihre Söhne und Töchter zur Schule. Viele Prominente besuchten Louisenlund, beispielsweise Enno Freiherr von Ruffin, Inhaber des Gutes Basthorst bei Hamburg, der Kaffee-Unternehmer Albert Darboven, Reeder Nikolaus W. Schües, der Hamburger Bankier Max M. Warburg, Schauspieler Oliver Mommsen oder die Tochter von Til Schweiger, Lilli Schweiger.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Louisenlund die Schule gegründet
Das Herrenhaus des Internats war die Sommerresidenz des Landgrafen Karl von Hessen-Kassel und seiner Frau Louise. Nach ihr ist das Gut auch benannt. Später ging es an die herzogliche Familie Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, Friedrich von Schleswig-Holstein gründete hier nach dem Zweiten Weltkrieg die Schule. Auch hier gilt: Ein Abstecher zu dem wunderschönen Haus und dem sogenannten Freimaurerpark, angelegt Mitte des 18. Jahrhunderts im englischen Stil mit Bauwerken im freimaurerischen Stil, lohnt in jedem Fall.