Hamburg/Schleswig. Der Jurist hält das damalige Verbot in Corona-Zeiten, sein Ferienhaus zu nutzen, für verfassungswidrig. Wie es nun weitergeht.

Die eigenen vier Wände quasi unerreichbar. Eine Verbotszone. Für viele Hamburger war das in der Anfangszeit der Corona-Pandemie für ihre Immobilien in Schleswig-Holstein traurige Realität. Wer einen Zweitwohnsitz beispielsweise in St. Peter-Ording oder an der Schlei besaß, durfte dort nicht hin.

Die Hamburger waren im nördlichen Nachbarland wegen der vermeintlichen Infektionsgefahr unerwünscht. So hatte es der sogenannte Zweitwohnerlass geregelt. Weil dieses Nutzungsverbot nach seiner Überzeugung verfassungswidrig ist, zog der Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Felix Reiche vor Gericht. Das war im Frühjahr 2020. Jetzt, erst mehr als drei Jahre später, hat das Verwaltungsgericht Schleswig in der Sache verhandelt.

Prozess: Zweitwohnung in SPO – Hamburger scheitert mit Klage

Das Ergebnis: Die Klage wurde abgewiesen. Doch damit will Jurist Reiche sich nicht zufriedengeben. „Es ist wahrscheinlich, dass wir den weiteren Rechtsweg bestreiten werden“, sagte der Hamburger dem Abendblatt. Das heißt: Er wird wohl Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht einlegen. „Es geht mir nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, um unsere rechtsstaatliche Ordnung“, erklärte der Hamburger Anwalt. „Das Grundgesetz muss insbesondere dann gelten, wenn es eine Krise gibt.“

Rechtsanwalt Prof. Dr Felix Reiche vor dem Verwaltungsgericht Schleswig.
Rechtsanwalt Prof. Dr Felix Reiche vor dem Verwaltungsgericht Schleswig. © Bettina Mittelacher

Und dass die Welt und damit auch Deutschland es bei Corona mit einer Krise zu tun hatte, das dürfte wohl jeder noch in Erinnerung haben. Die Pandemie durch Covid-19 forderte sehr viele Todesopfer. Und sie bedeutete zugleich erhebliche Einschränkungen im täglichen Leben wie beispielsweise geschlossene Schulen und Kindergärten, Besuchsverbote in Kliniken, Maskenpflicht.

Corona: Hamburger mussten Zweitwohnungen verlassen

In Schleswig-Holstein kam zumindest in der Anfangszeit von Corona außerdem das Verbot unter anderem für Hamburger hinzu, ihre Ferienimmobilien zu nutzen. Begonnen hatte dies am 20. März 2020. Damals hatten mehrere Kreise in Schleswig-Holstein, darunter Nordfriesland und Ostholstein, mittels Allgemeinverfügungen die Besitzer von Ferienhäusern und -wohnungen aufgefordert, Schleswig-Holstein bis Sonntag um null Uhr zu verlassen.

Daraufhin war es teilweise zu unschönen Szenen zwischen den Einheimischen und den Zweitwohnungsbesitzern gekommen. Viele Hamburger, die dort eigene vier Wände besaßen, reisten daraufhin ab – oder fuhren erst gar nicht hin.

Zweitwohnung: Regelungen wurden schließlich geändert

Dann wurden die Bestimmungen nach einem Gespräch zwischen Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) geändert. Die neuen Regelungen besagten, dass Zweitwohnungsbesitzer, die sich in Schleswig-Holstein aufhielten, dort bleiben durften.

Beispielsweise im Kreis Nordfriesland allerdings galten die Nutzungsverbote mehr als sechs Wochen lang, konkret in der Zeit vom 20. März bis zum 4. Mai 2020. Sie wurden in vier aufeinander folgenden Bestimmungen geregelt. Gegen diese vier Nutzungsverbote für Zweitwohnungen in Nordfriesland hatte Jurist Reiche, der in St. Peter-Ording ein Ferienhaus besitzt, Rechtsmittel zum Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eingelegt.

Unerwünscht in St. Peter-Ording: Kläger sieht Grundrechte verletzt

Verfassungswidrig seien die Nutzungsverbote unter anderem deshalb, so Reiche in seiner Klage, weil dadurch die Grundrechte auf Freizügigkeit und Eigentum verletzt worden seien. Außerdem sei eine rechtlich bindende Entscheidung auch für die Zukunft erforderlich, argumentierte der Hamburger in seiner Klage.

Das Problem müsse grundsätzlich juristisch aufgearbeitet werden. Schließlich sei es möglich, meint der Jurist, dass es erneut zu Krisen komme wie zu den Hochzeiten der Corona-Epidemie – und dass dann wieder Hamburgern verweigert werden solle, ihre Zweitwohnungen zu nutzen.

WHO: „Die nächste Pandemie kommt bestimmt“

So argumentierte der Hamburger Anwalt jetzt auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Die entscheidenden Passagen des Infektionsschutzgesetzes seien weiterhin in Kraft, also dürfe die Seuchenschutzbehörde theoretisch nach wie vor weitreichende Maßnahmen treffen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe „gewarnt, dass die nächste Pandemie bestimmt kommt“, sagte Reiche. Also bestehe auch bei bestimmten Beschränkungen – wie dem Nutzungsverbot für Zweitwohnungen – „Wiederholungsgefahr“. Die damaligen Allgemeinverfügungen hätten eine „beispiellose Beschränkung“ für die Zweitwohnungsbesitzer bedeutet, die ihre Häuser und Wohnungen nicht nutzen durften. Außerdem seien viele Menschen von Nachbarn angefeindet worden.

Zweitwohnungen: „Es gab eine Gefahr, auf die wir uns einstellen mussten“

Dabei habe es ohnehin generelle Kontaktverbote gegeben, so der Anwalt. „Wir wissen bis heute nicht, welchen zusätzlichen Effekt es zu den bestehen Kontaktverboten haben sollte, ein Nutzungsverbot für Zweitwohnungen auszusprechen.“

Die Gegenseite, ein Vertreter des Kreises Nordfriesland, argumentierte, es habe damals eine „Gefahr gegeben, auf die wir uns einstellen mussten“. Entscheidend sei gewesen zu überlegen, was zu tun sei, wenn es zu hohen Infektionszahlen komme. Damals habe niemand über entsprechende Erfahrungswerte verfügt. Seiner Überzeugung nach, so der Beamte, komme es darauf an: „Welche rechtliche Einschätzung hatten wir damals?“

Nutzungsverbot von Zweitwohnungen: Es gab auch Verfassungsbeschwerde

Jurist Reiche führte dagegen an, dass die Verwaltung damals aufgerufen gewesen sei, „Gefahrenprognosen tatsachenbasiert zu treffen. Und das haben Sie schlicht nicht gemacht!“ Der Anwalt appellierte an das Verwaltungsgericht. „Kümmern Sie sich um effektiven Rechtsschutz!“ Wenn die Kammer dies nicht tue, könne es für die Verwaltung leichter sein, in Zukunft in vergleichbaren Situationen ähnlich zu handeln. „Das würde Schule machen.“

Neben seiner Klage zum Verwaltungsgericht hatte Reiche auch eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Doch das Bundesverfassungsgericht hatte eine Entscheidung nicht treffen wollen. Die Karlsruher Richter meinten, dass vorrangig das Verwaltungsgericht darüber befinden muss, ob die Nutzungsverbote für Zweitwohnungen verfassungswidrig sind.

Prozess: Zweieinhalb Jahre wurde über Klage nicht verhandelt

Doch beim Verwaltungsgericht Schleswig war die Klage über lange Zeit nicht verhandelt worden. Man „bedauere, dass es noch nicht zu einer Entscheidung kommen konnte“, sagte im vergangenen September eine Gerichtssprecherin auf eine Anfrage des Abendblatts. Andere, zum Teil ältere und Eilverfahren, hätten Vorrang, hieß es. Deshalb sei die zuständige Kammer noch nicht dazu gekommen, den Fall zu entscheiden.

Dass sich das Verfahren so sehr hinzog, hatte Jurist Reiche sehr geärgert, weil seine Klage schon seit sehr langer Zeit „entscheidungsreif beim Verwaltungsgericht liegt“, sagte der Anwalt damals dem Abendblatt. Es stehe zu befürchten, dass sich das Verwaltungsgericht eines Tages auf den Standpunkt stellen werde, dass ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an einer Entscheidung über Nutzungsverbote „einfach nicht mehr besteht“.

Prozess wegen Zweitwohnung: Klage wurde als unzulässig abgewiesen

Und so lautete in der Verhandlung jetzt auch die Überlegung der Kammer. Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Es handele sich bei den Nutzungsverboten um „Allgemeinverfügungen, die sich alle erledigt haben“, sagte die Vorsitzende Richterin. Wenn eine Wiederholungsgefahr angenommen werden solle, brauche es dafür „die gleichen und tatsächlichen Verhältnisse“ wie damals. Das dürfte „sich erübrigt haben. Wir haben nicht mehr die gleichen Voraussetzungen wie im März 2020.“

Also genau das, was Jurist Reiche schon düster prognostiziert hatte. „Das ist extrem ärgerlich und auch sehr enttäuschend, wie sich die Gerichtsbarkeit aus der Verantwortung stiehlt.“