Hamburg. Thomas Falk und seine Frau wollten in Ägypten Silberhochzeit feiern. Doch die Traumreise wurde zur Todesfalle. Die Witwe erinnert sich.

Es sollte eine Traumreise werden. Nachträglich die Silberhochzeit zu feiern in einem Land, das sie schon immer fasziniert hat. Thomas und Susann Falk wollten die Stätten in Ägypten besuchen, die sie aus einem ihrer Lieblingsfilme kannten, Agatha Christies „Tod auf dem Nil“. „Im Nachhinein klingt es wie ein trauriges Omen“, erzählt Susann Falk heute. „Niemals hätte ich geglaubt, dass dieser Filmtitel für uns quasi zum Schicksal werden würde.“ Denn ihr Mann Thomas starb wenige Tage nach einer Nilkreuzfahrt im ägyptischen Hurghada. Der Hamburger Feuerwehrmann war der erste Deutsche, der jener Virusinfektion erlegen ist, die heute die ganze Welt bedroht und lähmt. Corona.

„Wir sehen uns dann übermorgen!“ Das waren die letzten Worte, die Susann Falk von ihrem Mann hörte – entschieden, optimistisch, so typisch für ihn. Kein Pathos, kein Drama, wieso auch? Das Ehepaar wäre nie auf die Idee gekommen, dass es ein Abschied für immer sein würde. Dass die 59-Jährige ihren Mann, den sie seit der dritten Klasse kannte und mit dem sie bald einen sorglosen und aktiven Ruhestand genießen wollte, niemals wiedersehen würde.

Abends klingelten zwei Polizisten an der Haustür

Es war Freitag, der 6. März, Thomas Falk lag in Hurghada in einer Klinik, und das Ehepaar ging davon aus, dass der robuste 59-Jährige sich lediglich eine hartnäckige Erkältung eingefangen hat, vielleicht maximal eine beginnende Lungenentzündung. „Mein Mann insistierte, dass ich nach unserer zweiwöchigen Ägyptenreise meinen geplanten Rückflug nehmen sollte“, erzählt die Frau aus dem schleswig-holsteinischen Basedow dem Abendblatt. „Er wollte zwei Tage später nachreisen.“

Doch er kam nicht. Stattdessen kam die Todesnachricht. Am 8. März, so erinnert sich die gebürtige Hamburgerin, klingelten zwei Polizisten abends an ihrer Haustür. „,Wir müssen Ihnen leider die Mitteilung machen: Ihr Mann ist verstorben‘, sagten die Beamten“, erzählt Susann Falk. „Es war wie im ,Tatort‘, unfassbar. Ich war geschockt. Meine ganze Welt ist zusammengebrochen.“

Weiterer Anruf des Gesundheitsamts

Die Polizisten hätten ihr auch gesagt, dass ihr Mann durch das Coronavirus gestorben sei. Und dass sie von jetzt an in Quarantäne sei, wegen der Ansteckungsgefahr. Einige Stunden vorher hatte ihr 20 Jahre alter Sohn Tobias noch eine Nachrichtensendung gehört, in der es hieß, es habe ein 59 Jahre altes Coronaopfer in Hurghada gegeben. „Da meinten wir zwar, das könnte vom Alter her hinkommen. Aber wir hatten keinen Moment den Gedanken, dass das wirklich mein Mann ist.“

Es war die erste Fernreise seit etlichen Jahren. Das Ehepaar wollte nachträglich die Silberhochzeit feiern.
Es war die erste Fernreise seit etlichen Jahren. Das Ehepaar wollte nachträglich die Silberhochzeit feiern. © | Falk

Vom Gesundheitsamt bekam Susann Falk wenig später die Anweisung, nach Geesthacht zu fahren, um selber einen Abstrich machen zu lassen. Er war negativ, sie war gesund. Und kurz danach erfolgte ein weiterer Anruf des Gesundheitsamts mit der Mitteilung, dass sie angezeigt worden sei. Jemand hatte sie beschuldigt, trotz Quarantäne einkaufen gegangen zu sein. „Diese Anzeige kam noch hinzu, zu dem ganzen Elend, zu der Dramatik.“

Aufwendiger bürokratischer Akt

Susann Falk war es wichtig, ihren verstorbenen Mann von Ägypten nach Hause zu holen, ein aufwendiger bürokratischer Akt. Am 20. März war es so weit. Der Leichnam wurde ins Hamburger Institut für Rechtsmedizin übergeführt. „Ich wollte eine Obduktion, um zu wissen, woran er gestorben ist. Das wäre auch in Thomas’ Sinn gewesen“, erzählt die Witwe.

Thomas Falk wird in einer zweiten Klinik in Hurghada behandelt.
Thomas Falk wird in einer zweiten Klinik in Hurghada behandelt. © Falk | Falk

„Die Familie hat uns gebeten, den Fall detailliert zu untersuchen“, bestätigt Prof. Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am UKE. Den Leichnam nach Deutschland zu bringen habe relativ lange gedauert. Aber da er „professionell einbalsamiert“ gewesen sei, sei er gut erhalten gewesen. „Durch die Virologen des UKE ist ein Nachweis des Coronavirus gelungen, mit relativ hoher Aktivität“, erklärt Püschel. „Wir haben zudem eine für die Virusinfektion typische Entzündung der Atemwege und des Lungengewebes festgestellt. Der Mann ist eindeutig an Covid-19 gestorben.“

Viele der Verstorbenen hatten vorgeschädigte Organe

Die Hamburger Rechtsmediziner, die seit diesem ersten Fall bisher auch jeden weiteren Hamburger Toten mit Verdacht auf Coronainfektion obduziert haben, stellten fest, dass viele der Verstorbenen vorgeschädigte Organe hatten und beispielsweise auch als starke Raucher oder durch Übergewicht zu einer Risikogruppe gehörten. „Es ist wichtig, alle Toten genau zu untersuchen, um für die Lebenden zu lernen“, betont Püschel.

Susann und Thomas Falk machten eine Kreuzfahrt auf dem Nil und Ausflüge nach Luxor und ins Tal der Könige.
Susann und Thomas Falk machten eine Kreuzfahrt auf dem Nil und Ausflüge nach Luxor und ins Tal der Könige. © Falk | Falk

Im Fall des verstorbenen Feuerwehrmanns sei überraschend für die Angehörigen des Opfers, aber nicht für die Rechtsmedizin gewesen, dass der 59-Jährige, ohne es zu wissen, erhebliche Vorerkrankungen hatte, unter anderem ein vorgeschädigtes Herz. „Es gibt Situationen, wo es heißt, jemand sei gesund, sportlich und belastbar. Und dann stellen wir bei der Obduktion fest, dass innere Organe erheblich vorgeschädigt waren“, so der Rechtsmediziner. „Das gibt es auch bei jüngeren Leuten.“

Feuerwehrmann war gut in Form

Susann Falk kann die Nachricht, dass ihr Mann Vorerkrankungen hatte, noch gar nicht richtig fassen. „Er war ein extrem aktiver Mann. Er war gut in Form. Es passt einfach nicht in meinen Kopf, dass er erkrankt war“, erzählt die Witwe. Auch die medizinischen Tests, denen er sich als Feuerwehrmann jährlich unterziehen musste, seien stets ohne Befund gewesen. „Thomas war 35 Jahre bei der Hamburger Feuerwehr, er war sehr engagiert, unter anderem bei der Wache in Wandsbek und zuletzt zehn Jahre in der Personalabteilung am Berliner Tor. Da musste er sehr viele Entscheidungen treffen, und Gerechtigkeit war ihm wichtig“, erzählt die 59-Jährige. „Zu Hause bei uns im Ort war dann sein Refugium. Hier arbeitete er im Garten, ging oft joggen, fuhr viel Rad.“

In einer Privatklinik in Hurghada bekam Thomas Falk auf der Intensivstation Sauerstoff.
In einer Privatklinik in Hurghada bekam Thomas Falk auf der Intensivstation Sauerstoff. © Falk | Falk

Als das Paar am 22. Februar zu seinem zweiwöchigen Ägypten-Urlaub aufgebrochen war, war das Coronavirus im wahrsten Sinne noch weit weg. „Natürlich kannten wir die schlimmen Nachrichten aus China, und es hieß, in Bayern gebe es die ersten deutschen Fälle“, erzählt Susann Falk. „Aber nach unserem Reisestart hörten wir nichts mehr von dem Virus, sondern erst wieder auf dem Rückflug. Als ich zurückkam und all die Beschränkungen erlebte, von den Kranken und Toten in anderen Ländern erfuhr, war das wie eine fremde Welt.“

Die Falks genossen die Kreuzfahrt auf dem Nil

Zwei Wochen zuvor noch war alles gut. „Ägypten war unsere erste Fernreise seit etlichen Jahren.“ Seit 1987 sind die beiden ein Paar, sie zogen aus Hamburg-Hamm, wo sie als Kinder in derselben Straße aufgewachsen waren, nach Basedow, im Jahr 1999 kam ihr Sohn Tobias auf die Welt. Seitdem blieb die gelernte Apothekenhelferin zu Hause. Es gab kleinere Urlaubsreisen zu dritt, vor allem auf Campingplätzen.

Jetzt in ihrem Sehnsuchtsland Ägypten genossen Thomas und Susann Falk die Kreuzfahrt auf dem Nil, den Ausflug nach Luxor und ins Tal der Könige, die Besichtigung von Pharaonengräbern. Am 28. Februar auf einer Fahrt nach Abu Simbel habe ihr Mann über Schwindel und Flimmern vor den Augen geklagt. Er habe geschwitzt und dann gefroren. Die nächsten zwei Tage, die Auftakt einer Badewoche in Hurghada am Roten Meer sein sollten, fühlte er sich immer wieder schlapp, bekam am 2. März nächtlichen Schüttelfrost, Husten und möglicherweise Fieber. „Wir dachten, er habe sich eine Erkältung eingefangen, sei vielleicht auch dehydriert. Das Thema Virus war nicht auf dem Tisch.“

Hohes Fieber und Husten

Einen Tag später rief Susann Falk den Hotelarzt, der ihrem Mann Hustensaft, eine Infusion und ein Antibiotikum verabreicht habe. Am 5. März habe sich sein Zustand verschlechtert, mit hohem Fieber und Husten, dass der Arzt Thomas Falk in eine Privatklinik geschickt habe, wo unter anderem die Lunge des Feuerwehrmanns geröntgt wurde. In der kommenden Nacht wurde der 59-Jährige in eine andere Klinik verlegt und kam dort auf die Quarantänestation. „Ich war entsetzt über die hygienischen Verhältnisse dort“, erzählt Susann Falk.

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Sie machte Handyfotos, die schmuddelig aussehende Bettwäsche zeigen und ein Badezimmer, das dringend geputzt werden müsste. „Ich bekam einen Vollschutzanzug“, schildert die Frau. „Aber ein Mann, der für Thomas eine Sauerstoffflasche montierte, war in normaler Alltagskleidung und hüstelte. Ich fing an zu weinen und war richtig geschockt.“ Doch ihr Mann sei wie üblich zuversichtlich gewesen. „Er sagte, er müsse noch auf Testergebnisse warten, und meinte: ,Du fliegst auf jeden Fall wie geplant. Ich komme übermorgen nach.‘“ Ihr Mann sei weder apathisch gewesen noch kurz­atmig. „Ich dachte, er ist auf einem guten Weg.“ Bis zwei Tage später die Polizisten ihr die Todesnachricht überbrachten. „Coronavirus? In meinem Kopf war alles durcheinander.“

Beerdigung im engsten Familienkreis

Wie ihr Leben ohne ihren Mann weitergehe, wisse sie noch nicht, erzählt Susann Falk. „Wenn ich zur Ruhe komme, muss ich viel weinen.“ Aber sie versuche, „alles so zu regeln, wie Thomas es sich gewünscht hätte. Mein Arm nach draußen sind seine Kollegen bei der Feuerwehr, die mir bis heute sehr helfen.“ Ihr Mann sei ein geschätzter Kollege und liebevoller Ehemann und Vater gewesen, betont die Witwe.

„Der Satz: ,Wer Dich kannte, weiß, was wir verloren haben‘, trifft es sehr genau.“ Am Montag, den 20. April, fand die Beerdigung von Thomas Falk statt, im engsten Familienkreis. Eine Trauerfeier, zu der auch viele der Feuerwehrleute kommen wollten, ist in der Petrikirche geplant. „Sobald das wieder möglich ist“, sagt Susann Falk. „Irgendwann, wenn Corona uns nicht mehr im Griff hat.“

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden