Hamburg/Schleswig. Hamburger durften 2020 Zweitwohnungen im Norden nicht nutzen. Anwälte klagten dagegen – waren die Verbote rechtswidrig?
Sie waren Besitzer von Wohnungen oder Häusern in Schleswig-Holstein. Doch gleichzeitig waren sie unerwünscht und durften ihr Eigentum im Norden nicht nutzen. Was Hamburger in den ersten Monaten der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wegen des sogenannten Zweitwohnerlasses erlebten, hatte weitreichende Folgen für so manche Familie. „Wir müssen draußen bleiben.“ So fühlte es sich an. Draußen aus Schleswig-Holstein. Erst als sich der Umgang mit der Pandemie etwas entspannte, konnten Hamburger wieder unproblematischer die Zeit in ihren Wohnungen nahe Nord- und Ostsee verbringen.
Jurist Reiche: "Es ist unbedingt sinnvoll, eine Gerichtsentscheidung zu haben"
Jetzt, gut zweieinhalb Jahre später, ist für die Großstädter die Nutzung der Zweitwohnung etwa in St. Peter-Ording und an der Schlei weiterhin ungezwungen möglich. Doch es ist bis heute keine rechtlich bindende Entscheidung gefallen. Eine entsprechende Klage eines Hamburger Anwalts, der damit die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Nutzungsverbote erzielen wollte, liegt noch immer beim Verwaltungsgericht Schleswig – und ist noch nicht verhandelt worden. Auch eine Verfassungsbeschwerde führte nicht zum Erfolg. Denn das Bundesverfassungsgericht, so schildert es Kläger Prof. Dr. Felix Reiche, hat eine Entscheidung nicht treffen wollen. Die Richter in Karlsruhe seien der Auffassung, dass vorrangig das Verwaltungsgericht darüber befinden muss, ob die Nutzungsverbote für Zweitwohnungen verfassungswidrig gewesen sind.
Für Rechtsanwalt Reiche ist dies eine Situation, die „kafkaeske Züge hat“. Wie in dem Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka „weiß man nicht, an wen man sich wenden soll“. Es könne nicht sein, so der Jurist, „dass die Gerichte aufeinander zeigen und nichts machen“. Ihm gehe es um die Aufarbeitung eines rechtlichen Problems. Schließlich sei es möglich, dass eine ähnliche Situation wie in den Hochzeiten von Corona wieder entstehe – und erneut Hamburgern verwehrt werden solle, ihre Zweitwohnungen zu nutzen. „Es ist unbedingt sinnvoll, eine Gerichtsentscheidung zu haben“, betont Reiche. „Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfassungsgericht werden ihrem Auftrag, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, bisher nicht gerecht.“
Zweitwohnerlass: Das Verbot wurde wieder aufgehoben
Rückblende: Am 20. März 2020 hatten mehrere Kreise in Schleswig-Holstein, unter anderem Nordfriesland und Ostholstein, mittels Allgemeinverfügungen die Besitzer von Ferienhäusern und –wohnungen aufgefordert, Schleswig-Holstein bis Sonntag um null Uhr zu verlassen – woraufhin es teilweise zu unschönen Szenen zwischen den Einheimischen und den Zweitwohnungsbesitzern kam. Viele Zweitwohnungsbesitzer reisten darauf ab – oder fuhren erst gar nicht hin.
Dann aber wurden die Bestimmungen nach einem Gespräch zwischen Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) geändert. Die neue Regelung besagte, dass Zweitwohnungsbesitzer, die sich in Schleswig-Holstein aufhielten, dort bleiben durften. Gegen die insgesamt vier nacheinander geltenden Nutzungsverbote für Zweitwohnungen im Kreis Nordfriesland hatte der Hamburger Rechtsanwalt Reiche, der ein Ferienhaus in St. Peter-Ording besitzt, Rechtsmittel zum Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eingelegt. Dabei ging es sowohl um Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz als auch um Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nutzungsverbote für Zweitwohnungen.
Jurist Reiche hält es für wichtig, dass gerichtlich festgestellt werde, dass die Nutzungsverbote der Zweitwohnungen rechtswidrig waren. Was ihn ärgert, ist, dass seine „seit knapp zweieinhalb Jahren entscheidungsreif beim Verwaltungsgericht in Schleswig liegenden Klagen“ nach wie vor nicht entschieden worden sind. Es stehe zu befürchten, überlegt der Jurist, dass das Verwaltungsgericht sich eines Tages auf den Standpunkt stellen werde, dass ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an einer Entscheidung über die Nutzungsverbote „einfach nicht mehr besteht. Das führt dann zur Abweisung unserer Klagen als unzulässig“. Es hätte sich also im Ergebnis kein einziges Gericht in Deutschland mit der Rechtmäßigkeit der Nutzungsverbote beschäftigt. „Man fühlt sich da ein bisschen allein gelassen.“
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Beim Verwaltungsgericht Schleswig heißt es unterdessen, man „bedauere, dass es noch nicht zu einer Entscheidung kommen konnte“, sagt Gerichtssprecherin Friederike Lange. Dass das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde zunächst nicht verhandele, sei nicht unüblich. Schließlich gelte das Subsidiaritätsprinzip. Demnach sollen Entscheidungen von der möglichst kleinsten Einheit, hier also einem in erster Instanz zuständigen Fachgericht, gefällt werden. Beim Verwaltungsgericht Schleswig sei es aber so, dass es im Vergleich zu der Klage aus dem Jahr 2020 „viele ältere und Eilverfahren“ gebe, „in denen es auch um wichtige Dinge für die Beteiligten geht“. Die seien vorrangig zu entscheiden. Deshalb sei die zuständige Kammer in dem Verfahren um die Zweitwohnungen noch nicht dazu gekommen zu verhandeln. Und wann es eine Entscheidung geben werde, „ist leider noch nicht abzusehen“.