Kiel. Daniel Günther sieht in Lukas Kilian „die absolut perfekte Besetzung“ als neuen Generalsekretär der Nord-CDU. Was der Anwalt vorhat.

Daniel Günther hält ihn für eines der größten politischen Talente der schleswig-holsteinischen CDU: Lukas Kilian. Und so macht der Parteivorsitzende der Union im Norden den in Hamburg geborenen 37 Jahre alten Anwalt und Landtagsabgeordneten zum Generalsekretär der Partei. Zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren vergibt die CDU Schleswig-Holstein wieder den Posten. Dass der Landesvorstand Kilian an diesem Montag für den Job nominieren wird, gilt als sicher. Seine Aufgabe ist dann, „unbefangener und zugespitzter“ CDU-Positionen zu vertreten und politische Gegner zu attackieren, als Günther dies als Ministerpräsident kann. Den Posten übernimmt Kilian gleich morgen – auch wenn die Bestätigung durch einen Parteitag erst im Herbst ansteht.

Hamburger Abendblatt: Herr Kilian, war die schleswig-holsteinische CDU die vergangenen Jahre zu zahm im Umgang mit dem politischen Gegner, dass sie jetzt einen Generalsekretär braucht?

Lukas Kilian: Nein.

Immerhin hat Daniel Günther Sie bei der Vorstellung als „perfekte Besetzung“ gelobt, auch, weil Sie „zugespitzt formulieren“ könnten.

Kilian: Die Stärke der CDU Schleswig-Holstein liegt darin, keine Haudrauf-Partei zu sein. Auch mit einer Ampel-Regierung in Berlin versuchen wir immer, konstruktive Wege aufzuzeigen, wie wir mit unserem Abstimmungsverhalten im Bundesrat beim Sondervermögen für die Bundeswehr gezeigt haben. Wir haben auch in der Pandemie immer die Abstimmung mit den Nachbarbundesländern gesucht und sogar mit der Opposition im Landtag. Aber manchmal lohnt es auch, etwas zuzuspitzen und die Dinge auf den Punkt zu bringen, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. In der Zusammenarbeit mit Hamburg war das etwa beim Thema Maskenpflicht in Bus und Bahn der Fall. Dann geht es darum, komplizierte politische Sachverhalte in treffender Formulierung rüberzubringen. Und das traue ich mir zu.

Daniel Günther hat gesagt, Sie könnten in der neuen Aufgabe „unbefangener sprechen“ als er. Wer wird das denn zuerst merken? Der Koalitionspartner? Die Opposition? Oder Hamburg beim Hafenschlickthema?

Kilian: Es kommt darauf an, wer sich wann was herausnimmt.

Machen wir die Aussage, Sie könnten unbefangener sprechen, mal an einem Beispiel fest. Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg einigten sich bei einem „Schlickgipfel“ auf die Verklappung von Baggergut vor Helgoland. Kurz danach bringt Bürgermeister Peter Tschentscher wieder Scharhörn als weiteren Standort ins Gespräch wie kürzlich im Übersee-Club. Daniel Günther hat eher sparsam darauf reagiert. Sie würden dann künftig sehr viel deutlicher sagen, was Schleswig-Holstein davon hält?

Kilian: Auf jeden Fall. Generalsekretär ist eine Parteifunktion, ich bin ja nicht der Regierungssprecher. Ich finde es schon extrem wichtig, dass man sich an getroffene Vereinbarungen hält. Dass Peter Tschentscher beiden Nachbarbundesländern derart vor den Kopf stößt, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, der nicht unkommentiert bleiben würde.

Daniel Günther erwartet aber auch Ihr Wirken in die Partei hinein. Er hat es so formuliert: Sie sollen neuen Schwung in die Nord-CDU bringen. Hat die Partei diesen Schwung nötig?

Kilian: Wir haben 43,4 Prozent bei der Landtagswahl geholt. Das heißt, wir haben wahnsinnigen Schwung aus der Wahl mitgenommen. Wir haben viele starke Frauen und Männer in Funktion dazugewonnen, etwa im Landtag. Aber wir dürfen uns auf dem Erfolg nicht ausruhen, sondern müssen die Chance nutzen, jetzt auch Strukturen zu verändern, und die Partei zukunftsfest aufstellen. Wenn wir bei der Landtagswahl fast die absolute Mehrheit holen, aber bei Bürgermeisterwahlen immer wieder scheitern, deutet das auf Verbesserungspotenzial hin.

Die Kommunalwahl im Mai wird der erste Gradmesser für die Zufriedenheit der Schleswig-Holsteiner mit der Landesregierung. Welches Ziel geben Sie aus? Die 35,1 Prozent der vergangenen Kommunalwahl oder eher die 43,4 der Landtagswahl im vergangenen Jahr?

Kilian: Unser Ziel ist, mit Abstand stärkste Kraft zu werden. Dafür brauchen wir die besten Köpfe vor Ort, männlich wie weiblich. Die gewinnen wir aber nur für unsere Partei, wenn wir uns auch modern aufstellen. Wir wollen Mitglieder haben, die aktiv an Entscheidungen mitwirken. Aber wir stellen auch fest, dass es für viele Mitglieder schwierig ist, Familie, Beruf und Politik miteinander zu vereinbaren, auch für die müssen wir Angebote schaffen.

Also: Sie wollen die Partei verjüngen, familienfreundlicher machen, frauenfreundlicher, paritätischer, moderner und digitaler. Jetzt sind aber unter Ihren etwa 17.000 Mitgliedern viele Konservative, die auf dem „platten Land“ zu Hause sind. Wie wollen Sie ihnen dieses Ziel vermitteln?

Kilian: Das schließt sich ja nicht aus. Die Skepsis vor unserem Landesparteitag zur Aufstellung des Programms zur Landtagswahl war sehr groß, als es hieß, wir planten ihn wegen Corona als digitale Veranstaltung. In einigen Regionen gab es sogar Unmut. Hinterher waren die Skeptiker diejenigen, die gesagt haben, das sollten wir jetzt immer so machen. Man konnte sich digital zu Wort melden, was sich viele in Präsenz nicht getraut hätten. Man konnte von zu Hause teilnehmen, ohne anreisen zu müssen. In einigen Punkten waren wir schneller als in Präsenz, obwohl die Diskussionsbereitschaft größer war. Wir wollen künftig nicht alles digital machen. Aber wir wollen mehr digitale Teilhabe ermöglichen­. Wir wollen die Wochen­enden, wenn alle mal Zeit für die Familie haben, nicht mit Präsenzterminen zukleistern. Da muss Parteiarbeit auch effizienter werden.

An anderer Stelle haben Sie gesagt, Sie wollten die „CDU in Reinform“ vertreten. Das klingt jedenfalls nicht nach Parität und Modernität, sondern nach einem ziemlich konservativen Kurs. Wie passt das zusammen?

Kilian: Die CDU in Schleswig-Holstein ist ein liberaler, kein stockkonservativer Landesverband. Das sieht man inhaltlich bei Themen wie der Energiewende, aber auch daran, dass wir zur Landtagswahl eine paritätische Liste aufgestellt haben. Nicht alle haben gejubelt. Aber man sieht am Wahlergebnis, dass der Kurs richtig ist. Nur: Wir sind jetzt in einer Koalition, und in der muss man Kompromisse schließen. Manchmal kommt es so rüber, als sei der Kompromiss zu 100 Prozent unsere Auffassung. Als Generalsekretär kann ich dann sehr deutlich machen, dass wir als Union mit einer absoluten Mehrheit anders entscheiden würden – ohne dass der Regierungskompromiss gleich infrage gestellt wäre.

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  • Die schwarz-grüne Koalition wirkt nach außen ziemlich harmonisch. Kritiker werfen Ihnen aber zugleich Konturlosigkeit, ein dröges Erscheinungsbild und inhaltliche Schwäche vor. Ein schwarz-grüner Aufbruch sei nicht festzustellen – anders als beim Start von Jamaika 2017, heißt es. Wird es mit Ihnen mehr Aufbruch geben?

    Kilian: Die Zeiten sind nicht vergleichbar. Das Jamaika-Bündnis stand für etwas Neues, Experimentelles, vielleicht etwas Verrücktes. Deswegen gab es auch bundesweit große Neugier: Könnte das auch eine Konstellation für den Bund sein nach der nächsten Wahl? Zudem kamen FDP und Union aus der Opposition. Dann kam erst Corona und 2022 der Krieg in der Ukraine. Wir gehen also ins vierte Jahr der Krisenpolitik, das ist nicht vergleichbar mit dem Regierungswechsel 2017. Der Vorwurf, wir seien dröge, ist unangebracht.

    Warum, was hat Schwarz-Grün denn schon erreicht?

    Kilian: Wir haben mit dem 100-Tage-Programm gleich das Fundament für eine erfolgreiche Legislatur gelegt. Wir haben mit dem 8-Punkte-Entlastungspaket bereits im September auf die Krise reagiert. Wir treffen ganz schnell ganz wesentliche Entscheidungen und sind erfolgreich damit. Wie beim Bau des LNG-Terminals in Brunsbüttel. Das Tempo ist gewaltig, der Prozess könnte Vorbild sein für zukünftige Infrastrukturprojekte. Ich glaube, in der aktuellen Phase erwarten die Menschen das auch von uns, konstruktiv miteinander zu arbeiten. Und dann ist es mir lieber, vielleicht ein wenig langweilig wahrgenommen zu werden, als sich wie die Bundesregierung um jeden Zentimeter zu streiten.