Geesthacht. Vattenfall hatte bereits 2015 den Abriss beantragt. Wie das Umweltministerium die jahrelange Prüfung begründet.
Weit mehr als zehn Jahre hat es gedauert: Nachdem das Kernkraftwerk Krümmel in Geesthacht im Sommer 2009 nach einer Reaktorschnellabschaltung vom Netz genommen wurde, steht der Betrieb still – aber erst jetzt kann der Abriss des Pannenreaktors gestartet werden. Das schleswig-holsteinische Umweltministerium rechnet damit, nach vielen Jahren der Prüfung in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 eine Abrissgenehmigung zu erteilen. Das teilte das grün geführte Ministerium auf eine Anfrage des FDP-Fraktionschefs Christopher Vogt mit.
Anders als das schleswig-holsteinische Atomkraftwerk Brokdorf, das von 1986 bis Ende 2021 weitgehend störungsfrei lief, kam es im Siedewasserreaktor Krümmel immer wieder zu Pannen und Schnellabschaltungen. Und zu aufwendigen Untersuchungen zu den Leukämieerkrankungen bei Mädchen und Jungen in der Elbmarsch. Dreimal so viele Kinder wie es statistisch normal gewesen wäre, waren dort an Blutkrebs erkrankt.
Pannenreaktor Krümmel: Abriss kann in diesem Jahr starten
Der „schrottreife Reaktor“, so die Grünen damals, war beispielsweise von 2007 an für zwei Jahre nach einem Transformatorenbrand vom Netz. Dann dauerte es nach dem Wiederanfahren nur wenige Tage bis zur nächsten Panne und Schnellabschaltung. Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 war Krümmel neben Brunsbüttel denn auch eines der ersten acht deutschen Kernkraftwerke, deren Betriebsgenehmigung endgültig erlosch. Die anderen konnten erst einmal zeitlich gestaffelt weiter Strom produzieren. Das Aus für Brokdorf kam Ende 2021. Seither sind, befristet bis April 2023, noch drei deutsche AKW am Netz.
Vattenfall, das Krümmel mit PreussenElektra betrieben hatte, hatte schon 2015 bei der Kieler Atomaufsicht den Abriss des Pannenmeilers beantragt. Seither prüfen das Umweltministerium und unabhängige Experten die Unterlagen und die nachgereichten konkretisierten Konzepte des Energieunternehmens. „Atomkraft ist auch in der Nachbetriebsphase eine Hochrisikotechnologie. Deshalb gilt es, durch einen geordneten Prozess die hohen Sicherheitsanforderungen zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten“, begründet das Umweltministerium jetzt die jahrelange Prüfung.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt kritisiert die lange Verfahrensdauer. Endlich liege mit dem Hinweis auf die zweite Jahreshälfte 2023 ein „halbwegs konkreter Zeitpunkt für die Erteilung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung vor. Es muss dann auch wirklich losgehen. Weitere Verzögerungen müssen vermieden werden, denn die Menschen in der Region müssen schon viel zu lange darauf warten“, so Vogt.
Atomkraftwerk Krümmel: AKW-Betreiber kakulieren 15 Jahre für Abriss
Für den Abriss solcher Anlagen kalkulieren AKW-Betreiber um die 15 Jahre Zeit ein. Vattenfall hat fast zwei Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. „Grundsätzlich soll von innen nach außen abgebaut werden“, informiert das Ministerium. Nicht radioaktiv belastete Baustoffe wie Beton und Stahl werden auf Deponien entsorgt, radioaktiver Müll und abgebrannte Brennstäbe werden für die nächsten Jahre erst einmal in einem Zwischenlager auf dem Gelände an der Elbe „geparkt“. Und zwar bis das Endlager Schacht Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bei Salzgitter mal in Betrieb sein wird.
Unterdessen macht die FDP in Schleswig-Holstein die Laufzeitverlängerung der letzten drei verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland zum Thema der Landtagssitzungen in der kommenden Woche. „Der Landtag betont die Notwendigkeit einer sicheren, bezahlbaren und klimafreundlichen Energieversorgung und spricht sich daher für eine Verlängerung der Laufzeit der drei verbliebenen Kernkraftwerke über den 15. April 2023 hinaus aus. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke einzusetzen und dafür auch im Bundesrat eine entsprechende Initiative einzubringen.“ So lautet der Antrag, mit dem Fraktionschef Vogt vor allem die mit den Grünen regierende CDU unter Druck setzten will. Ministerpräsident Daniel Günther hatte sich erst kurz vor Weihnachten für eine Laufzeitverlängerung stark gemacht. „Er muss jetzt zeigen, dass er im Landtag mit seiner schwarz-grünen Wunschkoalition eine eigene Mehrheit für seine Energiepolitik hat. Mit den Stimmen von CDU und FDP gäbe es jedenfalls eine klare Landtagsmehrheit für seine energiepolitischen Vorstellungen. Ein solcher Beschluss wäre ein starkes Signal an Grüne und SPD im Bund“, sagte Vogt.
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Die FDP hält es für falsch, in der Energiekrise das Stromangebot „ohne Not politisch zu verknappen“. Der Weiterbetrieb der drei Reaktoren sei für den Klimaschutz, die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit des Stroms sehr wichtig. „Es ist ein klimapolitischer Irrweg, die Kapazitäten der Kernkraftwerke mit Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken auszugleichen“, sagte Christopher Vogt.