Kiel. Zusammen mit drei anderen Bundesländern einigte man sich auf die Lockerung. Wie Gesundheitsminister Lauterbach reagiert.
Im Umgang mit Corona geht Schleswig-Holstein einen weiteren Schritt in Richtung Normalität. Im Norden läuft die fünftägige Isolationspflicht für Corona-Infizierte Mitte nächster Woche aus, spätestens am Donnerstag. Dies kündigte die Landesregierung am Freitag an. Das Land hat sich mit Bayern, Baden-Württemberg und Hessen darauf geeinigt, die generelle Isolationspflicht für positiv getestete Personen aufzuheben, wie aus einer Mitteilung der Gesundheitsministerien hervorgeht.
Corona: Schleswig-Holstein schafft Isolationspflicht für Infizierte ab
Dafür soll - außerhalb der eigenen Wohnung - eine fünftägige Maskenpflicht in Innenräumen für jene greifen, die einen positiven Test, aber keine Symptome haben. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) berief sich ausdrücklich auf einmütige Expertenempfehlungen. Die Corona-Lage sei absolut im Griff, die Impfbereitschaft im Norden besonders hoch. Weitere Infektionswellen seien möglich, aber schwere Krankheitsverläufe die Ausnahme. Auch in Schleswig-Holstein sind die Infektionszahlen in jüngster Zeit gesunken, liegen aber über dem Bundesschnitt.
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Günther strebt auch an, die bis Jahresende befristete Maskenpflicht in Bus und Bahn nicht zu verlängern. Er wolle hierfür im Gespräch mit den anderen Ländern möglichst eine einheitliche Regelung erreichen. Der Regierungschef formulierte einen klaren Appell an die Eigenverantwortung: „Mit Symptomen bleibt man zu Hause. Mit einem positiven Test ohne Symptome trägt man überall in Innenräumen eine Maske, außer in den eigenen vier Wänden“.
Er hoffe, dass sich noch weitere Länder diesem Kurs anschließen, sagte Günther. Dieser Weg sei verantwortungsvoll. Günther warf dem Bund fehlende Gesprächsbereitschaft vor.
Daniel Günther: "Wer krank ist, bleibt zu Hause"
Es gehe auch darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten, sagte Vize-Regierungschefin Monika Heinold (Grüne). Der Weg in Richtung Eigenverantwortung sei der richtige. „Aus aktueller Sicht ist das Tal der Pandemie durchquert und es kann wieder bergauf gehen.“
Die staatlichen Maßnahmen müssten verhältnismäßig sein, sagte Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU). „Wir dürfen nie über das Ziel hinaus schießen.“ Hauptgrundsatz sei jetzt: „Wer krank ist, bleibt zu Hause“. Zu den weiteren Maßnahmen außer der Maskenpflicht in Innenräumen gehören fünftägige Besuchsverbote für Infizierte in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.
Nur in Pflegeinrichtungen gilt ein Beschäftigungsverbot für Infizierte
Personal in medizinischen Einrichtungen darf dort arbeiten, sofern keine Symptome vorliegen und im Zuge des Hygienekonzeptes Schutzvorkehrungen wie das Tragen einer FFP2-Maske angewandt werden. In Pflegeheimen dagegen dürfen sie fünf Tage lang nicht arbeiten. „Das Beschäftigungsverbot gilt nur in pflegerischen Einrichtungen, aber nicht in medizinischen“, erläuterte von der Decken. „Das Betretungsverbot für Besucher gilt in beiden.“
Die Krankenhäuser seien seit Jahrzehnten darin geübt, mit infektiösen Mitarbeitern umzugehen. „Das überlassen wir den Krankenhäusern.“ Zum Thema Testen sagte Günther: „Überall dort, wo es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, ist unsere Empfehlung, auf anlassloses Testen zu verzichten“.
Ministerin nennt freiheitseinschränkende Maßnahmen nicht verhältnismäßig
Die vier Bundesländer berufen sich unter anderem auf Erfahrungen aus Nachbarländern wie Österreich, wo seit Sommer andere Schutzmaßnahmen anstelle einer Isolationspflicht gelten. Von dort seien keine negativen Erkenntnisse bekannt. „Zurückgehende Infektionszahlen, eine wirksame Schutzimpfung, eine Basisimmunität innerhalb der Bevölkerung von mehr als 90 Prozent, in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe sowie wirksame antivirale Medikamente rechtfertigen aus Sicht der Länder, diesen Schritt zeitnah zu gehen.“
Freiheitseinschränkende Maßnahmen wie die Absonderungspflicht seien in dieser Phase des Übergangs von Pandemie zu Endemie weder verhältnismäßig noch erfüllten sie Ihren Zweck, erläuterte von der Decken. Entscheidend sei, schwere Krankheitsverläufe zu erkennen und gut zu therapieren. „Mit der Impfung, Medikamenten und dem Wissen um das Coronavirus haben wir die Instrumente, um mit diesem Erreger – wie mit vielen anderen auch – ohne drastische Freiheitseinschränkungen umzugehen.“
Die Koalition stützt sich mit ihren Entscheidungen auf Expertenempfehlungen. In einer Anhörung im Landtag hatten namhafte Mediziner der Politik zu einer Neubewertung der Corona-Lage geraten. Sie schlugen unter anderem eine Entschärfung von Schutzmaßnahmen wie Isolations- und Maskenpflicht vor. Zudem appellierten sie an die Selbstverantwortung.
Opposition begrüßt Wegfall der Isolationspflicht im Norden
Auch die Oppositionsfraktionen FDP und SSW fordern in einem Landtagsantrag eine Abschaffung der Isolationspflicht. Das Parlament hatte schon im Februar erklärt, eine schrittweise Rückkehr zur Normalität sei zwingend geboten.
„Wir begrüßen sehr, dass die Landesregierung unserer Forderung nach Abschaffung der Isolationspflicht jetzt nachkommt“, erklärten für die FDP Fraktionschef Christopher Vogt und Ex-Gesundheitsminister Heiner Garg. „Diese Entscheidung ist angesichts der Lage überfällig, denn die Frage nach der Verhältnismäßigkeit hat sich auch bei dieser Maßnahme zunehmend gestellt.“
Die Gewerkschaft GEW hingegen sprach von einer „absoluten Fehlentscheidung“. Diese gehe zu Lasten von Kitas und Schulen, sagte die Landesvorsitzende Astrid Henke. Wegen der schlechten Personallage drohten in Kitas Gruppenschließungen und in Schulen Unterrichtsausfall.
Corona: Lauterbach kritisiert Entscheidung Schleswig-Holsteins
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Aufhebung der Isolationspflicht kritisiert. Er sagte am Freitag in Berlin, die Länder könnten eine solche Entscheidung treffen, sie sei aber ein Fehler. „Das kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregierung“, sagte Lauterbach. Ein Alleingang einzelner Länder wäre zudem ärgerlich, weil er zu einem Flickenteppich an Regelungen in Deutschland führte.
Es gebe auch keinen medizinischen Grund, auf die Isolationspflicht zu verzichten, betonte Lauterbach. Man müsse weiter dafür sorgen, dass die Fallzahlen begrenzt werden und nicht steigen. Außerdem müssten Menschen sicher sein können, dass sie sich am Arbeitsplatz nicht infizierten, erklärte der Gesundheitsminister. Es gebe immer noch etwa 1.000 Todesfälle durch eine Covid-Infektion pro Woche, und das Land stehe vor einer Winterwelle, warnte Lauterbach.