Flensburg. Das Wassersleben an der Flensburger Förde gilt als Geheimtipp. Doch aktuell bekommen zumindest Restaurantgäste davon nicht viel mit.
Das Hotel Wassersleben mit seinen Restaurants ist immer noch so etwas wie ein Geheimtipp. Die Lage am Ende der Flensburger Förde einmalig. Schlafen und Essen können Gäste mit Blick auf den kleinen Hafen und das Wasser. Dazu ein ambitionierter Chef, der diesen Ort zu einer Anlaufstelle für Gourmets machen will.
Doch der Test im August fällt eher ernüchternd aus. Der bestellte Tisch außen ist nicht vorbereitet. Allein eine halbe Stunde dauert es, bis die Getränkewünsche aufgenommen werden. Erst nach knapp 90 Minuten kommt das Essen. Die große Portion Bratkartoffeln entpuppt sich als kleine Beilagenschüssel, für wohlgemerkt 5,50 Euro. Die daraus folgende Nachbestellung dauert eine weitere halbe Stunde. Das Wiener Schnitzel sind zwei Mini-Schnitzel, ziemlich trocken, für 27 Euro. Der Rechnungsvorgang dauert eine Viertelstunde. Das Team in der Küche, aber vor allem draußen im Restaurant und auf der Terrasse, scheint komplett überfordert.
Ostsee: Hotelchef des Wassersleben erklärt den schlechten Service
Spricht man Hotelchef Eicke Steinort auf dieses Erlebnis an, zeigt er sich sichtlich betroffen. Seine Erklärung: Der massive Personalmangel macht es ihm im Moment quasi unmöglich, Hotel und Restaurants zufriedenstellend zu betreiben. Insgesamt bewältige er gerade mit zwei fest angestellten Kollegen und vier Auszubildenden eine Sieben-Tage-Woche im Restaurant. „Ich habe an einem solchen Tag zwei Kollegen in der Küche und zwei, höchstens drei im Service. Das reicht natürlich vorne und hinten nicht.“
Andererseits wolle er seine Mitarbeiter nicht überfordern, müsse darauf achten, dass sie nicht zu viel arbeiten. „Wir versuchen, dabei vor allem auf die Auszubildenden acht zu geben, damit sie auch weiterhin gern ihren Beruf ausüben“, sagt er. Er suche bereits lange immer wieder nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne Erfolg. „Dabei bieten wir verhältnismäßig viel an, wie Vergünstigungen oder auch Wohnungen. Aber das hat bisher wenig geholfen.“
Personalmangel: Gourmet-Restaurant des Wassersleben bleibt dicht
Für Steinort entwickelt sich der Personalmangel Stück für Stück zu einem existenziellen Problem. „Ich werde jetzt nach der Sommerpause mein Gourmetrestaurant nicht wie geplant wieder eröffnen können.“ Erst einmal bleibe das „Der Steinort“, das gerade erst im Gault Millau mit zwei roten Hauben bedacht wurde, bis Ende September geschlossen. „Bis dahin muss ich schauen, wie es weiter geht. Wir hatten uns hier gerade so viel aufgebaut“, sagt er. „Das ist irgendwie alles in Gefahr.“
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Auch im restlichen Hotel muss er bereits seit Monaten Kompromisse machen. „Mittags bieten wir gar keine warme Küche mehr“, so Steinort. An einer kleinen Bude könnten sich seine Gäste nun Kuchen und Kaffee holen. „Mehr geht nicht.“ Beim Betrieb am Abend hätten die Hotelgäste dann absolute Priorität. „Wir müssen immer öfter, auch wenn das Restaurant gar nicht ganz voll ist, Gäste ablehnen.“ Einfach, weil die wenigen Kollegen nicht mehr Bestellungen bearbeiten könnten. „Ich übernehmen gerade wieder jede Menge Schichten in der Küche, es ist sonst nicht zu schaffen.“ Dafür fehle seine Arbeitskraft dann natürlich an anderer Stelle.
Dazu komme die Unsicherheit vor dem kommenden Herbst und einer möglichen weiteren Corona-Welle. „Sollten wir wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen bekommen, muss ich mit Umsatzeinbußen von etwa 30 Prozent rechnen“, sagt der Hotelier. Das würde es ihm derzeit schier unmöglich machen, langfristig zu planen. „Denn dann könnte ich gar nicht viel mehr Personal einstellen.“ Schlicht aus Kostengründen. Bereits jetzt würden die Personalkosten 60 Prozent aller Kosten ausmachen.
Ostsee: Wie lange kann das Wassersleben überhaupt noch überleben?
Steinort sieht gerade die kleinen Hotels und Restaurants in den kommenden Jahren in Gefahr. „Die klassische Gastronomie, bei der man spontan essen geht, einen Tisch bekommt und gut bedient wird, die wird es in einigen Jahren nicht mehr geben“, sagt er. Kleine romantische Hotels wie das seine vermutlich ebenfalls nicht mehr. Gerade hoch im Norden falle es zunehmend schwer, gute Mitarbeiter zu finden. Denn künftig könnten kleine Hotels wie das seine alleine schlicht nicht überleben. „Das geht nur, wenn man deutlich größer wird oder sich mit anderen Betrieben zusammenschließt.“
So könne dann die aufwendige Verwaltung gebündelt werden, genauso wie der Einkauf oder andere Bereiche. „Dadurch lassen sich Kosten und Personal sparen.“ Zudem würden immer mehr Restaurants auf Selbstbedienung setzen müssen. „Das sehen wir ja schon überall bei den Neueröffnungen der vergangenen Monate.“ Er selbst befinde sich bereits in der Planung für die Zukunft seines Hotels. „Noch ist nichts entschieden, aber so weiter machen werden wir nicht können.“
Steinort stimmt das traurig. „Wir reden viel zu wenig über die eklatanten Folgen des Personalmangels in Gastronomie und Hotellerie.“ Im Bereich der Pflege sei das Thema permanent präsent. „Aber wir müssen sehen, wo wir bleiben. Und das nach den harten Corona-Jahren.“