Sylt. Die Nordseeinsel gilt als hoffnungslos überteuert, doch das stimmt oft nicht. Gerd Rindchen gibt einige Restauranttipps.
Das Vorurteil, ganz Sylt sei hoffnungslos überteuert, kann ich nach Inaugenscheinnahme der dortigen Gastronomie nicht pauschal bestätigen. So basiert etwa der phänomenale Erfolg der Sansibar, auch wenn sich auf dem Parkplatz ein „Sylt-Golf“ (alias Porsche Cayenne) an den anderen drängelt, nicht etwa auf dem Schicki-Faktor, sondern darauf, dass hier in traumhafter Umgebung mit enormer Präzision eine beachtliche gastronomische Leistung zu teils fairen Preisen abgeliefert wird: Wer klug genug ist, die überschätzte „Kult-Currywurst“ mit Pommes (17 Euro) zu meiden, bekommt für wenig mehr Geld hochanständiges, teilweise herausragendes Essen aus besten Zutaten serviert.
So gehen die 28,50 Euro für einen große Tranche blütenweißen, perfekt gebratenen Kabeljau auf Champagnerkraut mit Bratkartoffeln ebenso in Ordnung wie die 26 Euro für ein schlicht geniales, perfekt gewürztes gebratenes Thunfischtatar mit Kirschpaprika oder die 42 Euro für eine Flasche brillanten, vor Leben und Spannung vibrierendem biodynamischen 2021er Grünen Veltliner „Kammern“ von Hirsch.
Sylter Muscheln Bistro direkt vom Züchter betrieben
Zudem gibt’s vom überaus fröhlichen und zugewandten Service für jeden Gast als Amuse Goeule eine Schüssel knackigen grünen Salat vorweg. Bei Mineralwasser (0,7 l für 11 Euro) und Espresso (5 Euro) allerdings schlägt die Neigung des Hausherrn zur konsequenten Ertragsoptimierung ebenso deutlich durch wie bei den Automobilherstellern aus seiner schwäbischen Heimat.
Sehr erfreulich gestaltet sich auch die Einkehr im direkt am kleinen Hafen gelegenen Sylter Muscheln Bistro im beschaulichen Hörnum. Direkt vom Züchter betrieben und an Frische nicht zu überbieten, werden hier in gediegenen Töpfen sehr anständige Portionen der aromatischen kleinen Hörnumer Miesmuscheln in verschiedenen Darreichungsformen wie Belgische Art, Hörnumer Art oder Thai-Art serviert (jeweils 22,50 bis 26,50 Euro).
Hafenkneipe ist ein echter Geheimtipp
Mein absoluter Favorit war die mittelpreisige Variante „Mediterran“ mit pikantem, tomatisiertem Weißweinsud, ein echt netter Begleiter dazu der gelungene 2021er Strassertaler Grüne Veltliner von Topf (39 Euro). Wem das nicht hip genug ist, der kann sich aber auch hier an Austern und Hummergerichten laben und dazu Champagner Taittinger in der noblen Grand-Cru-Variante lenzen (95 Euro).
- Witwenball – vier Gänge und ein toller Wein
- Preisverdächtige Artischocken im „Johannes King Genuss-Shop“
- Taverna zum Olymp – so muss es beim Griechen schmecken
Und selbst wer Lust hat, an einem wunderschönen, verträumten Plätzchen bei ausnehmend freundlichem Service gut und weitaus günstiger als zumeist in Hamburg-City sein Mahl zu genießen, findet dafür auf Sylt die Gelegenheit: Er möge einfach die Hafenkneipe am Munkmarscher Hafen mit traumhaftem Blick auf das Wattenmeer an der Keitumer Bucht ansteuern und dortselbst fangfrische, perfekt bereitete Nordseescholle mit Bratkartoffeln (19,50 Euro), gut gezapftes Flensburger (0,4 l für 3,80 Euro), preiswertes Mineralwasser (Liter 5 Euro) oder den exzellenten, vom Hausherrn selbst aus Südafrika importierten 2021er Sauvignon blanc Kranskop Single Vineyard sur lie für unglaubliche 5,50 Euro pro Schoppen (0,2 l) zu sich nehmen. Die Inselschönheit ist noch für ein paar Überraschungen gut.