Kronsgaard. Das Cafe Lieblingsplatz in Kronsgaard ist für die 25 Jahre alte Ukrainerin gleich aus mehreren Gründen ein ganz besonderer Ort.
Dass Sie ihr Café Lieblingsplatz nennt, lag mindestens so nahe wie die Ostsee. Von dem Tresen, hinter dem Tetiana Bielova arbeitet, sind es nur ein paar Schritte zum Meer. Der Strand gehört zu den schönsten und größten zwischen Kappeln und Gelting. Und trotzdem hat es hier, in dem kleinen Dorf Kronsgaard und Umgebung, seit dem Ende des alten Dorfkruges lange kein vernünftiges gastronomisches Angebot für Einheimische und Touristen gegeben. So eines wie den Lieblingsplatz schon gar nicht.
Der könnte auch irgendwo auf Sylt oder in St. Peter-Ording sein, die stylisch-moderne Einrichtung und die Karte mit Kuchen, Cocktails, Longdrinks, Sandwiches, Antipasti und vielem mehr hätte noch vor wenigen Jahren nicht hierher gepasst. Doch die Region und ihr Tourismus verändern sich, und damit auch die Ansprüche der Gäste.
Ostsee: Aufwendige Umbauarbeiten waren vor der Eröffnung nötig
Im März hat die junge Frau mit gerade einmal 25 Jahren ihr erstes eigenes kleines Café eröffnet. Zuvor wurde das Haus direkt hinter der Strandpromenade lange und aufwendig umgebaut. „Wir haben hier eigentlich alles auf den Kopf gestellt“, sagt Tetiana Bielova am frühen Morgen bei einem Kaffee, bevor sie die Türen wieder für ihre Gäste öffnet. Nichts sei mehr so wie es in dem charakteristischen gelben Holzhaus einmal war. Zum Hintergrund: Zuvor gab es hier einige Jahre lang ein kleines Café mit Kuchen und Eis im Angebot. Doch das hatte nicht einmal eine Toilette für seine Gäste. Die mussten ein paar Meter weiter das öffentliche Strandklo benutzen. All das wurde geändert. Selbst der große Garten um das Haus herum wurde neu angelegt.
Möglich gemacht hat das die Familie Martensen aus Wees bei Glücksburg. Sie sind der jungen Frau eng verbunden. Tetiana Bielova lebte 2016 bei der vierköpfigen Familie als Aupair. Und nennt sie seitdem ihre Familie. Geboren und aufgewachsen ist die 25-Jährige in der Ukraine. Mit 19 Jahren kam sie nach Deutschland und ist seitdem hiergeblieben. Dem Austauschjahr folgte eine Lehre als Köchin im Strandhotel von Glücksburg, dem großen majestätischen Haus direkt an der Flensburger Förde.
Danach arbeitete sie im benachbarten Restaurant Gudlak. Schon immer habe sie davon geträumt, eines Tages etwas Eigenes zu machen berichtet Tetiana Bielova. Und als sie dann während der Corona-Pandemie immer und immer wieder mit ihrer alten Gastfamilie über ihre Zukunft gesprochen habe, habe ihr Gastvater irgendwann gesagt: „Komm, wir machen etwas zusammen.“
Gemeinsam mit der Gastfamilie hat Bielova das Projekt umgesetzt
Das geeignete Objekt fanden sie schließlich etwa 30 Kilometer weiter direkt am Meer. Von der Lage und dem Ort waren sie sofort begeistert – oder wie es ihr Gastvater sagt: Eine Perle. Und dazu der wunderschöne Strand, der weit über den kleinen Ort hinaus bekannt sei.
Heute ist Tetiana Bielova Pächterin des Hauses. Gekauft hat das Objekt ihre Gastfamilie. Auch den aufwendigen Umbau hat das Ehepaar, das zwei Pflegeheime betreibt, bezahlt und begleitet. Sie verstehen sich als Team, treffen auch heute noch alle Entscheidungen gemeinsam, arbeiten zusammen in dem kleinen Haus und Garten. „Wir haben in dieses Objekt investiert, weil wir von den Leistungen und von dem Können von Tetiana überzeugt waren und sind. Wir wussten, dass dies ihr Weg sein wird, und haben gerne geholfen sie dabei zu unterstützen“, sagt Matthias Martensen. „Auch wir hatten Förderer auf unserem Lebensweg und geben diese Hilfe von damals nun gerne weiter in die nächste Generation.“
Mit den Einnahmen der ersten Monate ist die junge Frau zufrieden. „Es geht natürlich immer noch mehr, aber der Start ist wirklich gelungen“, sagt sie. Die Gäste würden sich über ihren neuen Laden freuen. Ihre kleine Karte käme gut an. „Ich versuche, wo es geht, Bio-Lebensmittel zu verwenden und arbeite mit regionalen Produzenten zusammen“, sagt sie. Das Eis beispielsweise komme von einer kleinen dänischen Manufaktur. Jeder Kuchen sei natürlich selbst gebacken. „Eine Torte braucht beispielsweise drei Tage. Am ersten entsteht der Boden, dann wird die Torte gefüllt und muss über Nacht ziehen. Und erst am dritten Tag kann ich sie verkaufen.“ Das führe auch dazu, dass so ein Stück dann 4,50 Euro kostet. Das müsse so sein, um bei den gestiegenen Preisen kostendeckend zu wirtschaften.
Ostsee: Bielova hat große Probleme, Personal zu finden
Ein Problem ist für Tetiana Bielova allerdings die Suche nach Unterstützung für ihr Café. „Ich brauche dringend Mitarbeiter“, sagt sie. Überall habe sie inseriert, bisher ohne Erfolg. Derzeit helfe ihr ihre Freundin Lara, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen ist. Dazu kommen Aushilfen. „Ohne die beiden wäre ich wirklich aufgeschmissen.“ Sie selbst steht von früh morgens bis spät abends hinter dem Tresen des kleinen Ladens.
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Über ihre Heimat und den Krieg möchte Tetiana Bielova allerdings nicht wirklich reden. Zu schmerzhaft ist das Erlebte, zu groß die Sorgen um die Familie vor Ort. „Ich versuche diese dramatische Lage tagsüber so gut es geht zu verdrängen, ansonsten könnte ich hier gar nicht vernünftig arbeiten.“
Und dann berichtet sie doch, dass ihr Vater in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja lebe. Jeden Tag würden sie telefonieren, „dann weiß ich zumindest für eine Weile, dass es ihm gut geht“. Nach Norddeutschland kommen wolle er allerdings nicht. „Er will seine Heimat nicht verlassen. Das muss ich akzeptieren.“ Mehr möchte sie dann aber auch nicht sagen. Und man versteht es. Denn größer könnte der Kontrast zwischen diesem friedlichen kleinen Ort direkt am Meer und den Bomben, die gerade auf ihre Heimat fallen, nicht sein.