Dänischenhagen/Hamburg. Nachdem sich seine Frau von ihm trennt, besorgt sich Hartmut F. eine Maschinenpistole. Er erschießt insgesamt drei Menschen.
Dänischenhagen in Schleswig-Holstein ist ein ruhiger, friedlicher Ort gewesen. Bis am 19. Mai 2021 ein Rattern die Stille durchbricht. „Es sind Schüsse, abgefeuert aus einer Maschinenpistole des Typs Uzi, Kaliber 9 Millimeter“, erzählt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Der Täter feuert insgesamt 50 Schuss auf zwei Menschen ab, erst dann hält er inne. Und wenig später begeht er einen weiteren Mord.“
„Ein Mann, der eindeutig auf tödlicher Mission ist: Dieses Blutbad erscheint als etwas Irreales, abgekupfert aus einem Blockbuster vielleicht“, überlegt Mittelacher. „Man kennt solche Szenen aus Actionfilmen, wenn ein Mann losstürmt, bewaffnet mit einer Maschinenpistole, und als Rächer andere niedermäht. Und am Ende obsiegt der Held.“
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„In unserem Fall gibt es allerdings keine Helden“, sagt Püschel. „Es gibt aber einen einzelnen Täter und viele Opfer. Die Ereignisse sind beängstigend real.“ Wie sich herausstellt, hat sich der Mann, der mit einer Maschinenpistole um sich schießt, seine Taten sogar vorbereitet. Er hat das Internet mit bestimmten Suchbegriffen gefüttert. Zum Beispiel: „Jeder kann Mörder werden.“ „Lebenslang.“ „Schuldgefühle nach dem Tod des Partners.“ Und dann zog Hartmut F. mit einer Maschinenpistole bewaffnet los. „Er hat seine Opfer regelrecht mit Kugeln durchsiebt, aus nächster Nähe. Sie hatten nicht einmal Zeit zu schreien“, erzählt Mittelacher.
Zunächst einmal feuert der Täter ein komplettes Magazin mit 25 Schuss auf eine Frau und einen Mann ab. Dann tauscht er das leere Magazin gegen ein neues. Jetzt rattert die nächste Salve mit 25 Schuss. Die beiden Opfer liegen nun da in ihrem Blut im Flur eines Doppelhauses. Es ist eine Tat, die von unbedingtem Vernichtungswillen zeugt. Nach diesen ersten beiden Morden eilt der 48-Jährige weiter. Der Täter entledigt sich nun zunächst der Uzi, indem er sie bei einem Freund über den Gartenzaun wirft. Dann fährt der Zahnarzt mit einem Mietwagen nach Kiel, betritt dort den Laden des Elektrikers Carsten B. und schießt dem 53-Jährigen mit einer Pistole Walther PPK, Kaliber 7,65 Millimeter, versehen mit einem Schalldämpfer, mehrfach ins Gesicht. Auch dieser Mann stirbt.
Zahnarzt erschießt seine Frau, deren neuen Freund – und einen Bekannten
Bei den drei Opfern handelt es sich um die Ehefrau des 48-jährigen Schützen und deren neuen Freund. Das dritte Opfer ist ein gemeinsamer Bekannter des Paares. Nach den Tötungen stellt sich der Mann der Polizei. Über das Motiv heißt es später, Hartmut F. habe nicht hinnehmen wollen, dass seine Frau sich von ihm getrennt und einem neuen Partner zugewandt habe.
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Das dritte Opfer ist ein Bekannter des Angeklagten, der offenbar dessen Ehefrau von Hartmut F.’s Seitensprüngen erzählt hat. Deshalb mache der 48-Jährige diesen Elektriker mit für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich. „Die Munition der Maschinenpistole der Marke Uzi entfaltet auf kurze und mittlere Entfernung eine große Durchschlagskraft“, erläutert Püschel. „Allein bei dem weiblichen Opfer werden später 48 Schusswunden festgestellt. Etliche der Projektile haben ihren Körper durchschlagen und dann noch ihren Bekannten getroffen. Dieser starb durch Kugeln in Herz, Lunge, Leber und Niere.“ Beide Opfer verbluteten sofort.
Im Prozess schweigt Hartmut F. lange
Der Prozess gegen den Mann, der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft für die drei Morde verantwortlich ist, beginnt am 23. Februar 2022. Vor Gericht schweigt der 48-Jährige zunächst. Zeugen berichten, dass es schon lange vor der Tat Drohungen von Hartmut F. gegeben habe. Demnach habe er gegenüber seiner Frau gesagt, er werde „Hund, Pferde, die Kinder, sie und sich selbst erschießen“.
Nach und nach gibt es zwei Geständnisse des Angeklagten. Das erste in einem Brief, in dem er schreibt: „Mit dieser Schuld leben zu müssen, ein Mörder zu sein, ist die schlimmste Strafe.“ Im Prozess sagt der 48-Jährige, er habe keine Erklärung, warum er die Taten begangen hat. „Es ist wie in einem ganz komischen Film abgelaufen, als würde es gar nicht der Realität entsprechen“, sagt er. „Wie ein Film? Nicht der Realität entsprechend?“, fragt Mittelacher. „Das soll wohl in die Richtung gehen, dass er nicht wirklich Herr seiner Handlungen war, also eine Affekttat.“
True Crime: Gericht glaubt der Schilderung des Zahnarztes nicht
Eigentlich habe er an jenem Tag die Waffen wegschaffen wollen, sei dann aber „leider“ seiner Frau hinterhergefahren, sagt der Angeklagte. „Dann kam es zu den schrecklichen Ereignissen“, sagt er. Die Situation „war irreal, völlig entrückt“. Doch ein psychiatrischer Sachverständiger führt aus, er sehe keine Anzeichen für eine verminderte Steuerungsfähigkeit oder Einsichtsfähigkeit des 48-Jährigen.
Das Urteil gegen Hartmut F. lautet schließlich auf lebenslange Freiheitsstrafe wegen dreifachen heimtückischen Mordes. Der Vorsitzende Richter spricht von einer „brachialen Vorgehensweise weit über das für das Töten eines Menschen Erforderliche hinaus“. Die Schilderungen des Angeklagten zum eigentlichen Tatgeschehen hält das Gericht für widerlegt. „Das Ganze hatte eindeutig den Charakter eines ,Hit and Run‘.“