Sylt. Am Wochenende sorgten Punks auf der Insel für Wirbel. Linke planen weitere Aktionen. So reagiert der Bürgermeister.
Als am Pfingstmontag die Aufregung über den ungewöhnlichen Besuch einem vorläufigen Ende zugeht, gibt sich Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) gelassen – und demonstrativ tolerant. „Wir haben keine Bevölkerungsgruppe aufgerufen, nicht nach Sylt zu reisen“, sagt er. „Wir sind eine weltoffene Insel und nehmen gerne jeden Gast auf und an.“
Nasenringe, rote Haare, Fetzenjeans, Poolparty im Brunnen vor einem Supermarkt, laute Musik und ganz viel Bier – na und? Etliche mit 9-Euro-Tickets angereiste Punks hätten zwar am Pfingstsonnabend und -sonntag „gegrölt und in die Gegend uriniert“, doch überwiegend seien sie friedlich gewesen, ähnlich wie andere Partyfreudige, sagte Häckel. Im Übrigen: Dass es laut und feuchtfröhlich zugehe, sei zumindest zu Pfingsten und Himmelfahrt „nicht unüblich“ auf Sylt.
Sylt: 9-Euro-Party am Wochenende – war das nur der Anfang?
Der Bürgermeister reagiert damit auf Äußerungen von jungen Männern gegenüber dem NDR, sie seien nach Sylt gereist, „weil uns gesagt wurde, dass wir hier nicht erwünscht sind“ und weil Sylt regelrecht „geschrien“ habe, „wir wollen euch hier nicht haben“. Dann kommen wir erst recht vorbei, sei ihre Devise gewesen. Außerdem: Wann sonst gebe es die Chance, so günstig nach Sylt zu kommen?: „Rein theoretisch ist das hier die Reicheninsel.“
Dass seltene Gäste die Promenaden etwa in Westerland bevölkern, könnte in den kommenden Wochen erneut vorkommen. So ruft etwa ein Bündnis aus linken Gruppen und Einzelpersonen im Internet unter dem Motto „Sylt entern – Klassenfahrt zu den Reichen!“ zu einem Ausflug auf die Insel am 16. Juli auf. „Wir sind entspannt“, sagt Bürgermeister Nikolas Häckel. „Spekulationen, was auf uns zukommt, sind schwierig – wir werden uns das anschauen und darauf reagieren.“
Reagieren musste die Sylter Polizei schon am Pfingstwochenende, hauptsächlich auf Ruhestörungen, illegales Campen in den Dünen, Sachbeschädigungen und weitere Delikte, „die im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum standen“. Doch es hielt sich offenbar in Grenzen: In der Nacht auf Sonntag habe es etwa 20 Einsätze gegeben, am Sonntag tagsüber neun Einsätze, in der Nacht zum Pfingstmontag sieben Einsätze, sagte ein Polizeisprecher. Mit den etwa 150 angereisten Punks habe es Gespräche gegeben; sie benähmen sich im Rahmen.
Bier in Westerland – Champagner und Longdrinks in Kampen
Zu Handgreiflichkeiten kam es allerdings am Sonnabend vor dem Restaurant Cropino in Westerland. Ein Mitarbeiter des Restaurants, der auf die vor dem Lokal versammelten Punks einreden wollte, soll gewürgt worden sein; er blieb aber unverletzt. Aus Sicht von Cropino-Chef Mickey Schreiber war der Tag eine Katastrophe. „Eigentlich könnte ich sofort zumachen“, sagte er. Wegen der Punks habe er kaum Gäste gehabt. „Das Pfingsten-Geschäft ist komplett im Eimer. Dabei hätten wir das nach der harten Zeit in der Pandemie gut gebrauchen können“, sagte Schreiber. Das italienische Restaurant hatte im Februar 2020 eröffnet, kurz vor dem Beginn der Corona-Pandemie.
Gelassen ging es dagegen auf der Whiskymeile in Kampen zu. Am Sonnabendnachmittag feierten auf den Terrassen der Edellokale viele schick gekleidete Gäste mit Champagner und Longdrinks. „Wir haben nur glückliche Gesichter gesehen von der Buhne 16 über Pony bis zum Club Rotes Kliff“, sagte Birgit Friese, Tourismusdirektorin von Kampen. „Ich freue mich für die vielen jungen Menschen, die hier bei uns so eine coole Zeit hatten.“ Der Edelclub Pony hatte auf seiner Internetseite den „Ausnahmezustand“ gefeiert. Am Strand von Hörnum fand am Wochenende der Beach Polo World Cup statt – laut Veranstalter vor 5000 Zuschauern.
Keine übermäßige Einsatzbelastung der Polizei
Die Insel sei voll gewesen, „aber die Pfingstfeiertagsstimmung und Einsatzbelastung war keine andere als in den Jahren vor der Corona-Zeit“, bilanzierte die Polizeidirektion Flensburg am Montag. In sozialen Medien war vor Pfingsten zu „Chaostagen“ auf Sylt aufgerufen worden – doch letztlich konnte von Chaos offenbar keine Rede sein.
In den vergangenen Tagen war in der Debatte über das 9-Euro-Ticket viel über Sylt gesprochen worden. Tatsächlich waren viele Züge, die auf der Insel eintrafen, brechend voll. Viele Bahnreisende kamen in Partystimmung an. Sie verteilten sich dann aber schnell auf der Insel. Am Sonnabend waren zumindest Strandbesuche eher nicht angesagt – es war fast den ganzen Tag grau, erst am Abend hellte es auf. Der Sonntag verlief zunächst deutlich sonniger. Eine Bahnsprecherin erklärte mit Blick auf die vollen Züge Richtung Küste, das sei typisch für das Pfingstwochenende und nicht unbedingt auf das 9-Euro-Ticket zurückzuführen.
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In der Lübecker Bucht, die etwa von Hamburg aus mit dem 9-Euro-Ticket schnell zu erreichen ist, war es an Pfingsten auch nicht übervoll. Mehrere Strandkorbvermieter in Timmendorfer Strand hatten zwar am Sonntagmittag bereits ein „Belegt“-Zeichen rausgestellt. Doch wer sich umschaute, fand immer noch einen freien Korb. Es seien mehr Menschen gekommen als zu Himmelfahrt, aber da sei das Wetter auch nicht so schön gewesen, sagte eine Mitarbeiterin des Touristen-Informationszentrums im Niendorfer Hafen. Am Pfingstmontag sorgte reger Reiseverkehr erneut für volle Züge in Schleswig-Holstein und Hamburg. Besonders von den Inseln und Küsten aus in Richtung Süden sei erwartungsgemäß viel los, sagte eine Bahnsprecherin.
9-Euro-Ticket in Hamburg: Alle Fragen und Antworten
- Wo kann ich das 9-Euro-Ticket kaufen? Die Tickets sind über die Apps, Fahrkartenschalter, Kundenzentren und andere Verkaufsstellen der Deutschen Bahn erhältlich. In Hamburg ist die Fahrkarte über die HVV-App, den HVV-Onlineshop, die Servicestellen, die HVV-Switch-App, an den Fahrkartenautomaten und in allen Bussen zu bekommen. Außerdem gibt es vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auch eine eigene „9-Euro-Ticket“-App, die auf den gängigen Plattformen runtergeladen werden kann.
- Für welchen Zeitraum gilt das Ticket? Die Tickets gelten jeweils für Juni, Juli und August – und zwar für den Kalendermonat. Nicht möglich sind Tickets für gleitende 4-Wochen-Zeiträume, also zum Beispiel von Mitte Juli bis Mitte August.
- Wie weit kommen Hamburger mit dem 9-Euro-Ticket in Deutschland? In unserer interaktiven Karte finden Sie Ziele, die ab Hamburg mit Regionalzügen zu erreichen sind – direkt oder mit höchstens dreimal Umsteigen.
- Welche Verkehrsmittel kann man mit dem Ticket nutzen? Prinzipiell gilt das 9-Euro-Ticket bundesweit in allen Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Zügen des Nah- und Regionalverkehrs – egal ob von der Deutschen Bahn oder anderen Anbietern. Nicht genutzt werden kann der Fernverkehr der Deutschen Bahn mit ICE, Intercity und Eurocity. Auch auf einigen Intercity-Abschnitten, auf denen Fahrgäste mit anderen Nahverkehrsfahrkarten sonst zusteigen dürfen, gilt das Ticket nicht. Diese Fernverkehrszüge werden in der Reiseauskunft neben der IC- mit einer Regionalzug-Kennzeichnung ausgewiesen. Dabei stehe der Hinweis „9-EUR-Ticket nicht gültig“. Nach Angaben der Deutschen Bahn laufen zu dem Thema regional noch Gespräche.
- Kann man das 9-Euro-Ticket mit ICE-Tickets kombinieren? Ja. Wie die Deutsche Bahn mitteilte, kann man damit im Regionalverkehr zu dem Bahnhof fahren, an dem man in einen Fernzug umsteigt. Für die Fahrt im Fernverkehr ist dann aber immer ein separates Ticket notwendig.
- Was ist mit Fahrrädern? Wer Fahrräder mitnehmen will, muss für diese trotz 9-Euro-Tickets meist ein paar Euro extra zahlen, zudem kann es passieren, dass die Züge so ge- oder gar überfüllt sind, dass ein Rad schlicht nicht mehr mitgenommen wird.
- Wird trotz der günstigen Tickets weiter kontrolliert? Ja, die Verkehrsunternehmen kontrollieren eigenen Angaben zufolge wie gewohnt weiter. Wer ohne Ticket angetroffen wird, zahlt nach wie vor ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsgeld von meist 60 Euro.
- Warum ist das Ticket nicht gleich kostenlos? Diesen Vorschlag hat es aus den Ländern tatsächlich gegeben. Einfach auf Tickets (und die Kontrolle) zu verzichten, hätte den Aufwand deutlich gesenkt, so die Argumentation. Ein Grund dafür, dass nun doch etwas Geld verlangt wird: Die Nutzung lässt sich auf diese Weise besser analysieren. Wer nutzt auf welchen Strecken Busse und Bahnen, wenn es deutlich günstiger ist – das ist für die Verkehrsbetriebe eine spannende Frage.
- Werden zusätzliche Züge eingesetzt? Viele Verkehrsunternehmen haben für die drei Monate Verstärkerzüge angekündigt. Die Deutsche Bahn etwa will 50 zusätzliche Züge einsetzen und das Personal verstärken. Mit den Fahrzeugen könnten 250 zusätzliche Fahrten angeboten werden, hieß es. Sie sollen vor allem entlang der Touristenstrecken in Richtung Nord- und Ostsee sowie im Süden eingesetzt werden. Doch angesichts von durchschnittlich rund 22.000 Regionalbahnfahrten jeden Tag sind Fachleute skeptisch, ob das reicht.
- Welche Ausflüge gibt es in Hamburg und Umgebung? Das finden Sie im neuen Magazin „Ausflüge“ vom Hamburger Abendblatt. Es ist erhältlich in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32 gleich hinter dem Rathaus, auf abendblatt.de/shop und im Buch- und Zeitschriftenhandel.
- Fahrpläne ab Hamburg unter www.bahn.de, www.der-metronom.de, www.nordbahn.de, www.hvv.de, www.nah.sh, regional.bahn.de/regionen/meckpomm/fahrplan