Kiel. Zwischen Bachelorarbeit und Wahlkampf: Die 25-Jährige ist frisch gewählte Grünen-Abgeordnete. Für diese Themen setzt sie sich ein.
Nelly Waldeck kommt gerade von einer Hausführung durch den Kieler Landtag. Mit 25 Jahren ist sie die jüngste Abgeordnete im schleswig-holsteinischen Landtag. Die Grünen-Politikerin, die als Direktkandidatin für den Wahlbezirk Kiel-Ost angetreten ist, trägt einen beigen Fleecepullover und hat ihr braunes Haar zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, als sie mit dem Abendblatt spricht. Für das Online-Gespräch hat sie sich einen eigenen Raum organisiert, doch immer wieder klopft es an der Tür.
"Ich bin immer noch wahnsinnig stolz über unser Ergebnis und freue mich total. Ich bin aber auch wirklich aufgeregt vor den ersten Terminen im Landtag", sagt Waldeck auf die Frage hin, wie es um ihre aktuelle Gefühlslage steht. Dass die Kielerin über die Liste und nicht über ein Direktmandat in den Landtag eingezogen ist, mache der 25-Jährigen nichts aus.
Nelly Waldeck: Mit 25 in den Kieler Landtag
„Man schaut sich ja immer die Prognosen vor der Wahl an und ich muss sagen, dass ich mit meinem Ergebnis zufrieden bin. Wir als Grüne konnten das Ergebnis von der Bundestagswahl ja sogar in einigen Bezirken toppen und sind insgesamt auch leicht über dem, was wir erwartet hatten.“ Dass die Grünen dieses Mal so präsent wie noch nie am Ostufer in Kiel waren, war Waldeck eine Herzensangelegenheit. „Ich habe mich stark dafür eingesetzt, und ich habe ohnehin bereits sehr viel Zeit während meiner Studienzeit an der Fachhochschule dort verbracht“, sagt sie. Das wird sich nun ändern.
Obwohl Waldeck ihren Bachelor im Fach Soziale Arbeit noch nicht ganz in der Tasche hat, wartet nun ein Vollzeitjob auf die 25-Jährige. Doch das beängstigt Waldeck anscheinend nicht. Durch die Doppelbelastung des Studiums und ihrer Tätigkeit in der Grünen Jugend sowie bei der Gruppe Fridays for Future, bei der sie sich seit Anfang 2019 engagiert, hätten Waldecks Tage bisher ohnehin „viele Stunden“ gehabt. Besonders in den letzten Wochen, wo sie neben dem Wahlkampf noch ihre Bachelorarbeit schrieb, sei es sehr „arbeitsintensiv“ gewesen, so die 25-Jährige.
Früh zu Umweltfreundlichkeit sozialisiert
Aufgewachsen ist Waldeck in einer, wie sie sagt „durchschnittlich politischen“ Familie in Kronshagen bei Kiel. Zwar habe das Thema Politik in der Familie durchaus eine Rolle gespielt, es sei aber kein besonderer Fokus darauf gelegt worden. Dank ihrer Eltern sei Waldeck allerdings schon früh zu Umweltfreundlichkeit sozialisiert worden, etwa wenn es darum ging, mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zu fahren.
Auch um die CO2-Belastung durch tierische Produkte wie Fleisch habe sie früh gewusst, sagt sie. Deshalb sei sie auch schon lange Vegetarierin. Welche Dimension die Klimakrise jedoch im Allgemeinen hat, sei der 25-Jährigen erst bewusst geworden, als sie auf Klimabewegungen wie Greenpeace oder Fridays for Future stieß. "Ich habe mich gefragt, was das eigentlich alles bringt, dass ich nicht mehr fliege oder kein Fleisch esse, wenn sich doch bei größeren Themen wie der Energiewende ziemlich wenig ändert.“
Wenig junge Frauen in Verkehrs- und Klimapolitik
Als sich Waldeck in den Bewegungen engagiert, fällt ihr auf, dass es immer noch wenig junge Frauen gibt, die in der Klimapolitik aktiv sind. „Insbesondere in der Verkehrs- und Klimapolitik fehlen die Perspektiven junger Frauen. Mir ist es aber wichtig, dass wir in der Demokratie repräsentiert sind“, sagt Waldeck energisch.
Sie sei davon überzeugt, „dass überall dort, wo Entscheidungen getroffen werden, auch die Vielfalt unserer Gesellschaft abgebildet werden muss.“ Für junge Menschen habe dies eine ganz besondere Bedeutung, weil nach Ansicht der Kielerin eine „andere Betroffenheit“ herrsche. Besonders die Pandemie und die Klimakrise zeigten dies.
Besondere Betroffenheit junger Menschen
„Es gibt dieses Paradigma auf der einen Seite, dass man viele Jahre Erfahrung haben muss, um in ein Parlament einzuziehen. Da wird einem auch vorgeworfen, dass man zu wenig Erfahrung hat mit seinen jungen Jahren. Gleichzeitig sind wir eben die Menschen, die, wenn es um die Klimakrise geht, besonders betroffen sind, weil wir die Folgen ausbaden werden müssen.“
Deshalb will Waldeck insbesondere jungen Menschen Gehör verschaffen und fragt sich „Was wollen junge Menschen eigentlich und wie schaffen wir es, dass junge Menschen sich auch selbst beteiligen?“ Unausweichlich sei für sie deshalb die Integration in entsprechende Gruppen.
Mobilitätsgarantie für Schleswig-Holstein
Neben Klimaneutralität setzt sich Waldeck für Mobilität und eine „Mobilitätsgarantie“ in Schleswig-Holstein ein, die es allen Menschen auch ohne Auto garantieren soll, mobil zu sein – „mit einem On-Demand-Shuttle, das einen zum nächsten Knotenpunkt fährt, wo die Bahn dann abfährt“, erklärt Waldeck.
Eine wichtige Strategie sei ihrer Meinung nach dabei ein Mobilitätsgesetz, wie es Berlin bereits auf den Weg gebracht hat. Durch die Zusammenarbeit von Bürgern, der Verwaltung und der Regierung hat Berlin ein Gesetz entwickelt, das das Ziel einer "fairen Verteilung des öffentlichen Raums" verfolgt. Dabei wird dem ÖPNV sowie dem Fuß- und Radverkehr Vorrang gegenüber dem PKW-Verkehr eingeräumt.
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Inspiriert hätten Waldeck gleich mehrere Grünen-Politikerinnen wie die erneut in den Landtag gewählte Aminata Touré (Grüne), die ebenso als Spitzenkandidatin der Grünen Jugend vor fünf Jahren angetreten ist. „Aminata macht großartige Arbeit und vor allem auch eine Öffentlichkeitsarbeit, die gezeigt hat, dass Abgeordnete auch nahbare Menschen sind.“ Ebenso die EU-Parlamentarierin Terry Reintke (Grüne), „die jungen Frauen auch noch mal deutlich macht, dass es total in Ordnung ist, auch als Politikerin du selbst zu sein.“ Waldeck habe zwar Ehrfurcht vor der großen Verantwortung, die ihr jetzt auferlegt werde, sei aber nicht ängstlich.
Nelly Waldeck ist auch bei privaten Projekten verantwortungsvoll
Dass Waldeck Herausforderungen mit Offenheit begegnet, bestätigt auch Johanna Schierloh, die Waldeck bei ihrem Wahlkampf unterstützt hat und selbst bei der Grünen Jugend in Schleswig-Holstein tätig ist. Durch ihre zugängliche und nahbare Art habe die 24-jährige Kielerin Waldeck gleich bei ihrem ersten Treffen ins Herz geschlossen.
Neben ihrer Bodenständigkeit schaffe es Waldeck immer wieder aufs Neue, die Leute "mitzureißen" und Themen verständlich zu präsentieren, findet Schierloh. So sei es auch bei ihrem gemeinsamen Schrebergarten gewesen. Auch hier sei Waldeck zwar für die Koordination verantwortlich. Die 24-Jährige ist allerdings überzeugt: Auch durch ihre neue Rolle als Abgeordnete werde sich Waldecks zugängliche Art nicht ändern.