Sieseby. Die Betreiber des Schliehuus54 in Sieseby wollen mit dem Wirtschaftsminister über die Personalnot in der Branche sprechen.
Die Wohnungen für ihre neuen Arbeitskräfte stehen bereit, aber Ira und Jan Fischer warten verzweifelt auf ihre vier Auszubildenden. Eigentlich sollten die jungen Indonesier ihre Stellen bereits am 1. April antreten, aber weil sie ihre Visa nicht rechtzeitig bekommen haben, fehlen nun Mitarbeiter. „Wir sind gerade richtig stinkig auf Vater Staat, denn die vier haben alles dafür getan, hierhin zu kommen.
Sie sind Anfang 20, mega motiviert, wir haben Zoom-Vorstellungsgespräche mit ihnen geführt, sie haben Deutsch gelernt, und jetzt werden die Visa nicht erteilt beziehungsweise die Vergabe wird dermaßen künstlich in die Länge gezogen“, klagt der 37 Jahre alte Gastronom, der gemeinsam mit seiner Frau zwei Restaurants in Arnis und Sieseby an der Schlei betreibt.
Schleiregion: Für die Gastronomen drängt die Zeit
Von der deutschen Botschaft sei ihm gesagt worden, es kämen ja jetzt genügend ukrainische Flüchtlinge. Über das Unternehmen AuLiD (Ausbildung und Leben in Deutschland) seien schon mehr als 3000 junge Arbeitskräfte erfolgreich vermittelt worden und ins Land gekommen. Bis die Visavergabe ins Stocken geriet. „Welches Bild geben wir denn dort jetzt ab“, sagt Fischer, „diese jungen Leute würden hierherkommen, wo sie dringend gebraucht werden. Sie schließen Ausbildungsverträge ab, lernen Deutsch, aber dann zieht sich das Verfahren endlos.“
Bei dem Gastronomenpaar drängt die Zeit, denn sie sind bereits in die neue Saison gestartet. Die beiden 37-Jährigen haben im vergangenen Jahr den alteingesessenen Gasthof in Sieseby übernommen. 30 Jahre lang, bis Ende 2014, hatte das Ehepaar Renate und Peter Möller diese Institution an der Schlei betrieben. Der folgende Pächter gab nur ein kurzes Gastspiel, danach stand das Haus jahrelang leer. Nach einer umfangreichen Sanierung eröffneten Ira und Jan Fischer ihr Restaurant im Oktober 2021.
Restaurant bietet 58 Plätzen drinnen
Jetzt heißt es Schliehuus54 – die Zahl steht für den 54. Breitengrad. Aus dem Gastraum und von der Terrasse vor dem Haus hat man einen wunderbaren Blick auf die Schlei. Das noch recht neue Restaurant mit 58 Plätzen drinnen und knapp 40 auf der Terrasse erhielt kürzlich bereits den BIB Gourmand, mit dem der internationale Gastronomieführer Guide Michelin Häuser auszeichnet, die hervorragendes Essen zu angemessenen Preisen servieren. Sieseby hat damit mit dem Gasthof Alt-Sieseby von 1867 eine zweite wunderbare gastronomische Adresse.
Die Eigentümer des Hauses hätten eine ganze Weile versucht, sie als neue Pächter zu gewinnen, erzählt Jan Fischer. Das Gebäude gehört zum Familienbesitz der Herzoglichen Verwaltung Gut Grünholz, die von Ferdinand Prinz zu Schleswig-Holstein geführt wird. „Sie haben uns öfter gefragt, ob wir nicht Lust hätten, den ehemaligen Schlie Krog wieder zum Leben zu erwecken“, sagt Jan Fischer. Er und seine Frau hätten immer abgelehnt, weil sie ja mit der Strandhalle in Arnis, dem Grundstein für ihre gastronomische Selbstständigkeit, genug zu tun hatten. Im Winter 2020/21 hätten sie dann doch zugesagt.
Fischer arbeitete auch im Hotel Fontenay
Dass sie eines Tages ihr eigenes Ding machen wollen, hatten beide schon während ihrer Ausbildung beschlossen – so erzählen es die Eltern von zwei Söhnen (6 und 8 Jahre alt). Jan Fischer war mit 16 nach der mittleren Reife von der Schule abgegangen. Nach einer Kochausbildung im Luxushotel Vier Jahreszeiten in München ab 2001 absolvierte der gebürtige Hamburger eine Ausbildung zum Hotelfachmann im Brenners Park-Hotel in Baden-Baden. „Dort habe ich meine Frau kennengelernt, wir waren im gleichen Lehrjahr.“
Nach dem Fachabitur sattelte er in Den Haag ein Hotelmanagement-Studium obendrauf. Weitere Stationen waren wieder Brenners Park-Hotel und das Hotel Fontenay in Hamburg. „Wir haben dann irgendwann die Strandhalle in Arnis entdeckt, und sie wurde uns zum Kauf angeboten“, erzählt der 37-Jährige, der nun schon 20 Jahre Berufserfahrung in Hotellerie und Gastronomie hat. „Ira kommt aus Elsfleth. Sie wollte eigentlich gar nicht so hoch in den Norden, aber am Ende haben wir uns dann doch dafür entschieden.“
„Wir haben auf Selbstbedienung umgestellt"
In ihrer ersten Saison betrieben sie die Strandhalle in Arnis noch als À-la-carte-Restaurant. In der Pandemie modelte das Paar die Gaststätte mit 80 Außenplätzen um: „Wir haben auf Selbstbedienung umgestellt und Fischbrötchen und Pommes aus dem Fenster verkauft. Alles frisch belegt, die Saucen selbst gemacht. Das lief richtig gut, die Stammgäste sind uns treu geblieben, und neue Gäste haben uns entdeckt“ sagt Ira Fischer.
Wenn sie von Arnis zu ihrem Restaurant in Sieseby wollen, müssen sie über Kappeln fahren, denn die Betriebszeiten der Fähre in Arnis sind nicht immer kompatibel mit den Öffnungszeiten ihrer beiden Häuser. „Wenn wir morgens hier anfangen, dann fährt sie noch nicht, und wenn wir abends aufhören, fährt sie nicht mehr“, sagt Jan Fischer.
Schliehuus bietet tagsüber kleine Gerichte an
Küchenchef Phillip Sönnichsen zeichnet für beide Küchen verantwortlich. Der 35-jährige gebürtige Flensburger hat seine Kochausbildung im Hotel Miramar auf Sylt gemacht, es folgten Stationen im Hotel Altes Gymnasium in Husum, im Strandhotel Glücksburg und im Restaurant Alte Post in Flensburg. Dem jungen Küchenchef ist wichtig, dass die Gerichte nicht zu viele Komponenten haben, „aber gut abgeschmeckt sind. Viel mehr braucht man nicht“, so Sönnichsen. Koch sei ein schöner Beruf, aber die Personalsituation sei traurig, sagt auch er, der deshalb zwischen den Schichten in Arnis und Sieseby wechseln muss.
Und so gibt es im Schliehuus tagsüber nur kleine Gerichte und abends nur ein Zwei- oder Drei-Gänge-Menü (41 bis 52 Euro) mit nordischen Tapas, jeweils einem Fleisch- und einem vegetarischen Hauptgang und zwei Desserts zur Auswahl. „Die kleine Karte ist ein Kompromiss, dafür ist alles frisch gekocht“, sagt Sönnichsen. Am 12. April startet auch die Strandhalle in die Saison – täglich außer montags von 12 bis 17 Uhr. Das Schlie-huus54 öffnet dann stets nur zur Abendschicht – täglich außer montags von 18 bis 21 Uhr.
Schleiregion: Fischer will Habeck persönlich sprechen
Um ein weiteres wirtschaftliches Standbein zu haben, baut das Paar außerdem gerade vier Ferienwohnungen in Grödersby bei Arnis. Was sie mehr umtreibt als steigende Baukosten, ist das leidige Personalproblem.
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Und deshalb will Jan Fischer Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der am 16. April nach Kappeln zu einem Wahlkampftermin kommt, gern persönlich sprechen: „Er ist ja unser Wahlkreisabgeordneter. Ich habe ihm schon geschrieben und ihn eingeladen in eines unserer Restaurants, um mit ihm mal über die Situation in der Branche zu sprechen. Wir finden keine Mitarbeiter, das ist existenzbedrohend.“