Fehmarn/Tönning. Verwaltungsgericht entscheidet Musterverfahren. Auf der Ostseeinsel gibt man sich gelassen – und will das Urteil anfechten.

Wer sich eine Zweitwohnung leisten kann – womöglich noch in einem schönen Ort an der Küste – hat Glück. Der Unmut vieler Eigentümer gegen die Zweitwohnungssteuer vielerorts ist dennoch groß. Wegen der enormen Wertzuwächse vieler Immobilien stiegen auch die Bodenrichtwerte – ein wichtiger Faktor bei der Steuerberechnung – und damit erhöhte sich auch die Zweitwohnungssteuer. Zusätzliche Berechnungsfaktoren sind Lage, Wohnfläche, Baujahr und die Frage, ob man die Immobile vermietet oder mehrheitlich selbst nutzt.

Wer also ein modernes Einfamilienhaus in bester Lage, etwa nah am Wasser, selbst nutzt, bezahlt am meisten. Wer eine kleine Wohnung in einem älteren Haus im Hinterland hat und diese auch noch mehr als die Hälfte des Jahres vermietet, kommt sehr viel günstiger davon.

Immobilien: Zweitwohnungssteuersatzung auf Fehmarn rechtswidrig

Nun gibt es Urteile in zwei Musterverfahren, die Zweitwohnungsbesitzer der Stadt Fehmarn und der Stadt Tönning betreffen. Die 4. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes hat die Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt Fehmarn in Ostholstein für rechtswidrig erklärt, jene der Stadt Tönning in Nordfriesland allerdings für rechtmäßig. Geklagt hatten laut Lange ein in Niedersachsen wohnender Eigentümer einer Wohnung in Burgtiefe in Fehmarn und eine Berlinerin, die eine Wohnung in einem historischen Haus am Tönninger Hafen hat.

Zahlreiche Städte und Gemeinden verlangen eine Zweitwohnungssteuer, um so den Steuerausgleich, den sie für jeden Bewohner mit Erstwohnsitz erhalten, wieder hereinzuholen. Denn je mehr gemeldete Einwohner eine Stadt hat, desto höher sind die Zuschüsse aus dem kommunalen Finanzausgleich. Weil im Herbst 2019 die frühere Berechnungsgrundlage (Jahresrohmiete) vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, mussten die Kommunen neu rechnen.

Zweitwohnung an der Ostsee: Gericht kippt Zweitsteuersatzung der Stadt Fehmarn

Das Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht urteilte nun: „Die von der Stadt Fehmarn für die Jahre 2019 und 2020 erhobene Zweitwohnungssteuer ist rechtswidrig, weil die zugrundeliegende Zweitwohnungssteuersatzung aus dem Dezember 2019 gegen höherrangiges Recht – Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Gleichheitsgrundsatz, die Red.) – verstößt“, erklärt Gerichtssprecherin Friederike Lange. Hingegen sei die von der Stadt Tönning auf der Grundlage ihrer Zweitwohnungssteuersatzung aus September 2020 für die Jahre 2019 bis 2021 erhobene Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung rechtmäßig.

Lange erklärte: „Der Lagewert der Stadt Fehmarn orientiert sich 1:1 am Bodenrichtwert. Der bestimmt, was ein Grundstück wert ist und der ist natürlich in den letzten Jahren enorm durch die Decke gegangen. Grundsätzlich darf man sich daran orientieren, allerdings darf er nur im Verhältnis der Wohnungen zueinander mit ihren verschiedenen Lagen eine Rolle spielen.“

„Wir haben diese Beurteilung nicht verstanden“, sagt der Kämmerer der Stadt Fehmarn, Mario Markmann dem Abendblatt. „Es gibt ja schon zig Bodenrichtwerte. Warum die Richterin meint, man müsse da jetzt noch einen Faktor einführen, erschließt sich mir nicht, unserem Anwalt nicht und auch anderen Verwaltungen derzeit nicht. „Wir glauben, dass die Richterin da einen Gedankenfehler macht.“ Markmann kündigt an: „Wir waren jetzt auf das schriftliche Urteil und werden in Berufung gehen. Wir gehen fest davon aus, dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig eine andere sein wird.“ Seinen Angaben zufolge gibt es auf der Insel mit etwa 12.900 Einwohnern 3100 Zweitwohnungen, davon seien 1670 steuerpflichtig.

Gericht entscheidet auch über Tönning

Mit der alten Berechnungsmethode habe Fehmarn 1,2 Millionen Euro pro Jahr an Zweitwohnungssteuer eingenommen, mit der neuen 2,7 Millionen Euro im Jahr. „Es war aber gewollt, eine Erhöhung vorzunehmen“, sagt Markmann. Eventuelle Hoffnungen, dass Zweitwohnungsbesitzer künftig günstiger wegkommen, zerstört er im Gespräch mit dem Abendblatt: „Es wird für die Steuerpflichtigen nicht billiger werden, auch wenn wir die Berechnungsgrundlage ändern müssten, dann ändert sich eben der Steuersatz.“

Immerhin haben laut dem Kämmerer etwa 300 Steuerpflichtige eine geringere Steuer zu zahlen als nach der alten Berechnungsgrundlage. Mit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts rechnet der Kämmerer nicht mehr in diesem Jahr. Solange werde weiter nach bestehender Satzung veranlagt, so Markmann.

Anders als auf Fehmarn sah das Schleswiger Verwaltungsgericht die Lage im nordfriesischen Tönning. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Flächenmaßstabs durch die Stadt Tönning bestünden keine rechtlichen Bedenken, da diese in ihrer Satzung bei dem Lagewert die Bodenrichtwerte ins Verhältnis gesetzt und „dadurch einen Wertfaktor gebildet habe, der die Wertigkeit der Wirtschaftsgüter proportional zueinander abbilde und eine Steigerung bzw. Veränderung der Bodenrichtwerte so allein im Verhältnis der grundstücksbezogenen Wertfaktoren zueinander Ausdruck finde“.

Zweitwohnungssteuersatzung rechtswidrig: Stadt Fehmarn will Urteil anfechten

Auch das im Jahr 2020 für 47 Tage geltende Einreiseverbot für Zweitwohnungsbesitzer aus anderen Bundesländern aufgrund der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus habe die Verfügungsmacht der Eigentümer nicht so eingeschränkt, dass eine Nutzung der Wohnung ausgeschlossen gewesen sei und die konkret festgesetzte Steuer daher unverhältnismäßig geworden oder zu kürzen gewesen wäre, so das Urteil des Gerichts.

Die Kammer hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht gegen beide Urteile wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Weitere Verfahren seien anhängig – dabei gehe es um das Amt Lauenburgische Seen und die Stadt Schleswig, so Gerichtssprecherin Lange.