Scharbeutz. Hamburger beklagt drastische Erhöhung der Steuer. Kämmerer räumt ein: Die Werte seien “explodiert“ – aber nur in bestimmten Bereichen.

In diesen Tagen erhalten viele Hamburger ihren Zweitwohnungssteuerbescheid für 2022 – und erleben dabei einen kleinen Schock. So wie Wolfgang Moritz, der sich vor 20 Jahren eine kleine Wohnung in Scharbeutz an der Ostsee gekauft hat. 49 Quadratmeter in einem Haus von 1970 im Hochparterre, strandnah.

Für das laufende Jahr soll der 75-Jährige 1853,38 Euro an Zweitwohnungssteuer bezahlen – nach 1312,81 Euro in den vergangenen beiden Jahren und 790,89 Euro im Jahr 2019. „Zweitwohnungsbesitzer darf man schröpfen, denn sie besitzen ja offensichtlich hohe wirtschaftliche Potenz“, sagt Moritz verärgert.

Ostsee: Hamburger soll hohe Zweitwohnungssteuer zahlen

Doch das sei nicht so. „Ich habe knapp 50 Jahre gearbeitet“, sagt der Hamburger, „und habe mir die kleine Wohnung in jahrzehntelanger Arbeit zusammengespart.“ Nun scheine es, als wollten ihm die Politiker der Gemeinde Scharbeutz einen dicken Strich durch seine Vorstellungen vom Seniorendasein mit vielen schönen Stunden in dem Ostseebad machen.

Wer außer seiner Hauptwohnung noch einen zweiten Wohnsitz hat, wird in vielen Städten oder Gemeinden zur Kasse gebeten – mit der Zweitwohnungssteuer. Weil im Herbst 2019 die frühere Berechnungsgrundlage (Jahresrohmiete) als verfassungswidrig eingestuft wurde, mussten die Kommunen neu rechnen.

Doch so einfach, wie Herr Moritz die Sache sieht, ist es nach Ansicht von Volker Bensch, Kämmerer der Gemeinde Scharbeutz, nicht. Er sagt, die Gemeinde habe auf den Bodenrichtwert keinen Einfluss, denn der werde vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Ostholstein festgelegt. „Bodenrichtwerte sind durchschnittliche Lagewerte des Grund und Bodens, die für eine Mehrzahl von Grundstücken ermittelt werden, für die im Wesentlichen gleiche Nutzungs- und Wertverhältnisse vorliegen“, heißt es dazu vom Gutachterausschuss.

Ostsee: "Strandnah sind die Werte explodiert"

Die Gemeinde Scharbeutz hat nach Angaben des Kämmerers die aktuellen Bodenrichtwerte als Berechnungsgrundlage genommen. Dadurch sei es in bestimmten Bereichen deutlich teurer geworden, „strandnah sind die Werte explodiert“, sagt Bensch, weil der Wert der Grundstücke gestiegen sei. „Der Bodenrichtwert liegt nicht in unserem Einfluss.“

In manchen Bereichen sei die Erhöhung der Zweitwohnungssteuer sehr moderat und liege beispielsweise nur bei 30 bis 50 Euro. Allein für Scharbeutz gebe es Hunderte unterschiedliche Bodenrichtwerte – von 50 bis 1800 Euro pro Quadratmeter. Und der werde alle zwei Jahre neu festgelegt.

So wird die Zweitwohnungssteuer berechnet

Für die Zweitwohnungssteuer gelte folgende Berechnung: Bodenrichtwert mal Wohnungsgröße mal Baujahr mal Verfügbarkeitsgrad (ob sie selbst genutzt oder teilweise oder ganz vermietet wird). Auf die Berechnung habe die Gemeinde nur wenig Einfluss, denn Baujahr und Wohnungsgröße seien feste Grundwerte. Das Baujahr schlage aber eher wenig zu Buche, sagt Bensch. Der Steuersatz sei per Satzung festgelegt und liegt in Scharbeutz derzeit bei 1,6 Prozent.

Nach Angaben von Bensch wird sich der Finanzausschuss im Februar noch einmal mit dem Thema befassen und über den Steuersatz diskutieren. „Er könnte noch gesenkt werden, aber das ist eine politsche Entscheidung.“ Es gebe etwa 4500 Zweitwohnungen, davon würden 2150 von den Eigentümern ausschließlich selbst genutzt, die anderen teilweise oder ganzjährig vermietet.

In der Verwaltungsgemeinschaft Grömitz der Gemeinden Grömitz, Dahme, Grube, Kellenhusen ist man dabei, den Steuersatz für die Zweitwohnungssteuer zu beraten. Die Gemeinde Dahme habe eine entsprechende Entscheidung für eine Satzungsänderung bereits getroffen, sagt Matthias Bosch, Kämmerer der Gemeinden Dahme, Grube und Kellenhusen. „In Dahme wurde der Steuersatz von 3,7 Prozent auf 2,9 Prozent gesenkt“, so Bosch. Die Bodenrichtwerte liegen seinen Angaben zufolge zwischen 230 und 1200 Euro pro Quadratmeter. „Wer dicht am Wasser wohnt, muss die gute Lage mitbezahlen.“

Gemeinden an der Ostsee passen Zweitwohnungssteuer an

Doch das dürfe keine „erdrosselnde Wirkung für den Eigentümer“ haben, sagt er. Im Jahr 2019 habe etwa Dahme 725.000 Euro an Zweitwohnungssteuer eingenommen, im Jahr 2020 sei wegen der Pandemie und der Einreiseverbote nur für zehn Monate eingezogen worden – insgesamt 639.000 Euro. 2021 seien es bisher 690.000 Euro. Wegen der gestiegenen Bodenrichtwerte habe man bei unverändertem Steuersatz für 2022 1,27 Millionen Euro hochgerechnet, sagt der Kämmerer. Mit dem reduzierten Steuersatz würden es jetzt etwa 800.000 Euro sein, das sei nur eine maßvolle Erhöhung.

In Grömitz (etwa 3600 Zweitwohnungen) liege der Steuersatz aktuell bei 1,25 Prozent, in Grube (40 Zweitwohnungen) bei 5,5 Prozent und in Kellenhusen (ca. 812 Wohnungen) 3,2 Prozent. Die Thematik Steuersatz werde in den Gemeinden auf den nächsten Gemeindevertretersitzungen beraten, sagt Bosch.

Timmendorfer Strand an der Ostsee plant keine Erhöhung

Laut Martin Scheel, Fachbereichsleiter Allgemeine Verwaltung und Finanzen der Gemeinde Timmendorfer Strand, plant auch seine Gemeinde keine Erhöhung. „Wir hatten vor der Umstellung drei Millionen Euro und das soll auch weiter so sein.“ Der Bodenrichtwerte liegen in dem Ostseebad laut Scheel zwischen 160 und 2400 Euro pro Quadratmeter. Für die 2980 Zweitwohnungen gebe es natürlich gewisse Veränderungen in die eine oder andere Richtung, doch die Steuer solle ja auch akzeptiert werden, deshalb habe es seit 2019 keine Erhöhung gegeben. Der Steuersatz von 1,3 Prozent solle bleiben.

Der Hamburger Wolfgang Moritz fürchtet sich schon jetzt vor dem Zweitwohnungssteuerbescheid im kommenden Jahr. Selbst bei einer eher durchschnittlichen Steigerungsrate des Bodenrichtwertes sei eine ständige Erhöhung der Zweitwohnungssteuer vorprogrammiert. „Ob die überproportionale Wirkung der Steuerformel den Politikern in Scharbeutz wirklich bewusst war oder ist, wage ich zu bezweifeln.“