Sylt. Stephanie Petersen betreut die Tiere vieler Promis. Ungewöhnliche Beschwerden hatte der Vierbeiner von Liverpool-Trainer Jürgen Klopp.
Idylle pur. Diese Beschreibung passt zu dem Ort, an dem Stephanie Petersen praktiziert und lebt. Das ist das Gut Söl‘ring in Wenningstedt-Braderup. Der Hof ist umgeben von Wiesen, hier werden Trakehner-Pferde und Tauben gezüchtet. Im Teich schwimmen Koi- Karpfen, ein Haufen Hühner sorgt für die Frühstückseier, und fünf Hunde – von denen sie drei aus der Tötungsstation gerettet hat – sorgen für Action.
Aus ihrer modernen Praxis schaut Petersen auf ihr Wohnhaus, dort lebt die 50-Jährige gemeinsam mit ihren beiden Söhnen und Partner Jürgen Altmiks. Eben gerade hat die Inseltierärztin, die sich vor 20 Jahren auf Sylt selbstständig gemacht hat, noch eine Französische Bulldogge behandelt. Jetzt hat Petersen Zeit, um als Gast im Sylt-Podcast des Hamburger Abendblatts über ihren Werdegang, das Leben und Arbeiten auf der Insel und ihr erstes Buch zu sprechen.
Sylt: Petersen arbeitete erst als Stewardess
„Ich wollte schon als Kind Tierärztin werden, aber mein Abitur war nicht so prickelnd. Da habe ich mich erst mal dafür entschieden, als Stewardess zu arbeiten.“ Das war auch nahe liegend, denn Petersen ist in der Nähe des Frankfurter Flughafens aufgewachsen. Ein Jahr war sie in der Luft unterwegs. „Mit Pumps, Stützstrumpfhosen und rot lackierten Fingernägeln. Ich habe für die Aero Lloyd gearbeitet, die es heute nicht mehr gibt. Ich war viel im Mittelmeerraum unterwegs.“ Irgendwann habe sie aus dem Flugzeugfenster geschaut und gedacht, das kann es doch nicht gewesen sein. Nun gab Petersen Gas, und nach einem Auswahlgespräch vor gestandenen Professoren ergatterte sie einen Studienplatz für Veterinärmedizin in Leipzig.
Und nur büffeln für das Studium war ihr offensichtlich zu wenig. „Ich habe aus Langeweile eine Kontaktanzeige aufgegeben. Es haben sich viele Männer gemeldet, und einer war von Sylt. Wir haben uns geschrieben und telefoniert. Schließlich habe ich mich mit meinem Hund unter dem Arm in den Zug gesetzt und bin sieben Stunden nach Westerland gefahren, und dort stand dann dieser Mann mit Latzhose.“ Der hieß Jens, und die beiden waren vier Jahre zusammen.
Petersen verbrachte viel Zeit auf Sylt
Petersen hat weiter in Leipzig studiert, aber jede freie Minute auf der Insel verbracht, ihre Pflichtpraktika beim ortsansässigen Tierarzt Wolfgang Hering gemacht und auch nach dem Studium für ihn gearbeitet. Aber er konnte sie nicht weiter beschäftigen. Schweren Herzens kehrte Petersen in die Heimat zurück. Doch keine 24 Stunden später war sie wieder auf der Insel. „Doktor Hering war von einem Pferd ins Gesicht getreten worden und fiel aus. Ich habe seine Vertretung übernommen.“
Und dann stand irgendwann für die Tiermedizinerin fest: „Ich bleibe auf der Insel und mache mich selbstständig. Eine Fläche in Tinnum für die Praxis hatte ich auch schnell gefunden. Aber mir fehlte natürlich Geld, damals waren das rund 250.000 DM, für die Einrichtung und die Geräte.“ Der Vater einer Freundin war Chef einer Bank, und „den habe ich angesprochen. Ich musste ein Konzept einreichen, und schließlich bekam ich das Geld.“
Jürgen Klopps Hündin hatte eine Qualle gefressen
Dass Petersen für ihren Job und die Insel brennt, merkt man schnell im Gespräch. Sie schwärmt vom „Sonnenuntergang im Seenebel“ und der Luft, die „nach Krabben riecht.“ Etliche Kunden, die mit ihren Tieren zu ihr kommen, sind Urlauber. „Da herrscht eine gewisse Leichtigkeit. Die Menschen sind meist gut gelaunt. Viele kommen bewusst zu mir. Einige nutzen die Ferien dafür, um ihrem Hund zum Beispiel den Zahnstein entfernen zu lassen, weil sie dann die Ruhe dafür haben.“ Häufig kommen auch Urlauber mit ihren Hunden, „die Muscheln oder Sand gefressen haben. Da hatten wir einen Chihuahua, der lag drei Stunden hinter dem Strandkorb und hat Sand in sich reingestopft.“ Und was passierte dann?
„Der Chihuahua hat Einläufe von hinten und vorne bekommen.“ Das war bei Emma, dem Hund von FC Liverpool-Trainer Jürgen Klopp und seiner Frau Ulla – die auf Sylt ein Domizil haben – zum Glück nicht notwendig. „Emma hatte eine Qualle gefressen und bekam Atemprobleme. Wir haben das aber wieder hinbekommen.“ Der berühmte Fußballtrainer und seine Frau seien sehr sympathisch, und auch das ein oder andere Bier hat man schon zusammen getrunken.
Veterinärin oft im Außendienst tätig
„Ich bekomme auch ab und an mal eine WhatsApp aus Liverpool, zum Beispiel, als Emma ihren zwölften Geburtstag gefeiert hat.“ Auch Designer Guido Maria Kretschmer und sein Mann Frank, die fünf Barsois – das sind russische Windhunde – ihr eigen nennen, vertrauen auf Stephanie Petersen. „Die beiden sind unkompliziert und freundlich.“ Guido Maria Kretschmer ist sogar Patenonkel eines Trakehner- Hengstes aus ihrer Zucht. Petersen erzählt lachend. „Den hat er auf den Namen Louboutin getauft.“ Christian Louboutin ist eine Marke, die für exklusive Schuhe steht.
Für Petersen sind alle Patienten gleich. Egal, ob ihre Halter arm oder reich sind. Und als Inseltierärztin „musst du handfest sein und zupacken können.“ Die Veterinärin ist häufig im Außendienst auf der Insel tätig. „Wenn man bei drei oder vier Grad auf einem Feld steht und eine Schafgeburt hat oder einen Kaiserschnitt bei einer Kuh macht, dann merkt man das im Rücken und muss sich danach erst mal zwei Stunden in die warme Badewanne legen.“
Stephanie Petersen veröffentlicht erstes Buch
Petersen spricht Klartext, spielt sich mit ihrer offenen und fröhlichen Art in die Herzen der Menschen und der Fernsehzuschauer. In der ARD-Dokuserie „Die Tierärzte – Retter mit Herz“ ist sie eine der Protagonistinnen. „Das war total klasse, dort wurde ungeschminkt gezeigt, wie unser Alltag aussieht. Es wurde mit Tierärzten in ganz Deutschland gedreht. Ich glaube, um die 60 Folgen, die heute noch im Fernsehen wiederholt werden.“
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Keine Frage. Stephanie Petersen ist ein Energiebündel. Und deshalb hat sie die Zeit gefunden, um ein Buch zu schreiben. Der renommierte Rowohlt Verlag hatte sie angesprochen. Das Werk mit dem bezeichnenden Titel „Die Inseltierärztin – mit Herz und Schnauze“ ist am 15. Februar erschienen. „Ich habe witzige, skurrile, aber auch traurige Erlebnisse aus meinen 20 Jahren als Tierärztin auf Sylt aufgeschrieben. Und es geht auch um meinen Lebensweg.“
Sylt: Petersen will mehr für sich selbst tun
Das Buch hat sie ihren Söhnen – Henry ist 15 und Jimmy 19 Jahre alt – gewidmet. Unterhaltung ist für die Leser garantiert. Es geht auf fast 200 Seiten um das „Kalb ohne Poloch“, „die Katze ohne Schwanz“, „Eintagsküken mit Beinschiene“ und den „Marder in der Katzenfalle“.
Zum Schluss wird Petersen im Sylt-Podcast nachdenklich. „Ich muss nach 20 Jahren als selbstständige Tierärztin mal ein wenig runterfahren. Ich merke den Rücken.“ Es gibt schon einen Plan. „Ich muss mehr für mich tun und einfach mal wieder um 17 Uhr auf dem Pferd sitzen.“