Rendsburg. Die Nobiskrug Werft gehört zu den „Big Playern“ der Branche. Chef Philipp Maracke spricht über Aufträge und Investor Lars Windhorst.

Diskretion genießt in der Branche, in der Philipp Maracke tätig ist, höchste Priorität. Denn der 41-Jährige hat mit Menschen zu tun, die es sich leisten können, mehr als 100 Millionen Euro oder auch bis zu einer halben Milliarde Euro für ein „Spielzeug“ auszugeben. Damit gemeint sind Superyachten ab einer Länge von 60 Metern, die auf der Nobiskrug Werft in Rendsburg gebaut oder dort revitalisiert werden.

Das rund 45 Hektar große Areal liegt an der Obereider. Beim Rundgang fällt sofort ein 124 Meter langer Gast im Trockendock auf. Die imposante Motoryacht gehört zu den teuersten und längsten der Welt. Sehen kann man das XXL-Schiff nicht, denn es ist vor neugierigen Blicken und zum Schutz vor Wettereinflüssen durch eine weiße Plane geschützt. Wem gehört die Yacht? Geschäftsführer Philipp Maracke sitzt im dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd an dem großen Besprechungstisch in seinem Büro und lächelt. „Wir sprechen grundsätzlich nicht über unsere Kunden. In unserem Geschäft spielt Vertrauen eine große Rolle.“

Superyachten: Nobiskrug Werft vor 115 Jahren gegründet

Einen Versuch war es wert. Nach Abendblatt-Informationen soll es sich dabei um die Staatsyacht des Emir von Katar handeln. Die erhält hier in Rendsburg ein komplettes Re-Fit. Neues Interieur und Technik werden eingebaut. Natürlich gibt es auch einen frischen Anstrich. Im Sommer sollen die Arbeiten beendet sein.

Aufträge wie diese sind für die Nobiskrug Werft wichtig, überlebenswichtig. Im August vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass der umtriebige und nicht unumstrittene Investor Lars Windhorst, Gründer und Eigentümer der Tennor Gruppe, das insolvente Unternehmen übernommen hat. Das wurde vor 115 Jahren gegründet und hat in seiner Firmengeschichte schon mehr als 750 Schiffe gebaut. Auch aus der Insolvenz herausgekauft hatte Windhorst bereits zuvor die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG), die auf den Bau von Lkw-Fähren sowie Marineschiffe spezialisiert ist und heute rund 360 Mitarbeiter hat.

Philipp Maracke trägt Verantwortung für 640 Angestellte

Im November 2020 wurde bekannt gegeben, dass Philipp Maracke die Geschäftsführung übernimmt. Seit August hat der gebürtige Kieler auch auf der Nobiskrug Werft, die rund 280 Mitarbeiter hat, das Sagen. Insgesamt trägt Maracke also die Verantwortung für 640 Angestellte. „Das ist eine große Herausforderung, und wir haben ein großes Stück Arbeit vor uns, brauchen natürlich Aufträge. Wir werden die beiden Standorte und die Arbeitsplätze erhalten, wollen weitere Konstrukteure einstellen“, kündigte Maracke an.

Zurzeit führt er Gespräche mit den Betriebsräten und Vertretern der IG Metall. Einzelheiten nennt er nicht, er spricht nur allgemein von der „Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit von FSG und Nobiskrug herzustellen, weshalb wir unsere Kosten senken müssen.“

70 Meter lange Superyacht wird gemeinsam fertiggestellt

Offener spricht Maracke über die Vorteile, dass man nun zwei Werften hat. „Dadurch, dass wir zwei Unternehmen aus derselben Branche haben, können wir die Synergieeffekte nutzen. Das heißt, standortübergreifend in den Bereichen Konstruktion, Einkauf und Verwaltung zusammenarbeiten.“

Ein Beispiel dafür ist, dass aktuell eine rund 70 Meter lange Superyacht von Mitarbeitern beider Werften gemeinsam fertiggestellt wird. Den Auftrag dafür hatte Nobiskrug vor der Insolvenz erhalten. Danach lag das Projekt zunächst auf Eis. „Uns ist es dann gelungen, dass wir uns mit dem Auftraggeber einigen konnten und nun diesen Großauftrag zu Ende bringen. Der Neubau ist aktuell in der finalen Ausrüstungsphase, zu der neben Beschichtungsarbeiten des Rumpfes auch der hochwertige individuelle Innenausbau des Schiffes gehört.“ Die Auslieferung solle im zweiten Halbjahr dieses Jahres erfolgen, sagte Maracke.

„Die Nachfrage nach Superyachten wird weiter steigen"

Der Mann steht unter Strom, denn aktuell liegt noch eine weitere nicht vollendete Superyacht in der Schiffbauhalle. Auch dieser Auftrag wurde vor der Insolvenz erteilt. An dem Schiff wird momentan nicht gearbeitet, was sich aber in Kürze ändern soll: „Diese Superyacht ist in trockenen Tüchern“, sagte Maracke. Auch ansonsten ist der Werftchef zuversichtlich. „Unsere Akquise läuft auf Hochtouren. Wir führen zahlreiche Gespräche mit potenziellen Kunden.“ Bei der FSG wolle man sich künftig auf Marineschiffe konzentrieren und habe sich bereits an Ausschreibungen beteiligt. Und Maracke weiß.

„Die Nachfrage nach Superyachten wird weiter steigen. Das liegt daran, dass es immer mehr Menschen mit den entsprechenden finanziellen Mitteln gibt. Dazu zählt auch die Erbengeneration.“ Zudem habe Corona das Geschäft weiter beflügelt. Maracke sagt. „Eine Yacht steht für Freiheit und Unabhängigkeit. Das ist vielen in der Pandemie bewusst geworden. Ich kenne Eigner, die seit geraumer Zeit ausschließlich auf ihrem Schiff leben.“

Maracke studierte in Lüneburg und Südafrika

Die Nobiskrug Werft gehört zu den „Big Playern“ der Branche. „Internationale Kunden vertrauen auf deutsche Werften, weil diese für höchste Qualität stehen. Wir konkurrieren hier mit einer Handvoll Mitbewerbern.“

Maracke weiß, wovon er spricht, denn bevor er zur FSG wechselte, war er Geschäftsführer von German Naval Yards in Kiel. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ist Maracke aufgewachsen und hat Abitur gemacht. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre hat er in Lüneburg und Südafrika absolviert. Es folgten berufliche Stationen beim Luxusautobauer Porsche, bei der Unternehmensberatung Lischke Consulting in Hamburg, und seinen MBA (Master of Business Administration) hat Maracke auch noch gemacht.

„Die Musikbranche hat mich schon fasziniert"

Aber er hätte auch einen ganz anderen Weg einschlagen können. Lächelnd berichtet Maracke, dass er in seiner Jugend den Plan hatte, Tourneeveranstalter zu werden. Der Wahl-Hamburger hat auch Praktika bei Plattenfirmen gemacht. „Die Musikbranche hat mich schon fasziniert, aber dann habe ich mich doch für BWL entschieden.“

Mit seiner Frau Joy und den drei Kindern, die zwei, vier und zehn Jahre alt sind, lebt Maracke in Groß Flottbek. „Unser Lebensmittelpunkt ist Hamburg, und dafür nehme ich auch gerne in Kauf, dass ich einen längeren Anfahrtsweg zu unseren Unternehmen habe.“ Der Norddeutsche schätzt das kulturelle Angebot in der Hansestadt und genießt es, wenn morgens beim Joggen an der Elbe große und kleine Schiffe an ihm vorbeiziehen.

Artefact zur Motoryacht des Jahres gekürt

Sein Büro ist schlicht eingerichtet. Ein Blickfang ist ein Foto, das Maracke mit Lars Windhorst zeigt. In der Mitte der beiden Herren steht kein Geringerer als Fürst Albert von Monaco. Auf der Monaco Yacht Show im September vergangenen Jahres kam es zu diesem Treffen. „Das war ein entspanntes, kurzes Gespräch mit dem Fürsten“, berichtet Maracke.

Im Rahmen der Monaco Yacht Show wurde die auf der Nobiskrug Werft erbaute 80 Meter lange Artefact zur Motoryacht des Jahres gekürt – die goldene Trophäe steht direkt neben dem Fürstenfoto. „Die Artefact hat sich gegen mehr als 50 Yachten durchgesetzt. Diese Auszeichnung ist eine der renommiertesten der Branche,“ sagt Maracke.

Nobiskrug Werft: Auch Sailing Yacht A ist preisgekrönt

Auch die in Rendsburg gebaute 143 Meter lange Sailing Yacht A ist preisgekrönt, wurde unter anderen mit dem World Superyacht Award ausgezeichnet. Wem gehört eigentlich dieses 2017 ausgelieferte Schiff? Der Nobiskrug-Chef schweigt. Aber eine kleine Recherche im Netz hilft.

Dort taucht als Eigner der russische Milliardär Andrei Melnitschenko auf. Eine letzte Frage. Hat Philipp Maracke eigentlich schon eine eigene Yacht? „Nein. Aber ich plane, mir ein Festrumpf-Schlauchboot mit Motor zu kaufen.“