Kiel. Kurz nach der Öffnung der Geschäfte liegt die Inzidenz in Schleswig-Holstein wieder über 50. Was droht, wenn der Wert nicht wieder sinkt.

Schleswig-Holsteins Corona-Öffnungskurs gerät in Gefahr: Am Sonnabend erreichte die Sieben-Tage-Inzidenz einen Stand von 50,3. Bleibt sie auch am Sonntag und Montag über dem Grenzwert von 50, müssten die Einzelhandelsgeschäfte wieder schließen – jedenfalls, wenn man den letzten Beschluss der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin Angela Merkel ernst nehmen will.

Dort heißt es, dass die Läden dann nur noch sogenannte Terminshopping-Angebote machen könnten – also Kunden empfangen können, die zuvor einen Termin für einen fest umgrenzten Zeitraum vereinbart haben.

Schleswig-Holsteins Geschäfte könnten wieder schließen

„Click and meet“ heißt der Fachbegriff. In Hamburg nutzen nur wenige Geschäftsinhaber diese Möglichkeit – zu wenig Kunden kommen dabei zusammen, die Einnahmen sind einfach zu gering. Die Läden bleiben geschlossen. Dieses Schicksal droht wohl auch in Schleswig-Holstein. Dort sind die Geschäfte erst seit Montag offen. Steigt die Inzidenz, wäre dem Einkaufsspaß ein rasches Ende gesetzt.

Auch die Perspektiven für die Außengastronomie und die Hotels verdüstern sich mit der aktuellen Entwicklung der Corona-Inzidenz deutlich. Restaurants sollten ihre Terrassen öffnen können, wenn nach dem 8. März die Inzidenz zwei weitere Wochen unter 50 bleibt. Frühestens am 22. März könnte es also losgehen. So hat es Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auch vergangene Woche im Landtag verkündet. „Wir haben der Außengastronomie ab dem 22. März eine Perspektive gegeben“, sagte er. Ob es mehr als nur eine Perspektive ist, bleibt derzeit dahingestellt.

Hohe Inzidenz hätte Einfluss auf Schulbereich

Problematisch wäre ein weiteres Ansteigen der Inzidenz auch im Schulbereich. Hier ist nicht der Beschluss der Ministerpräsidenten maßgeblich – Bildung ist Ländersache. Aber es gibt einen Ende Januar vorgelegten „Perspektivplan“ der Landesregierung, der Schulöffnungen an bestimmte Inzidenzen koppelt. „Wir wollen klare Leitlinien definieren“, sagte Günther damals. Er sprach von einer „sicheren und gerechten Öffnungsstrategie“.

Für die Schulen sah das so aus: Wenn der landesweite Inzidenzwert sieben Tage stabil unter 50 liegt, so heißt es im Plan, dann haben „die Klassenstufen 1–6 wieder Präsenzunterricht, und die Klassenstufen 7–13 an den Schulen gehen in den Wechselunterricht.“ Bleibt der Inzidenzwert weitere 21 Tage lang unter 50, findet auch in den Klassenstufen 7–13 wieder Präsenzunterricht statt.

Schüler in Flensburg bleiben weiter zu Hause

Das ist in der Tat eine klar formulierte Leitlinie. Nur sieht die Realität anders aus. Zwar liegt der Inzidenzwert mittlerweile tatsächlich schon seit 14 Tagen unter 50 (allerdings immer nur um ein Weniges), dennoch kommt der Wechselunterricht in den höheren Klassen nicht überall. In den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Segeberg sowie in der Stadt Flensburg bleiben die Schüler der Stufen 7 bis 13 weiter zu Hause.

Das ist den örtlichen Entwicklungen geschuldet. In Flensburg grassiert die britische Mutante, in den beiden Landkreisen gibt es relativ hohe Inzidenzen – 79,4 im Herzogtum Lauenburg und 72,2 in Segeberg. Die Entscheidung, dort die älteren Schüler erst einmal im Homeoffice zu belassen, ist also erklärbar. Allerdings ist auch in Stormarn die Inzidenz hoch (76,6).

Distanzunterricht bei Inzidenz über 50

Dennoch geht es dort in den Wechselunterricht. Und sollten Günthers „klare Leitlinien“ nicht in ganz Schleswig-Holstein funktionieren und an die landesweite Inzidenz gekoppelt sein? „Die Eltern haben längst aufgehört, sich an diesem Perspektivplan für die Schulen zu orientieren“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Habersaat. „Es kommt ja doch anders.“ Tatsache ist: Steigt die Inzidenz über 50, müsste wieder zum Distanzunterricht zurückgekehrt werden.

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Frank Zabel, Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums, sagt, der Per­spektivplan biete eine „Orientierung“. Zu berücksichtigen sei auch ein „dynamischer Faktor“. Da gehe es um Virusvarianten und die Einschätzung der örtlichen Gesundheitsämter.

Infektionsgeschehen in SH von Mutante dominiert

Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) ist der Ansicht, dass das Infektionsgeschehen derzeit von der britischen Mutante dominiert werde. „Das erklärt auch, warum wir eher wieder eine leicht zunehmende Anzahl täglicher Neuinfektionen feststellen“, sagt er.

Birte Pauls, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, hält die Öffnungsstrategie des Landes für gefährlich. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Lockdown bis Ostern verlängert wird.“ Zudem sei die Reihenfolge verkehrt: „Wir öffnen jetzt, aber wir haben nicht genügend Schnelltests.“