Norderstedt. Ab Montag gehen Schulklassen in den Wechselunterricht, Kitas in den eingeschränkten Regelbetrieb zurück. Die Reaktionen sind geteilt.
Garnet Kaufmann ist es ein Rätsel, warum man im Kreis Segeberg nicht von Anfang an mit Wechselunterricht begonnen hat. „Schon da hat sich doch abgezeichnet, dass die Zahlen wieder steigen. Stattdessen legt man so einen Schnellschuss hin – und macht den Kindern falsche Hoffnung“, sagt die Mutter zweier Kinder, die das Lise-Meitner-Gymnasium in Norderstedt besuchen.
Gerade einmal fünf Tage konnten die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 und 6 die Präsenzzeit in der Schule genießen – nun geht es für sie ab Montag in den Wechselunterricht. „Meine Tochter hat sich so auf die Schule gefreut und war schon lange nicht mehr so glücklich wie in den letzten Tagen. Als sie von dem bevorstehenden Wechselunterricht gehört hat, war sie sehr enttäuscht.“
Kreis Segeberg hat jetzt höchsten Inzidenzwert in Schleswig-Holstein
Der Inzidenzwert im Kreis ist in den vergangenen Tagen immer weiter gestiegen – seit Sonnabend hat Segeberg sogar Flensburg beim Sieben-Tage-Wert überholt und liegt mit 82,6 nun landesweit an der Spitze.
. Landrat Jan Peter Schröder sah schon am Freitag keinen anderen Ausweg und zog nach Abstimmung mit der Landesregierung die Notbremse. Im Kreis Segeberg kehren die Kitas, Krippen und Horte am kommenden Montag, 15. März, vom Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen in den eingeschränkten Regelbetrieb zurück. An den Schulen gehen die Jahrgangsstufen 1 bis 6 in den Wechselunterricht. Die Jahrgangsstufen 7 bis 13 lernen weiterhin auf Distanz.
Verschärfte Regeln im Kreis gelten vorerst für die kommende Woche
Die verschärften Regeln gelten zunächst für die kommende Woche und werden dann anhand der Infektionslage erneut bewertet. „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Landrat Schröder. „Denn natürlich wissen wir, was diese erneuten Einschnitte für Familien, Eltern und nicht zuletzt für die Kinder bedeuten. Aber die Corona-Fallzahlen im Kreis Segeberg steigen seit einigen Tagen wieder an. Das Infektionsgeschehen ist diffus und über das gesamte Kreisgebiet verteilt.“
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Wie schnell sich das Virus ausbreiten kann, zeigt die evangelisch-lutherische Kita Südstadt in Bad Segeberg, die sich zum Infektions-Hotspot entwickelt hat. Aktuell sind dort sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 22 Kinder mit Corona infiziert. Teilweise sind auch Elternteile positiv getestet worden.
Frust über eingeschränkten Regelbetrieb in Norderstedter Kitas
Ulf Bünning ist gefrustet, dass seine sechs Kitas in Norderstedt in den eingeschränkten Regelbetrieb zurückkehren müssen. „Ich finde das schlimm für die Kinder und nicht nachvollziehbar“, sagt der Geschäftsführer des Trägers „Der Kinder wegen“, „in einem Meer von fragwürdigen Entscheidungen ist das eine der Seltsamsten, die bisher getroffen wurde.“
Bünning berichtet, dass nach aktueller Verordnung lediglich ein Sechstel der Kinder keinen Anspruch auf Notbetreuung in seinen Kitas hätte. Der Rest schon. Die Einrichtungen wären also weiterhin nahezu voll – bis auf wenige Ausnahmen. „Was macht das für einen Sinn? Wie in aller Welt soll man das den betroffenen Eltern vermitteln?“
Handyläden offen, aber Kita-Kinder sollen abgewiesen werden?
Kinder, von denen mindestens ein Erziehungsberechtigter in der kritischen Infrastruktur arbeitet, müssen weiterhin in der Kita betreut werden. Das gilt aber genauso für Kinder, deren Eltern beide berufstätig sind und keine Alternativbetreuung vorhanden ist. „Die Regierung hat versprochen, Schulen und Kitas zuletzt zu schließen und zuerst zu öffnen. Jetzt werden wir als erstes wieder eingeschränkt, während Geschäfte weiterhin geöffnet bleiben“, sagt Bünning verständnislos.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Er könne nun also in einen Handyladen gehen, „aber meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Kinder an der Kita-Tür abweisen.“ Der Geschäftsführer betont, dass alle 500 Schnelltests seiner Mitarbeitenden bisher negativ ausgefallen seien.
Klassen im Kreis werden halbiert und gehen in den Wechselunterricht
Drei Wochen lang wurden Grundschüler vor Ort unterrichtet. Kaum haben sie sich in der Schule wieder eingelebt, muss ein Teil von ihnen zurück nach Hause. Ingke Rehfeld, Schulleiterin der Grundschule Heidberg, sieht die Entscheidung zum Wechselunterricht mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“. „Aus Sicht des Lernens ist diese Veränderung nicht gut, die Kinder lernen vor Ort besser. Betrachtet man aber den Inzidenzwert, verstehen wir, dass man die Reißleine ziehen muss“, sagt Rehfeld.
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Die Klassen werden nun halbiert. Die Gruppen wechseln sich wochenweise ab. „So können Eltern besser planen und sich mit dem Arbeitgeber absprechen, als wenn die Gruppen tageweise wechseln würden. Wir haben auch darauf geachtet, dass Geschwisterkinder in derselben Gruppe sind.“
Für Eltern ist die Organisation eine Herausforderung
Das Lessing-Gymnasium hat sich für einen täglichen Wechsel der Gruppen A und B entschieden. „So werden alle nach zwei Wochen gleich viel Unterricht in Präsenz haben und die Schule bleibt dicht dran“, erklärt Carsten Apsel. Am Alstergymnasium in Henstedt-Ulzburg, der größten Schule im Kreis, wechseln die rund 250 betroffenen Schüler der fünften und sechsten Klassen wochenweise. „Wenn man konsequent sein will und das Inzidenz-Geschehen beobachtet, ist der Schritt absolut logisch“, sagt Schulleiter Jan Kahle, der eine solche Entwicklung einkalkuliert hatte. Die Kinder, die gerade zu Hause seien, hätten an den Nachmittagen, „je nachdem, wie Kollegen verfügbar sind“, die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Nur parallel Präsenz- und Videounterricht, das könne keine Lehrerin und kein Lehrer leisten.
Für Heike Schlesselmann vom Coppernicus-Gymnasium war der Schritt in den Wechselunterricht angesichts der steigenden Infektionszahlen „leider vorhersehbar“. „Für die Eltern tut es mir sehr leid“, sagt die Schulleiterin. Für sie sei es sehr aufwendig, die Betreuung der Kinder zu organisieren. „Eltern sind überlastet. Es gibt keine verlässliche Planung mehr – und das zehrt an den Nerven.“
"Für Eltern ist die Situation ein Alptraum"
Das kann Garnet Kaufmann nur bestätigen. „Für Eltern ist die Situation ein Alptraum. Kaum haben sie wieder angefangen, normal zu arbeiten, müssen sie schon wieder Kinderbetreuung und Homeschooling organisieren. Dieses Hin und Her hätte man wirklich vermeiden können“, sagt die Mutter. Ina Piecyk macht nicht nur das Hin und Her zu schaffen. Die Mutter sorgt sich auch um die Zukunft von Sohn Rafael. Der Achtjährige geht in die dritte Klasse auf die Grundschule Glashütte. Bald entscheidet sich, auf welche weiterführende Schule er kommen soll. „Die Zeit ist knapp, und es ist viel Unterricht ausgefallen.“
Sabine Dollbergs Tochter Pauline geht in die fünfte Klasse der Gemeinschaftsschule Harksheide. Die Nachricht vom Wechselunterricht ist für sie neu – von der Schule ist sie noch nicht informiert worden. Lediglich auf der Homepage gibt es einen Brief des Schulleiters. Darüber aufregen will sie sich nicht – das hat keinen Sinn, findet sie. „Ich habe kein Problem mit Wechselunterricht. Wir nehmen alles so hin, wie es kommt. Die Hauptsache ist, dass wir gesund bleiben.“