Kiel/Hamburg. Schleswig-Holstein baut jetzt, was lange blockiert schien. Es geht um Autobahnen, Brücken, einen neuen Elbtunnel und – Fledermäuse.

Ein Tunnel nach Dänemark, eine Autobahn mit neuer Querung der Elbe westlich von Hamburg und die meistbefahrene Wasserstraße der Welt – das sind die größten Baustellen der Verkehrspolitik zwischen Nordsee und Ostsee. Nach jahrelanger Ungewissheit und Stagnation ist bei den großen Projekten im Norden 2020 einiges in Bewegung gekommen. Bei dem Mega-Vorhaben mit europäischer Dimension, dem Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark, gab es sogar einen entscheidenden Schritt nach vorne.

Zumindest bei einigen Projekten könne es nach der teilweise jahrelangen Stagnation nun spürbar vorangehen, sagte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) der Deutschen Presse-Agentur. Eine Bestandsaufnahme zum Jahreswechsel:

Fehmarnbelt-Tunnel

Ab 2029 soll ein 18 Kilometer langer Straßen- und Eisenbahntunnel Fehmarn und die dänische Insel Lolland verbinden. Er wird die Fahrzeiten zwischen den Boom-Regionen Hamburg und Kopenhagen verkürzen. Zur Freude der Wirtschaft und Enttäuschung von Naturschützern wies das Bundesverwaltungsgericht im November letzte Klagen ab. Nun darf auch in Deutschland gebaut werden. Darauf kündigte Minister Buchholz einen symbolischen ersten Spatenstich in einigen Monaten an.

Den Tunnel baut Dänemark. Deutschland muss die Anbindung auf seinem Territorium erledigen, Kosten: 3,5 Milliarden Euro. „Endlich wurde bei diesem absehbar größten Infrastrukturprojekt der nächsten Jahrzehnte der Knoten durchschlagen“, sagte Buchholz.

Fehmarnsund-Querung

Die denkmalgeschützte Sundbrücke ist 57 Jahre alt. Bald muss sie nur noch Radler, Mofas und Fußgänger tragen.
Die denkmalgeschützte Sundbrücke ist 57 Jahre alt. Bald muss sie nur noch Radler, Mofas und Fußgänger tragen. © picture alliance / dpa | Unbekannt

Die markante alte Brücke („Kleiderbügel“) zwischen dem Festland und Fehmarn wird dem Verkehr nach Eröffnung des Fehmarnbelt-Tunnels nicht gewachsen sein. Auch hier kommt als Ersatz ein Tunnel. Die Kosten beziffert die Bahn auf 714 Millionen Euro.

„Wir haben die Dokumentation der Vorplanung abgeschlossen“, sagt Sprecher Peter Mantik. 1561 Seiten sind auf 69 Ordner verteilt. 2021 stehen Probebohrungen an, die bis 2024 angesetzte Instandhaltung der Brücke soll richtig in Gang kommen. Sie bleibt für Fußgänger, Radfahrer und langsame Fahrzeuge erhalten. Die 80 Tragseile aus Stahl müssen ausgetauscht werden. Zudem geht es um Korrosionsschutz.

Autobahn A20

Ein Hinweisschild zur Autobahn 20 ist in der Nähe von Bad Segeberg
Ein Hinweisschild zur Autobahn 20 ist in der Nähe von Bad Segeberg © picture alliance / dpa | Carsten Rehder

Das Sorgenkind schlechthin. 2021 werden weitere Planungsunterlagen öffentlich ausgelegt. Seit langem endet die von Stettin kommende Autobahn östlich von Bad Segeberg. Weitere Planungen wurden aus diversen Gründen gestoppt. Das Bundesverwaltungsgericht bremste 2018 den Weiterbau erneut aus und erklärte den 20 Kilometer langen Abschnitt von der A7 bis Wittenborn für rechtswidrig - wegen wasser- und artenschutzrechtlicher Bedenken und ungenügender Berücksichtigung des Fledermausschutzes in Bad Segeberg.

Der Weiterbau wird voraussichtlich mit dem neuen Elbtunnel starten. Das geht erst, wenn auch für die anschließenden Teilstücke auf beiden Seiten der Elbe Baurecht vorliegt. Die Bundes-Projektgesellschaft Deges geht davon aus, dass dies Ende 2024 für alle Abschnitte der fehlenden 80 Kilometer in Schleswig-Holstein der Fall sein wird. Auch hier sind Klagen möglich. Seriöse Angaben zu absehbaren Gesamtkosten sind laut Deges erst nach Abschluss aller Planungen möglich.

„Auch wenn die Planungen unter der Regie der Deges seit fast drei Jahren gut laufen, wünsche ich mir mehr Tempo“, sagte Buchholz. Für den Abschnitt um Bad Segeberg habe es beim Fledermausschutz ein erhebliches Entgegenkommen gegeben, über gesetzliche Vorgaben. „Da hätte ich mir schon gewünscht, dass die Verbände auf weitere Klagen verzichten.“ Gerade zur Entlastung der Menschen in Bad Segeberg - durch die Stadt rollt starker Verkehr in Richtung A20 - sei ein rascher Autobahnbau auf diesem Abschnitt dringend nötig.

Nord-Ostsee-Kanal

Kiel: Die Superyacht
Kiel: Die Superyacht "Nord" fährt durch den Nord-Ostsee Kanal. Das unter dem Projektnamen "Opus" in der Bremer Lürssen-Werft gebaute 142 Meter lange Schiff befindet sich auf Testfahrt in der Ostsee und soll Ende 2020 ausgeliefert werden. © dpa | Unbekannt

Mit der Erneuerung der Uralt-Schleusen in Kiel und Brunsbüttel und dem Ausbau der engen Oststrecke bekommt die weltweit meistbefahrene künstliche Seewasserstraße endlich die über Jahrzehnte versäumte Verjüngungskur. Das ist nötig für die immer größeren Feederschiffe, die Container ins Baltikum bringen. Havarien in Schleusen und auf der Strecke stören oft den Verkehr.

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Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. 500 Millionen Euro investiert der Bund binnen zehn Jahren in die 20-Kilometer-Engstelle zwischen Großkönigsförde und Kiel, insgesamt 2,6 Milliarden in Ausbau und Erhalt des Kanals. Die neue Schleuse in Brunsbüttel soll nun 1,2 Milliarden Euro kosten. 273 Millionen waren kalkuliert, als der Bau 2009 beschlossen wurde.

Rader Hochbrücke

Rader Hochbrücke
Rader Hochbrücke © dpa | Unbekannt

Die Planungsunterlagen für eine Zwillingsbrücke bei Rendsburg im Zuge der A7 wurden Ende November für einen Monat ausgelegt. Der Zustand der alten Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal ist so schlecht, dass sie nur bis 2026 hält. Dann soll die erste Ersatzbrücke freigegeben werden. Der Baustart ist für 2023 geplant.

Für die zweite Brücke, die Richtung Hamburg führen wird, ist die Freigabe für 2029 vorgesehen. 62.000 Fahrzeuge täglich nutzen die Querung im Schnitt. Weil der Verkehr wächst, soll die A7 auch zwischen dem Anschluss Rendsburg/Büdelsdorf und dem Kreuz Rendsburg auf sechs Spuren erweitert werden. Gesamtkosten: 300 Millionen Euro.

Rendsburger Kanaltunnel

Ein Dauerärgernis. Die 2011 gestarteten Bauarbeiten zur Sanierung und Modernisierung des Kanals unter dem Nord-Ostsee-Kanal sollten 2014 fertig sein. Doch es folgten immer wieder Verzögerungen wegen diverser Probleme.

Bis zum Spätsommer war die Rückkehr zum vierspurigen Regelbetrieb für Ende 2020 geplant. Daraus wurde nichts, weil laut Kanalverwaltung die installierte neue Leittechnik nicht startklar ist. Es fehlten wichtige Unterlagen; zudem habe ein Subunternehmen einen Programmierungsspezialisten kurzerhand woanders eingesetzt. Einen neuen konkreten Termin nannte die Kanalverwaltung nicht. Am Montag stellte das Wasser- und Schifffahrtsamt Kiel-Holtenau dafür das zweite Quartal 2021 in Aussicht. Normalerweise passieren täglich 50.000 Fahrzeuge den Tunnel.

Autobahn A21

Auch hier ist es mühsam; Qualitätsprobleme mit der Fahrbahndecke kamen beim Ausbau der B404 zur A21 zwischen Kiel und Elbe hinzu. Von 111 Kilometern sind 56 fertig und 8 im Bau. Zwischen Bargteheide und Stolpe rollt der Verkehr auf 50 Kilometern A21. Der Abschnitt zwischen Nettelsee und Stolpe soll 2024 geschafft sein, der zwischen Nettelsee und Klein Barkau 2025. Wann die gesamte A21 fertig wird, ist unklar: Zum Teil hat die Planung noch nicht begonnen. Weil andere Projekte höhere Priorität haben, fließen die Bundesmittel nur zögerlich. Zwischen Kiel und Stolpe fehlen 14,5 Kilometer.