Hamburg. Verkehrssenator Tjarks zeigt sich zufrieden mit Haushaltsentwurf. P+R-Zahlen zeigen, wie Corona die Mobilitätswende ausbremst.

Auch wenn derzeit wohl viele Hamburger und Einpendler wegen der Pandemie wieder mehr mit dem Auto fahren: Die Mobilitätswende weg vom Privatwagen genießt im rot-grünen Senat weiter eine hohe Priorität. Das zeigt sich auch im Entwurf des Senates für den Doppelhaushalt 2021/22, der wegen der Corona-Krise erst im kommenden Jahr von der Bürgerschaft beraten und beschlossen werden soll.

Danach sollen die Investitionen in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in Rad- und Fußverkehr stark steigen. Das freut vor allem den neuen grünen Verkehrs- und Mobilitätssenator Anjes Tjarks.

„Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2021/22 ist ein klares Bekenntnis zur Mobilitätswende in Hamburg“, sagte Tjarks dem Abendblatt. „Insgesamt investieren wir über 430 Millionen Euro in den Ausbau des Schienennetzes – das hat es so in der Geschichte Hamburgs noch nicht gegeben.“ Dieses Geld werde „massiv dazu beitragen, viele Hunderttausend Menschen in unserer Stadt besser an das Hamburger Schienennetz anzuschließen – sei es durch die S4 Richtung Bad Oldesloe, die U4 auf die Horner Geest oder die S-Bahn Station Ottensen“, so der Senator.

Rekordniveau bei Investitionen in den Radverkehr

Gleichzeitig steigere der rot-grüne Senat auch die Investitionen in den Radverkehr auf ein neues Rekordniveau. „In den kommenden beiden Jahren werden auch dies mehr als 100 Millionen Euro sein“, so Tjarks. „Mit diesem Geld werden wir das Veloroutennetz weiter fertigstellen, bei den ersten Radschnellwegen weiter vorankommen und insgesamt für sichere Radschulwege für unsere Kinder sorgen.“

Der Senat habe sich ein „sehr ehrgeiziges Ziel“ gesetzt: „Wir wollen den Anteil des Umweltverbundes – ÖPNV, Radund Fußverkehr – von 64 Prozent auf 80 Prozent erhöhen. Dies ist ein elementar wichtiger Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise.“ Wenn die Bürgerschaft den Doppelhaushalt beschließe, habe der Senat „für die kommenden zwei Jahre eine gute finanzielle Grundlage, um diesem Ziel näher zu kommen“.

Ausgaben für Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur verdoppeln sich

Laut Tjarks‘ Behörde verdoppeln sich die Ausgaben für den Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur auf 201 Millionen Euro in 2021 und auf 230 Millionen Euro in 2022. Für 2020 habe dieser Wert bei rund 108 Millionen Euro gelegen. Auch die Investitionen in den Radverkehr steigen danach massiv an: 64 Millionen Euro in 2021 und 56 Millionen Euro in 2022 flössen unter anderem in den Ausbau des Veloroutennetzes und der Radschnellwege. Im Vergleich von 2021 zu 2020 bedeute dies eine Steigerung von rund 66 Prozent. Zudem solle es in der grünen Verkehrsbehörde 20 neue Stellen geben.

Auslastung der P+R-Anlagen geht zurück

Dass die Coronapandemie die angestrebte Mobilitätswende gehörig ins Stocken gebracht hat, zeigen derweil die neuen Zahlen zur Auslastung der Park+Ride-Parkpläze an den großen U- und S-Bahnstationen. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Richard Seelmaecker hervorgeht, ist die Nutzung vieler Anlagen drastisch eingebrochen. Einige Beispiele: In Bahrenfeld sank die Auslastung der P+R-Anlage in den ersten elf Monaten des Jahres 2020 auf durchschnittlich 47 Prozent – im gesamten Jahr 2019 hatte sie noch bei 67 Prozent gelegen. In der Anlage Bergedorf (Parkhaus) brach die Auslastung von 93 auf 50 Prozent ein, in Berne von 84 auf 39 Prozent, an der Elbgaustraße von 73 auf 38 Prozent, in Harburg von 91 auf 50 Prozent, in Neugraben von 49 auf 23 Prozent, in Neuwiedenthal (Parkplatz) von 81 auf 60 Prozent, in Niendorf Markt von 96 auf 80 Prozent, in Ohlsdorf von 84 auf 55 Prozent, in Rahlstedt von 71 auf 58 Prozent und in Volksdorf von 61 auf 27 Prozent.

Zwar schlagen sich in den Durchschnittswerten für die Zeit von Januar bis November auch die Wochen des harten Lockdowns im Frühjahr nieder. Aber ein Blick auf die vom Senat auch separat ausgewiesenen Zahlen nur für den November 2020 zeigt, dass die Park + Ride-Angebote auch weiterhin deutlich weniger genutzt werden als 2019, teilweise im November 2020 noch weniger als im bisherigen Jahresdurchschnitt. So lag die Nutzung der Anlage in Bahrenfeld im November bei nur 43 Prozent. Weitere Beispiele: Bergedorf (Parkhaus) 42 Prozent, Berne 34 Prozent, Elbgaustraße 36 Prozent, Harburg 40 Prozent, Neugraben 14 Prozent, Neuwiedenthal (Parkplatz) 71 Prozent, Niendorf Markt 87 Prozent, Ohlsdorf 54 Prozent, Rahlstedt 42 Prozent und Volksdorf 21 Prozent.

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P+R-Rückgang allein eine Folge der Pandemie?

Die CDU hatte die auch in den vergangenen Jahren nicht immer optimale Ausnutzung der Kapazitäten stets auf die Einführung einer Gebührenpflicht seit 2014 zurückgeführt. Der Senat dagegen argumentiert, dass die Anlagen ausgeweitet und in einen deutlich besseren Zustand gebracht worden und die Preise niedrig seien. Zudem sorgten die Gebühren dafür, dass die Anlagen nicht von „Fremdparkenden“ genutzt würden, die gar nicht auf den ÖPNV umstiegen. In seiner aktuellen Antwort auf die CDU-Anfrage schreibt der Senat nun: „Wie auch im ÖPNV zeigen sich auf den P+R-Parkplätzen durch die Corona-Pandemie bedingte Veränderungen im Mobilitätsverhalten. Abweichungen bei der Auslastung im Verhältnis zu vorangegangenen Jahren sind daher wesentlich in der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen begründet.“

Das sieht CDU-Verkehrspolitiker Seelmaecker anders. Der Einbruch der P+R-Nutzung sei eine „Abstimmung mit den Füßen“, so Seelmaecker. „Das ist nicht nur eine Auswirkung der Pandemie, sondern auch Beleg für einen der Schwachpunkte in der grünen Verkehrspolitik. Autos sind Teufelswerk. Fahrräder sind toll. So einfach ist es aber nicht“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete. „Jeder Verkehrsträger hat seine Berechtigung. Wir brauchen vielmehr attraktive Umsteige-Angebote an Hamburgs Peripherie und keine unsinnigen Durchfahrtverbote“, zudem eine „grüne Welle auf den Hauptstraßen und Verkehrsberuhigung vor Schulen, Kindergärten und Wohnstraßen“.

Seelmaecker fordert langfristige Verkehrspolitik mit Augenmaß

Die Stadt dürfe auch „nicht unser Handwerk in den Ruin treiben, indem wir den zumeist mittelständischen und alteingesessenen Betrieben die Parkmöglichkeiten wegnehmen durch Bewohnerparkregelungen ohne ausreichende Ausnahmemöglichkeit und immer mehr Park- und Halteverbote verfügen“. Der grüne Verkehrssenator Tjarks „lächelt uns mit dem Fahrradlenker in der Hand alle drei Tage aus der Zeitung an“, so Seelmaecker. „Dass er dabei lächelnd immer mehr Arbeitsplätze vernichtet, interessiert im Senat offenbar nicht. Hauptsache, das grüne Eigenwerbe-Unwort der ‚Verkehrswende‘ wird immer schön verbreitet. Hamburg braucht aber keinen Werbe-Dandy, sondern einen Senator, der solide, langfristige Verkehrspolitik mit Augenmaß durchsetzt und sich dabei nicht nur für Fahrradfahrer, sondern gleichermaßen auch für unsere Arbeitnehmer und Betriebe einsetzt und deren Interessen vertritt.“

Seelmaecker begrüßte zwar die „vor allem aus Bundesmitteln fließenden Investitionsmittel“ im Verkehrsbereich. Er forderte aber, dass SPD und Grüne endlich sagen müssten, was die Steuereinbrüche durch Corona für die Bürger bedeuteten. „SPD und Grüne werden sicherlich die Grundsteuer erheblich erhöhen“, mutmaßte der CDU-Politiker. „Auch dahinter steckt wieder trügerische Sozial-Ideologie: ‚Wer ein Häuschen oder eine Wohnung sein Eigen nennt, ist doch privilegiert‘. Dann kann und muss derjenige auch mehr zahlen. Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus. Innerhalb Europas haben wir die zweitniedrigste Immobilien-Eigentumsquote.“