Kiel/Lübeck. In Lübeck ist die Corona-Lage mittlerweile schlimmer als in Hamburg. Radikalere Maßnahmen scheinen möglich.

In Lübeck gibt es immer mehr Corona-Fälle. Mittlerweile verzeichnet die Stadt an der Trave mit 145,9 eine höhere Sieben-Tage-Inzidenz als Hamburg (138,4). Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) prüft deshalb derzeit, mit welchen Maßnahmen eine weitere Ausbreitung verhindert werden kann.

Dazu gehört unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre (21 bis 5 Uhr). Es wäre die erste coronabedingte Ausgangssperre im Norden. Zugleich ist im Gespräch, für Lübecks Ostseebad Travemünde ein Verbot für Tagestouristen zu verhängen. Alle Maßnahmen können laut Lindenau aber erst dann ergriffen werden, wenn die Inzidenz über den Wert 200 steigt. Und dieses Szenario rückt immer näher, der Inzidenzwert lag am Montag bei 173,2.

Doch der Bürgermeister befürchtet, dass das nicht mehr lange dauern könnte. Verschiedene Maßnahmenkombinationen würden deshalb nun geprüft. „Der Innenstadtbereich wird derzeit trotz Schließung der Hotels und Restaurants durchaus höher frequentiert“, so Lindenau. Eine Ausgangssperre könnte da hilfreich sein. Dass der Tagestourismus über Weihnachten zunehme, sei bekannt: „Das Wetter spielt da fast keine Rolle mehr.“ Ein Verbot könne die Stadt schützen. „Wir befinden uns in einem Abwägungsprozess“, so der Lübecker Bürgermeister.

Viele Corona-Infektionen in Lübeck

Lübeck liegt mit seinem Infektionsgeschehen mittlerweile weit vorn in Schleswig-Holstein. Den zweithöchsten Inzidenzwert meldet Lübecks Nachbar Stormarn (131,5), dann folgen Pinneberg (129,7), Kiel (109,8) und Neumünster (83,5). Die Situation in Schleswig-Holstein sei besorgniserregend, sagte der Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) bei einer Pressekonferenz in Kiel. „Weitere Maßnahmen sind notwendig, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu vermeiden. Wir wollen das Leben schützen und das Sterben vermeiden.“

Heiner Garg (FDP, l.) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)
Heiner Garg (FDP, l.) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) © dpa | Gregor Fischer

Und deshalb wird in Schleswig-Holstein wie in Gesamt-Deutschland das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren. In der Verordnung, die die Landesregierung dazu am Montag erlassen hat und die morgen in Kraft treten wird, heißt es unter anderem: „Verkaufsstellen des Einzelhandels sind für den Publikumsverkehr zu schließen – mit Ausnahmen (zum Beispiel Lebensmittel- und Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Tierbedarfsmärkte, Weihnachtsbaumverkäufe). Baumärkte sind ebenfalls zu schließen, können aber wie alle Einzelhandelsgeschäfte Abhol- und Lieferservice anbieten.“

 Schutz der „vulnerablen Gruppen“ ist besonders wichtig

Private und öffentliche Treffen müssen sich auf fünf Personen aus zwei Haushalten beschränken. Kinder bis zu 14 Jahren aus diesen Haushalten werden nicht mitgezählt. Vom 24. bis 26. Dezember gilt: Im eigenen Hausstand dürfen zusätzlich vier Personen aus dem engsten Familienkreis empfangen werden.

Besonders wichtig sei der Schutz der „vulnerablen Gruppen“, sagte Garg – also der betagten Schleswig-Holsteiner. Deshalb wird es ab Mittwoch auch Besuchsbeschränkungen in Altenheimen geben. Nur noch zwei Kontaktpersonen, die sich zuvor registriert haben müssen, dürfen den jeweiligen Heimbewohner besuchen. Zugleich sollen Bewohner, Besucher und Mitarbeiter zweimal wöchentlich auf Corona getestet werden – mit sogenannten Schnelltests. Für die Abnahme der Tests soll das Pflegeheimpersonal schnell geschult werden.

Neben den Schulen werden auch die Kindertagesstätten geschlossen. Für sie gilt ab Mittwoch ein Betretungsverbot. Für Kinder, die ein Elternteil haben, das in der kritischen Infrastruktur arbeitet oder alleinerziehend ist, wird eine Notbetreuung angeboten ­– falls keine Alternativbetreuung möglich sein sollte.

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Garg zeigte sich „verwundert“ darüber, dass andere Bundesländer in diesem Punkt anders verfahren. Er sprach von einer „diplomatisch ausgedrückt – freien Interpretation“ des Beschlusses der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin vom Sonntag. Gargs Kritik bezog sich offenbar auch auf Hamburg. Dort gibt es kein Betretungsverbot.

Der Gesundheitsminister blickte zudem voraus. Die Verordnung endet am 10. Januar. Die Minister treffen sich am 4. Januar, um über die weiteren Schritte zu beraten. „Wir stehen jetzt in der Pflicht, mit klaren Vorstellungen in die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zu gehen“, sagte er. „Wir brauchen ein dauerhaftes Schutzkonzept für die vulnerablen Gruppen.“

Da gebe es schon einige Vorschläge, sagte der Minister. Er erwähnte die Möglichkeit, älteren Mitbürgern spezielle Einkaufszeiten in Supermärkten zu reservieren oder ihnen vergünstigte Taxifahrten zum Einkauf und für Besuche zu ermöglichen.

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