Flensburg. Verdächtigten wird Gründung einer rechtsextremen Gruppe vorgeworfen. Ermittler prüfen Beziehungen nach Hessen.
Die 150 Polizisten schlugen punkt 6 Uhr gleichzeitig zu. In Bad Segeberg, Sülfeld und anderen Orten durchsuchten Ermittler des Landeskriminalamtes Wohnungen von zwölf Mitgliedern des rechtsextremistischen „Aryan Circle“ (arischer Zirkel). Gegen die zwölf Beschuldigten im Alter zwischen 19 bis 57 Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Flensburg wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Kopf der Gruppierung von Polizei aus Wohnung geführt
Als Kopf der Gruppierung gilt der mehrfach vorbestrafte und als extrem gewalttätig eingestufte Segeberger Bernd T. (45). Maskierte Spezialkräfte der Polizei führten ihn am Dienstagmorgen aus dem Segeberger Mehrfamilienhaus, in dem T. seit dem vergangenen Jahr wohnt. Ermittler trugen Kartons mit Beweismitteln aus dem Gebäude.
Neben Wohnungen in Bad Segeberg und Sülfeld durchsuchten die Beamten auch Objekte in Glinde, im brandenburgischen Ort Beeskow und im hessischen Weilburg. Die Verbindungen nach Hessen sind für die Ermittler besonders wichtig. Bernd T. saß bis Sommer 2019 in Kassel in Haft, bevor er dann nach Bad Segeberg zog. T. gilt in der Neonazi-Szene als besonders gewaltbereit. Bereits in den Neunziger-Jahren war er in Norddeutschland aktiv, gründete eine Kameradschaft. Engen Kontakt hatte T. auch zu Stanley R. – einem der führenden Köpfe der militanten Neonazi-Szene. R. hatte auch Kontakte zu Stephan E., dem mutmaßlichen Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke.
Polizei stellt Speichermedien sicher
Bei der vierstündigen Aktion habe die Polizei in großem Umfang Speichermedien sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Stephanie Kropp.
Nach Informationen unserer Redaktion entdeckten die Ermittler auch einzelne Gegenstände, die unter das Waffengesetz fallen. Das können etwa auch Messer mit besonders langer Klinge oder feststehender Klinge sein. Ganze Waffenlager, wie zuletzt bei Razzien im rechtsextremen Milieu gefunden wurden, stellten die Beamten in den Wohnungen der mutmaßlichen Mitglieder von „Aryan Circle Germany“ nicht fest. Auch Betäubungsmittel entdeckten die Beamten bei ihren Durchsuchungen, darunter vor allem Amphetamine.
Hinweise auf fremdenfeindliche Aktionen
Bei den Ermittlungen gehe es darum zu klären, welche Straftaten die Gruppe geplant habe. Es lägen Hinweise auf fremdenfeindliche Aktionen vor. Dabei gehe es um Delikte wie Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verstöße gegen das Waffengesetz, sagte Kropp. Die Männer hatten sich mehrfach mit Symbol und Schriftzug „Aryan Circle Germany“ öffentlich gezeigt und fotografiert – so beispielsweise während der September-Demonstration "Deutscher Michel, wach endlich auf", die in Hamburg stattfand.
Informationen über geplante rechtsextremistisch motivierte Anschläge lägen bislang nicht vor. Sollten sich Hinweise darauf ergeben, wird voraussichtlich der Generalbundesanwalt das Verfahren übernehmen.
Derzeit, so hält es die Staatsanwaltschaft Flensburg fest, seien keine Hinweise zu Verfahren der Generalbundesanwaltschaft zu erkennen – etwa zur mutmaßlichen rechtsterroristischen „Gruppe S.“ oder dem mutmaßlichen Lübcke-Mörder.
Rassistische US-amerikanische Gruppe Vorbild für "Aryan Circle"
Die Ermittler gehen nach Abendblatt-Informationen davon aus, dass Bernd T. sich nach seiner Haftentlassung im vergangenen Jahr in Bad Segeberg niedergelassen hat, um den „Aryan Circle“ nach dem Vorbild rassistischer US-amerikanischer Gruppen aufzubauen. Nach Abendblatt-Informationen muss T. weiter Bewährungsauflagen erfüllen.
T. war bereits in den 90er-Jahren als Rechtsextremist mit einer Gruppe Gleichgesinnter in Bad Segeberg aufgefallen. Danach ging er nach Hessen und gründete die Kameradschaft „Sturm 18“, die 2015 verboten wurde. Er ist unter anderem vorbestraft, weil er mit Komplizen einen Obdachlosen zu Tode geprügelt hat.
Beziehungen nach Hessen im Fokus der Ermittler
Die Ermittler prüfen jetzt, ob T. mit dem „Aryan Circle“ die Aktivitäten des „Sturm 18“ fortsetzen will und welche Beziehungen weiterhin zur rechtsextremistischen Szene in Hessen bestehen. Das Bundesland gilt nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, dem Anschlag von Hanau und weiteren Straftaten als Hochburg rechter Gewalttäter.
„Rassebewusst“
Zum Umfeld von T. gehören der Sülfelder Daniel S (19)., die Studentin Marie-Christin P. und der bekannte wohnungslose Rechtsextreme Marcel S. aus Bornhöved (23), der inzwischen wegen einer Gewalttat in Bad Segeberg gegen einen Gleichgesinnten in Untersuchungshaft sitzt. Auch die Wohnung von Daniel S. wurde am Dienstag durchsucht.
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Bürger von rechter Szene angegriffen
Die drei Personen wohnten 2019 gemeinsam in Sülfeld und traten offen als Mitglieder der rechten Szene auf. Bürger wurden angegriffen, als sie Aufkleber entfernen wollten. Die Sülfelder reagierten weitgehend geschlossen mit Protest, bis sich die Wohngemeinschaft auflöste und Bernd T. sich nicht mehr im Dorf blicken ließ. „Ein Erfolg für die Sülfelder und ein Lehrstück in Demokratie“, sagt Sülfelds Pastor Steffen Paar, der offensiv gegen die Rechten protestierte.