Aumühle. Seit 21 Jahren sind Jagdgatter verboten. Doch ein Adelsgeschlecht leistet Widerstand. Über die Sturheit einer Familie.
Seit 1999 sind Jagdgatter in Schleswig-Holstein per Gesetz verboten. Im Sachsenwald aber, im Reich der Adelsfamilie von Bismarck, ticken die Uhren anders. Dort gibt es noch zwei der komplett eingezäunten Flächen, die das Jagen so schön erleichtern. Klage um Klage haben die Bismarcks erhoben, stets haben sie verloren. Zum 1. April, gut 20 Jahre nach dem Verbot, müssen die Gatter endlich geöffnet werden.
Nun legt Maximilian von Bismarck zum möglicherweise letzten Schuss gegen das missliebige Jagdgesetz an: Er will aus seinem eingehegten Gelände einen Wildpark machen. Und es gibt auch noch eine allerletzte Patrone: Ist das Gatter nicht eigentlich ein schützenswertes Kulturdenkmal?
Bismarck will das Jagdgatter im Sachsenwald erhalten
„Saupark Sachsenwald“ – so soll das Tiergehege heißen. Und natürlich soll dafür die Umzäunung, also das strittige Jagdgatter, stehen bleiben. Warum das so ist? Dafür werden in Bismarcks Saupark-Konzept, das im Januar der Nachbargemeinde Dassendorf vorgelegt wurde, ganz viele Argumente vorgetragen. „Ohne Zaun“, heißt es da, „wird nicht alles besser. Für die umliegenden Kommunen ist die Entscheidung kein Grund zum Jubeln.“
Denn sie könne bedeuten: „Mehr Verkehrsunfälle, mehr Wildschäden, mehr Entwertung eines Naturjuwels?“ Die großen Freiflächen in unmittelbarer Nähe des Sachsenwaldes würden bei Öffnung des Zaunes „unweigerlich“ als Nahrungsflächen „erkundet“ werden. Die „vielseitigen Sauen“ besäßen eine große „Gestaltungskraft“, die auch vor „Freizeitanlagen, Grünflächen und Gärten“ nicht haltmachten.
Und für diejenigen Dassendorfer, denen es an Vorstellungskraft zum Thema „Gestaltungskraft“ mangelt, wurden bei der Informationsveranstaltung dann noch Fotos von zerwühlten Gärten und Golfplätzen präsentiert. Das zeigte die erwünschte Wirkung. Die meisten Teilnehmer fanden gemeinsam mit der Dassendorfer Bürgermeisterin Martina Falkenberg, dass die Mauern unbedingt stehen bleiben müssten.
Doch entschieden wird über Bismarcks Saupark-Wunsch nicht in Dassendorf, sondern in der Verwaltung des Kreises Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg. Sprecher Tobias Fronert bestätigt, dass dort ein entsprechender Antrag vorliegt und derzeit bearbeitet wird. Mehr ist offiziell nicht zu erfahren. Doch das Inoffizielle klingt ein bisschen nach dem Motto: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Die Sturheit, mit der die Bismarcks die Öffnung ihrer Jagdgatter jahrzehntelang hintertrieben haben – sie hat offenbar Spuren hinterlassen.
„Saupark“ sei Gehege mit eingebauter Besucherbremse
Warum Maximilian von Bismarck erst jetzt mit seinem Tiergehege-Plan kommt, ist ein wenig unklar. Auch wirkt er nicht sonderlich publikumsfreundlich. Mit einem herkömmlichen Gehege wie etwa dem Wildpark Schwarze Berge dürfte der Saupark nicht vergleichbar sein. Im Konzept ist von einer „gelenkten Öffnung“ des Gatters die Rede.
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Oberforstmeister Gerhard Rosenthal, Berater von Maximilian von Bismarck, stellt fest: „Das soll keine Touristenattraktion werden.“ Nur der kleinere Teil des 450 Hektar großen eingegatterten Bereichs darf überhaupt betreten werden und das auch nur auf zwei Rundwegen von drei und vier Kilometern Länge. Der Eintritt ist frei. Es gibt keine Klos, weder Kiosk noch Restaurant am Eingang, nur einen winzigen Parkplatz „für sechs Autos“ (Rosenthal), keine Bänke im Wald. Der Saupark ist ein Gehege mit eingebauter Besucherbremse. Denn dort soll auch weiterhin gejagt werden. Rosenthal spricht von „jagdlichen Mitteln“, die ein- bis zweimal im Jahr angewendet würden. Dann werde das Gehege geschlossen.
Sollte dieser Plan nicht umsetzbar sein, gibt es noch eine Alternative. Denn Maximilian von Bismarck will auf dem Weg einer Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht Schleswig erwirken, dass das Jagdgatter zu einem schützenswerten Kulturdenkmal erklärt wird. Rosenthal: „Dazu gibt es ein entsprechendes Gutachten, das Maximilian von Bismarck in Auftrag gegeben hat.“
Weshalb Jagdgatter 1999 verboten wurden
Tiergehege, Kulturdenkmal: Zwei neue Volten in einem Rechtsstreit, der mittlerweile einer Groteske gleicht. 1999 hatte der Landtag das Jagdgesetz geändert und Gatter verboten. Begründung: Das Wild sollte nicht durch Zäune dauerhaft in seinem natürlichen Bewegungsdrang eingeschränkt werden. Der Landtag räumte den Gatterbetreibern eine großzügige Übergangsfrist ein: Bis 2014 sollten die Zäune abgebaut werden. Im Sachsenwald geschah erst einmal nichts. Erst nach Ablauf der Übergangsfrist, als die Kreisverwaltung die Öffnung der Gatter anordnete, zogen die Bismarcks vor Gericht.
Die Öffnung stelle eine Enteignung dar, argumentierten die Anwälte laut Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Schleswig vom 9. Mai 2017. Der Betriebswert der eingegatterten Flächen betrage das Zwei- bis Vierfache von nicht eingehegten Arealen, „da derartige Sondernutzungen außerordentlich selten seien, insbesondere in der Nähe zur Metropolregion Hamburg“. Zudem verstoße das Verbot gegen die Verfassung, außerdem auch noch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Begründung: Angelteiche dürften auch eingezäunt werden, Jagd und Fischerei aber dürften nicht ungleich behandelt werden.
Gästejagden mit Prominenten bald Vergangenheit?
Außerdem wandten sich die Anwälte gegen ein zwischenzeitlich ausgesprochenes Jagdverbot in eingegatterten Arealen. Zur Begründung hieß es in der Ende 2015 erhobenen Klage, Jagden bedürften einer „langen Vorbereitungszeit“. „Dies gelte für die Termine der Treiber und Hundeführer, vor allem jedoch für die Gäste und die Belegung von Hotels. Die erste Gästejagd sei für den 29.10.2016 geplant.“
Das Verwaltungsgericht fand die Argumente wenig stichhaltig und wies die Klage ab. Auch die Berufung wurde nicht zugelassen. Im März 2018 wurde schließlich auch die Klage gegen die Nichtzulassung der Berufung abgewiesen. Damit waren die Gatterbesitzer zur Öffnung vergattert.
Sollten die beiden letzte Patronen von Maximilian von Bismarck nicht treffen, könnten die mit Prominenten gespickten Gästejagden der Vergangenheit angehören. In der Umgebung des Sachsenwaldes sind sie ohnehin nicht unbedingt in guter Erinnerung. 2011 waren Teilnehmer der alljährlichen Wildschweinjagd im Reinbeker Sachsenwald Hotel schwer ausgerastet. Acht Zimmer wurden verwüstet. Da hatten wohl einige Jäger die inneren Gatter geöffnet und die Sau rausgelassen.