Kiel. Die Landesregierung überarbeitet das Regelwerk für Genehmigungen. 2100 Anlagen können modernisiert werden.

Fast fünf Jahre nach einem Gerichtsurteil, das die Regeln für den Neubau von Windanlagen in Schleswig-Holstein für rechtswidrig erklärt hatte, hat die Landesregierung nun ein neues Regelwerk vorgelegt. Im kommenden Jahr könnte es in Kraft treten. „Wir sind erkennbar auf der Zielgeraden“, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung des dritten Entwurfs des Regionalplans. Für diese Version des Regelwerks muss nun eine weitere Anhörung durchgeführt werden. Im kommenden Sommer könnte der Landtag dann – so der Zeitplan – den Regionalplan verabschieden. Bauanträge von Windanlagenbetreibern könnten dann endlich wieder rechtssicher
genehmigt oder abgelehnt werden.

Bei der strittigen Frage der Abstände von Rotoren zu Wohnhäusern sieht der Entwurf einen Kompromiss vor. Die aktuellen Pläne der von der CDU geführten Bundesregierung will die ebenfalls von der CDU geführten Landesregierung in Kiel nur zum Teil übernehmen. Grote sagte: „Wir werden eine ohnehin anstehende Änderung des Landesplanungsrechtes dazu nutzen, um die vom Bund vorgesehene Opt-out-Regelung in unser Landesrecht umzusetzen. Damit schaffen wir die Möglichkeit, auch andere als die vom Bund vorgesehenen Abstände zu wählen.“

Repowering soll einen großen Beitrag leisten

Die Nutzung dieser Ausstiegsoption aus den Plänen des Bundes ist besonders für das sogenannte Re­powering wichtig. Viele Windanlagen drehen sich schon seit etlichen Jahren und sind technisch veraltet. Der Plan von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hätte zur Folge, dass sie nach Ablauf von 20 Jahren nicht durch modernere Anlagen ersetzt werden dürften, falls sie einen Mindestabstand von 1000 Metern zur nächsten Siedlung unterschreiten. Als Siedlung gilt dabei jede Ansammlung von mindestens fünf Häusern.

Gerade das Repowering soll aber in Schleswig-Holstein einen großen Beitrag leisten, um das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ausbauziel zu erreichen. Bis 2025 sollen Windanlagen insgesamt zehn Gigawatt Leistung liefern. Gelingen soll dies dadurch, dass in den Regionalplänen nun 340 Windenergie-Vorranggebiete ausgewiesen werden. Von den derzeit rund 3100 Windanlagen in Schleswig-Holstein befinden sich rund 2100 in diesen Vorranggebieten, können also modernisiert werden und in Zukunft mehr Strom liefern. Aber es gibt auch eine Kehrseite: Die rund 1000 Anlagen, die außerhalb dieser Flächen liegen, haben nur noch Bestandsschutz, müssen also mittelfristig abgebaut werden.

Zuletzt gab es nur wenige Ausnahmegenehmigungen

Der Bundesverband Windenergie zeigte sich zufrieden. „Damit geht die Landesplanung in die nächste und hoffentlich letzte Etappe und einen großen Schritt voran“, sagte Landesgeschäftsstellenleiter Marcus Hrach. „Dies gibt der Landesregierung nun die Möglichkeit zur Erteilung von mehr Genehmigungen auf unstrittigen Flächen.“ Der massive Rückgang der Genehmigungszahlen in den vergangenen drei Jahren führte zu enormem Nachholbedarf, um auf zehn Gigawatt Windenergie pro Jahr zu kommen. „Bis 2025 wird ein Zubau von 580 Megawatt jährlich benötigt, umgerechnet sind das rund 165 Anlagen pro Jahr“, so Hrach. Berücksichtige man den Abbau alter Anlagen, komme man sogar auf 200 Anlagen pro Jahr.

Von diesen Zahlen ist Schleswig-Holstein weit entfernt. Das Fehlen gültiger Regionalpläne hat die Windanlagenbauer schwer getroffen. Neue Anlagen werden seit 2015 nur noch mit Ausnahmegenehmigungen erteilt, die kaum zu bekommen sind. Die Fachagentur Windenergie hat ermittelt, dass der Ausbau nahezu zum Erliegen gekommen ist. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden nur vier neue Anlagen mit einer Kapazität von zusammen 12,2 Megawatt in Betrieb genommen. 2018 waren es 20 Anlagen mit 99,7 Megawatt. Zum Vergleich: 2014, im Jahr vor dem hemmenden Gerichtsurteil, wurden neue Anlagen mit einer Kapazität von 666,3 Megawatt ans Netz gebracht.

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Die Regierungsfraktionen sind sich sicher, dass diese Zahlen bald wieder erreicht werden. „Wir brauchen für eine gelungene Energiewende den planvollen Ausbau der erneuerbaren Energien“, so der FDP-Landtagsabgeordnete Oliver Kumbartzky. Skepsis herrschte bei der Opposition. „Die Pläne der Landesregierung werden vermutlich vor Gericht landen und scheitern“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Hölck.