Kiel. Wolfgang Kubicki (FDP) verabschiedet sich aus Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Grüne) könnte „Jamaika“ mitverhandeln.

Es war eine Bundestagswahl – aber es ist auch eine Wahl, die für Schleswig-Holstein Folgen haben wird. Politische Folgen, die noch schwer zu greifen sind. Personelle Folgen, die auf der Hand liegen. Wolfgang Kubicki, seit 1992 mit einer Unterbrechung Fraktionsvorsitzender der FDP, wird in den Bundestag wechseln. Robert Habeck (Grüne), der schleswig-holsteinische Energiewende- und Landwirtschaftsminister, dürfte in Berlin eine wichtige Rolle bei „Jamaika“-Koalitionsverhandlungen spielen und könnte bald zum Parteivorsitzenden reüssieren. Klar ist: Die beiden politischen Schwergewichte würden der noch jungen schleswig-holsteinischen Jamaika-Koalition fehlen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat das schon mehrfach betont. Bei den Grünen sieht es ähnlich aus.

Habeck sollte bei Koalitionsverhandlungen dabei sein

„Wir würden Robert Habeck nur sehr schweren Herzens ziehen lassen“, sagt Andreas Tietze, der Landtagsabgeordnete der Grünen. Er wirbt deshalb nicht dafür, dass Habeck den Parteivorsitz übernimmt. „Die schleswig-holsteinischen Grünen haben schon genug Einfluss in Berlin, wir brauchen kein weiteres Parteiamt“, sagte er. Und ohnehin gelte: „Robert Habeck ist nicht ämtergeil.“ Bei den Koalitionsverhandlungen im Bund dürfe Habeck hingegen nicht fehlen, findet Tietze. Und noch jemand aus Schleswig-Holstein müsste dabei sein: „Habeck sollte mitverhandeln, aber Monika Heinold ebenso. Es wäre unsinnig, auf unsere härteste Verhandlerin zu verzichten.“ Die Finanzministerin hatte sich bei den Kieler Koalitionsverhandlungen sogar den Respekt des FDP-Unterhändlers und Verkehrsministers Bernd Buchholz (FDP) erworben.

Robert Habeck (Grüne), der Mann mit „Jamaika“-Erfahrung
Robert Habeck (Grüne), der Mann mit „Jamaika“-Erfahrung © picture alliance / Carsten Rehde | dpa Picture-Alliance / Carsten Rehder

Bei den Förde-Liberalen geht mit der Bundestagswahl eine Ära zu Ende. Wolfgang Kubicki nicht mehr im Kieler Landtag! Das ist für viele Abgeordnete nur schwer vorstellbar. Kubicki hat seine rednerische Begabung immer wieder in die Waagschale geworfen, um den Liberalen Mandate und Ämter zu sichern. 12,6 Prozent der Zweitstimmen hat die Partei jetzt in Schleswig-Holstein bekommen. Es ist das letzte Kubicki-Wahlergebnis. Im Dezember, so der Plan, wird er seine letzte Rede halten, sein Landtagsmandat niederlegen und eine Lücke hinterlassen.

Die FDP-Landtagsfraktion hat neun Mitglieder

Die nicht leicht zu füllen ist. Die Landtagsfraktion besteht aus neun Mitgliedern, einige sind erst seit der Wahl im Mai dabei. Christopher Vogt, der Fraktionsgeschäftsführer, hat sich in den vergangenen Jahren als Debattenredner profiliert. „Wenn die Fraktion will, dass ich Vorsitzender werde, würde ich mich wohl nicht verweigern“, sagt er. Es wäre ein Generationenwechsel: Vogt (33) für Kubicki (65).

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) verzichtet wie angekündigt auf sein Bundestagsmandat. „Ich habe vorher gesagt, ich werde Minister in Kiel bleiben“, so der 55 Jahre alte Ahrensburger. „Und dabei bleibt es.“ Selbst wenn ihn sein in die Hauptstadt wechselnder Parteifreund Wolfgang Kubicki fragen sollte, ob er nicht mitkommen wolle, werde er Nein sagen. Für Buchholz, der auf Platz zwei der Landesliste steht, rückt Gyde Jensen (27) in den Bundestag auf, Spitzenkandidatin der Jungen Liberalen.

SPD hat das schlechteste Ergebnise seit 1949

Wie das Wahlergebnis die SPD verändern wird, lässt sich bestenfalls in Umrissen erahnen. Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten haben nicht nur das schlechteste Ergebnis seit 1949 erzielt, sie haben auch in ihrer Hochburg Lübeck das Direktmandat an die CDU verloren, und sie haben in ihrer zweiten Hochburg Kiel das Direktmandat nur mit einem hauchdünnen Vorsprung verteidigen können. „Man muss das Wahlergebnis als gravierenden Einschnitt begreifen“, sagt Ralf Stegner, SPD-Landesvorsitzender, Fraktionsvorsitzender und stellvertretende Bundesvorsitzender. „Das ist eine außerordentlich schwierige Situation. Es ist die schwerste Krise nicht nur der Sozialdemokratie, sondern der deutschen Demokratie nach dem zweiten Weltkrieg.“

Die SPD, sagt Stegner, müsse mit ihren Mitgliedern reden, sie brauche mehr junge Leute, die mitmachten, und mehr Menschen, die Geld spendeten. Vor allem: „Das Parteiprogramm muss in klarer Spreche vermittelt werden.“ Und die SPD müsse entschieden die AfD bekämpfen. In der Opposition, so Stegner, ist das alles einfacher: „Wenn die Unterschiede zwischen CDU/CSU auf der einen und SPD auf der anderen Seite wieder deutlicher werden, dann ist auch weniger Platz für die AfD da.“

Für die CDU gehen zehn Abgeordnete nach Berlin

Für die CDU hielt das schleswig-holsteinische Wahlergebnis Erfreuliches bereit. Nicht nur, dass sie der SPD den Wahlkreis Lübeck abgenommen hat. Sie hat auch die Zahl der Bundestagsabgeordneten nahezu halten können, statt elf sind es nun zehn. Und sie hat ihr Berliner Team verjüngt und weiblicher gemacht: vier Frauen sind dabei. Auch Melanie Bernstein hat es geschafft, die Frau des unlängst tödlich verunglückten Landstagsabgeordneten Axel Bernstein. Im Wahlkreis Plön-Neumünster war sie mit 40,7 Prozent der Erststimmen klar besser als ihre Kontrahentin von der SPD, Birgit Malecha-Nissen (28,9 Prozent).

Dennoch hat auch die CDU Federn lassen müssen. 34 Prozent Zweitstimmen – nur 2009 und 1949 haben die schleswig-holsteinischen Christdemokraten ein schlechteres Ergebnis eingefahren.

Bei der AfD wurde gejubelt. Gleich zwei Abgeordnete werden in den Bundestag einziehen. Auch die Linke kommt nun auf zwei Bundestagsman­date.