Kiel. CDU, Grüne und FDP sind in Kiel uneins über Verkehrspolitik. Koalitionsverhandlungen bis zum Freitag ausgesetzt.

Der erste „Jamaika“-Krach ist da. Er zeigt, wie wenig stabil das Kieler Koalitionskonstrukt ist – und wie verfrüht manche öffentlichen Lobeshymnen waren. Unterschiedliche Meinungen in Sachen Straßenbau und ein Pressebericht reichten am Mittwoch aus, um die Verhandlungspartner CDU, Grüne und FDP komplett aus dem Tritt zu bringen.

Eine für 11 Uhr anberaumte Koalitionsrunde, die von einer Pressekonferenz gekrönt werden sollte, wurde erst um eine Stunde verschoben, dann ohne Begründung auf unbestimmte Zeit vertagt. Am Abend, nach vielen Gesprächen in unterschiedlicher Zusammensetzung, traten die drei bedröppelten Verhandlungsführer Daniel Günther (CDU), Monika Heinold (Grüne) und Heiner Garg (FDP) vor die wartende Presse und bemühten sich, die Scherben des Tages zusammenzufegen.

Den Grünen kamen Bedenken

„Wir brauchen jetzt etwas Entschleunigung“, sagte Monika Heinold. Und Daniel Günther formulierte den Minimalkonsens so vorsichtig, als unterliege selbst der noch der Streitgefahr: „Es ist unter uns geeint, dass wir die Verhandlungen unterbrechen und am Freitag um 11 Uhr fortsetzen wollen.“

Was war geschehen? Die Fachgruppe Wirtschaft und Verkehr der Koalitionäre hatte in den vergangenen Tagen fleißig getagt und in einem Papier gemeinsame Ziele festgelegt. Man sei sich weitgehend einig, hatte es am Dienstag optimistisch geheißen. Am Mittwoch sollten die Ergebnisse in der großen Koalitionsrunde besprochen und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Doch am Morgen kamen den Grünen Bedenken.

Hektisch wurden Änderungswünsche formuliert

War das, was dort festgezurrt war, der grünen Basis wirklich zumutbar? „Meine Aufgabe als Verhandlungsführerin ist es, am Ende einen Koalitionsvertrag zu präsentieren, dem die grüne Mitgliedschaft mehrheitlich zustimmen kann“, sagte Heinold. Sie war bei Durchsicht des Fachgruppen-Papiers am Mittwochmorgen offenbar zu dem Schluss gekommen, dass die Ergebnisse für die grüne Basis eben nicht tragbar waren.

Hektisch wurden Änderungswünsche formuliert und den Koalitionspartnern übermittelt. Offenbar ging es um eine Vielzahl von Änderungen, und offenbar waren sie so erheblich, dass sich nun die FDP verweigerte.

„Die FDP hat grundsätzlich Pro­bleme damit, ein bereits geeintes Papier wieder aufzumachen“, sagte Garg am Abend und machte keinen Hehl über seine Verärgerung. Die FDP sei auch deshalb gewählt worden, weil sie „signifikante Veränderungen“ in der Verkehrspolitik versprochen habe. Garg weiter: „Der Koalitionsvertrag muss eine liberale Handschrift tragen.“

Daniel Günther versuchte am Abend, die Gemüter zu beruhigen. „Wir hatten uns den Tag anders vorgestellt“, sagte er. Aber es gebe keinen Grund zur „Dramatik“. „Ich bin begeistert davon, wie schnell wir bis hierher gearbeitet haben.“

Das Tempo ist raus

Das Tempo ist nun erst einmal raus. Auch der bisherige Zeitplan dürfte hinfällig sein. Am kommenden Dienstag wollten die drei Parteien eigentlich schon den Koalitionsvertrag vorlegen. Bislang gibt es aber nur für das Thema Finanzen eine Einigung.

Am heutigen Donnerstag hatte man politische Ziele im Bereich Bildung vorstellen wollen, am Sonnabend sollten die Bereiche Umwelt und Energie sowie Innen und Recht folgen. Ob es dazu kommt, ist unklar.

„Zeitpläne spielen eine untergeordnete Rolle“, sagte Heiner Garg am Mittwoch. Klar ist nur ein Termin. Am Freitag um 11 Uhr trifft sich die Strategiegruppe und berät darüber, wie es weitergeht.

Knackpunkte A 20 und Fehmarnbeltquerung

In welchen Punkten die Grünen Nachbesserungen bei Wirtschaft und Verkehr verlangt haben, blieb unklar. Monika Heinold sprach von den „Brocken“ A 20 und Fehrmarnbeltquerung, wollte aber keine Details nennen. Die Grünen waren offenbar auch verärgert darüber, dass einer der Verhandlungspartner aus den vertraulichen Gesprächen geplaudert hatte, denn in den „Lübecker Nachrichten“ war am Mittwoch schon zu lesen, worauf sich die Koalitionäre angeblich geeinigt hatten.

Nämlich etwa darauf, die A 20 schnell fertigzubauen. Man wolle selbst dann schon mal loslegen, wenn es nur für Teilstücke Baurecht gebe, hieß es in dem Bericht. CDU und FDP „mit ihrem designierten Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz“ hätten sich gegen die Grünen durchgesetzt, urteilte das Blatt.

Wer hat Interna weitergegeben?

Bei den Grünen kam das gar nicht gut an. Einerseits stehen sie der A 20 abwartend gegenüber. In der abgewählten Küstenkoalition waren sie der A-20-Bremsklotz gewesen. Andererseits hatten sie mehrmals darauf hingewiesen, dass es für eine parlamentarische Zusammenarbeit zuallererst Vertrauen brauche. Vertrauen, das in den Koalitionsgesprächen erarbeitet werden müsse. Geschehen ist nun aber das genaue Gegenteil von Vertrauensbildung.

Die Grünen vermuten, dass der Übeltäter in den Reihen der FDP zu finden ist. Der FDP-Pressesprecher Klaus Weber entgegnet: „Von uns ist es keiner gewesen.“

Versteinerter Blick in die Kameras

Am Ende dieses hektischen Tages traten die drei Verhandlungsführer dann doch vor die Medien. Die Bilder sprachen Bände. Heiner Garg starrte versteinert in die Kameras, Daniel Günthers Kiefer mahlte unablässig, Monika Heinold wirkte erschöpft.

Ja, man habe noch Vertrauen zueinander, sonst würde man ja hier nicht stehen, sagte Heinold. „Immerhin Duzen wir uns seit heute.“