Kiel. In der ersten Sitzung des neuen Landtags in Kiel gab es viele versöhnliche Worte. Klaus Schlie bleibt Präsident.

Das Parlament hat die Arbeit aufgenommen, die Opposition steht bereit. In Schleswig-Holstein muss jetzt nur noch die Regierung gebildet werden – dann könnte das politische Tagesgeschäft beginnen. Die konstituierende Sitzung des Landtags bildete am Dienstag den sichtbaren Auftakt für die baldige Rückkehr zum demokratischen Normalzustand. Denn seit der Landtagswahl am 7. Mai sind die Regierungs- und Parlamentsgeschäfte in Schleswig-Holstein nahezu zum Erliegen gekommen. Erst am 28. Juni soll, falls die „Jamaika“-Koalition aus CDU, Grünen und FDP bis dahin einen Koalitionsvertrag unterzeichnet hat, der Ministerpräsident gewählt werden.

Die konstituierende Sitzung des Landtags markierte am Dienstag gleich in mehrfacher Hinsicht einen Neuanfang. Nach den harten Auseinandersetzungen des Wahlkampfs appellierte Wolfgang Kubicki (FDP), der als Alterspräsident die Sitzung eröffnete, an die Abgeordneten, einen „respektvollen Umgang“ miteinander zu pflegen.

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„Unser gemeinsames Ziel muss es sein, mit sachlichen Argumenten um die besten Lösungen für die Menschen in Schleswig-Holstein zu ringen“, sagte er. „Diese Auseinandersetzung kommt nicht ohne Toleranz und ohne Respekt vor dem Andersdenkenden aus.“ Und weiter: „Das verbietet persönliche Verunglimpfungen, das verbietet jede Form der Diskriminierung und das verbietet jeder Abgeordneten und jedem Abgeordneten die Verabsolutierung der eigenen Meinung.“

Kubicki erinnerte an eine Äußerung des scheidenden Landtagsabgeordneten Sven Krumbeck (Piraten-Fraktion). Der hatte im März die Bilanz seiner Parlamentserfahrungen gezogen und gesagt: „Als ich in den Landtag gekommen bin, hatte ich ein viel schlechteres Bild von der Politik und von Politikern. Ich kann für mich sagen: Mein Bild vom egozentrischen, selbstverliebten, volksfernen Politiker ist durch alle Leute, die hier im Landtag sitzen, nachhaltig und für immer zerstört worden.“

Versöhnende Worte an die Vorgängerregierung

Sätze, die möglicherweise auf die AfD gemünzt waren. Die Partei, die die anderen gern als „Alt-Parteien“ verächtlich macht, ist erstmals in den Landtag eingezogen.

Für die fünf Abgeordneten musste der Sitzungssaal an der Förde umgebaut werden. Im kreisförmig in vier Ringen angeordneten Gestühl wurde die AfD rechts von der Regierungsbank platziert. Dann folgt, durch einen Gang getrennt, die CDU. Durch einen weiteren Gang getrennt, folgen FDP, SSW und Grüne. Ganz links ist die SPD zu finden.

Jeder dritte Abgeordnete ist Neuling

Kubicki nutzte seine Rede als ­Alterspräsident auch, um versöhnende Worte an die Vorgängerregierung zu richten. Ministerpräsident Torsten ­Albig (SPD) hörte auf der Regierungsbank aufmerksam zu, als Kubicki an das große Engagement der Schleswig-Holsteiner für Flüchtlinge erinnerte – und fortfuhr: „Dank auch an die Regierung Albig, die Großes geleistet hat.“

Gut eine Stunde dauerte die Landtagssitzung. Höhepunkt war die Wahl des alten und neuen Landtagspräsidenten Klaus Schlie (CDU). 55 der 73 Abgeordneten stimmten für ihn. Schlie (63) verwies in seiner Antrittsrede auf die Stärken der Demokratie. „Sie besitzt die Fähigkeit, aus gegensätzlichen Positionen heraus friedlich, kompromissbereit und im ehrlichen Bemühen um Konsens erfolgreiche Lösungen in der parlamentarischen Debatte auszuloten und schließlich zum Wohle der gesamten Gesellschaft auch umzusetzen“, sagte er.

Koalitionsgespräche gehen weiter

Nach diesem kurzen parlamentarischen Intermezzo geht es in den kommenden Tagen mit Koalitionsverhandlungen weiter. Schon heute wollen die „Jamaika“-Partner ihre Ergebnisse im Themenfeld Wirtschaft und Verkehr vorstellen. Am Donnerstag folgen Bildung und Sport, am Sonnabend Inneres und Recht sowie Umwelt und Energie. Am kommenden Dienstag soll der Entwurf des Koalitionsvertrags fertig sein. Dann folgen Parteitage bei den Grünen (19. Juni) und der CDU (23. Juni), eine Mitgliederbefragung bei der FDP sowie eine wohl alles entscheidende Mitgliederabstimmung bei den Grünen, deren Ergebnis am 26. Juni vorliegen soll. Gibt es eine Mehrheit, gibt es auch „Jamaika“.

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