Kiel. Für CDU und FDP ist das Bündnis kein Problem – doch was ist mit den Grünen? SPD bereitet sich auf den Weg in die Opposition vor.
Am zehnten Tag nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hebt sich der Küstennebel. Erstens: Eine Ampelkoalition (SPD, Grüne und FDP) wird es nach derzeitigem Stand nicht geben. Die FDP lehnt es ab, darüber auch nur zu sprechen. Zweitens: Eine Große Koalition (CDU und SPD) wird es ebenfalls nicht geben. Die SPD hat sie am Dienstagabend ausgeschlossen. Die Partei bereitet sich auf den Gang in die Opposition vor und will sich personell erneuern. Damit bleiben – drittens – noch zwei Varianten übrig: eine Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP oder, theoretisch, Neuwahlen.
Auf Gedeih und Verderb Jamaika – danach sieht es also zurzeit aus. Für die CDU und die FDP dürfte das kein Problem sein. Es ist ihre Lieblingskoalition. Für die Grünen, die mit dem nun noch einzigen verhandelbaren Bündnis die größten Probleme haben, ist das hingegen keine gute Nachricht. Die Spitzenkandidatin Monika Heinold sagt: „Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass die Ampel unser Favorit ist. Und wir haben mehrfach betont, dass es auch an der SPD ist, die FDP für ein solches Bündnis einzuwerben.“
Den darin verborgenen Vorwurf, sich nicht genügend eingesetzt zu haben, wies der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner umgehend zurück. „Wir haben der Führung von FDP und Grünen in mündlicher Form unsere Bereitschaft mitgeteilt, dass wir für eine Ampelkoalition offen sind.“ Allerdings habe man sich in der vergangenen Woche mit öffentlichen Äußerungen dazu zurückgehalten. Stegner sagt: „Der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki und andere baten um Rücksichtnahme auf die Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Das haben wir respektiert.“
Harsche Reaktion der FDP auf Gesprächsangebot
Stegner hatte zuvor Aussagen von Wolfgang Kubicki, eine Ampel käme nun „definitiv“ nicht infrage, als „taktische Überlegung“ bezeichnet – und deshalb dennoch Gesprächseinladungen zur Bildung einer Ampel versendet. Die FDP reagierte mit einer harschen Pressemitteilung ihres Landesvorsitzenden Heiner Garg. „Wenn Herr Dr. Stegner diese klare Entscheidung der Freien Demokraten jetzt als ‚taktische Überlegungen anderer Parteien‘ bezeichnet, offenbart dies einmal mehr die Verachtung Herrn Dr. Stegners gegenüber den Freien Demokraten – aus der er seit vielen Jahren nie wirklich einen Hehl gemacht hat“, heißt es darin.
Das klingt nach zerschnittenem Tischtuch. Und es klingt nicht nur bei FDP und SPD so. Auch Sozialdemokraten und Grüne sind sich nicht mehr grün. Die Küstenkoalition, schon am 7. Mai abgewählt, ist vielleicht erst in diesen Tagen so richtig zerbrochen. Die Landespolitiker stehen vor einem Scherbenhaufen.
Das hatte sich abgezeichnet. Schon gleich nach der Wahl begann die Ausschließeritis. Der SSW schloss aus, in eine Koalition mit der CDU zu gehen. Die CDU schloss schon früh eine Große Koalition aus. „Sie wäre eine Notlösung“, sagte Spitzenkandidat Daniel Günther. Die FDP schloss von Tag zu Tag mehr aus, in eine Ampelkoalition zu gehen. Am Dienstag fiel dann ganz die Klappe – ausgerechnet an dem Tag, an dem die SPD die FDP-Forderung nach einem Rückzug von Torsten Albig erfüllte.
Seitdem glaubt bei den Sozialdemokraten keiner mehr an die Ampel. An die Große Koalition mit der immer noch konservativen CDU hatte im linken SPD-Landesverband ohnehin keiner geglaubt. „Eine solche Koalition hätte uns zerrissen“, sagt ein Sozialdemokrat.
Stimmung hat sichrapide verschlechtert
Die Ampel wäre mittlerweile nicht nur wegen der FDP, sondern wohl auch wegen den ehemaligen Küstenkoalitionären SPD und Grüne ein Problem. Die Stimmung zwischen dem Führungspersonal hat sich in den vergangenen Tagen rapide verschlechtert. Die Grünen finden, die SPD hätte viel offensiver für eine Koalition mit der FDP werben müssen. Die Sozialdemokraten finden, die Grünen suchen nur nach einem Vorwand, um unbeschwert nach Jamaika reisen zu können.
Doch dieses Reiseziel ist noch längst nicht erreicht. Die bisherigen Sondierungsgespräche, drei an der Zahl, haben wenig Greifbares ergeben. Die Stimmung sei gut, heißt es von allen Seiten. Daniel Günther sei wild entschlossen, die Koalition zu bilden. Bei vielen Problemfeldern heiße es: Kein Problem, das lasse sich regeln.
Über die Details dieser Regelungen haben die Koalitionäre allerdings noch nicht gesprochen. Mit anderen Worten: Der wirklich schwierige Teil der Gespräche folgt erst noch. Nämlich dann, wenn aus den Sondierungen Koalitionsverhandlungen werden.
Gibt es dennoch schon jetzt etwas, mit dem die grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold ihre Partei davon überzeugen kann, in Koalitionsverhandlungen einzutreten? „Wir werden am kommenden Montag beraten, wie die Bilanz der Gespräche ausfällt“, antwortet Heinold ausweichend. Ist sie genervt von der Absage der FDP an eine Ampel? „Ich wünsche mir von allen Parteien, dass sie für unterschiedliche Bündnisse offen sind“, sagt sie diplomatisch. „Wir Grüne haben viele Optionen offengelassen. Ich halte nichts von Ausschließeritis.“
Die Ausschließeritis hat dazu geführt, dass es derzeit nur noch eine einzige Möglichkeit zur Bildung einer Regierungsmehrheit gibt. Die Parteien haben nur noch einen Schuss frei. Dann drohen Neuwahlen. Doch die will auch niemand. Auch sie werden quasi ausgeschlossen. „Neuwahlen wären eine große Enttäuschung“, sagt Monika Heinold. „Das wäre das Signal an die Wähler, dass ihre Wahlentscheidung nicht ernst genommen wird.“ Auch SPD-Chef Ralf Stegner sagt: „Neuwahlen kann man den Bürgern nicht vermitteln.“
SPD will Albig auf Parteifest ehren
Die Sozialdemokraten haben am Mittwoch einen Schnitt gemacht. Sie bereiten sich auf die Opposition vor. Am kommenden Montag wird die Wahl auf einer Parteikonferenz analysiert, am 10. Juni geht es mit einer Sitzung des Landesparteirats weiter. Bei einem sommerlichen Parteifest soll Torsten Albig geehrt werden, der „Ministerpräsident der erfolgreichen Küstenkoalition“. Es wirkt, als sei eine Last abgefallen.